Die Schriftstellerin Jenny Erpenbeck und Claudia Schumacher sitzen sich an einem Tisch gegenüber und sprechen miteinander © Literaturhaus Hamburg
Die Schriftstellerin Jenny Erpenbeck und Claudia Schumacher sitzen sich an einem Tisch gegenüber und sprechen miteinander © Literaturhaus Hamburg
Die Schriftstellerin Jenny Erpenbeck und Claudia Schumacher sitzen sich an einem Tisch gegenüber und sprechen miteinander © Literaturhaus Hamburg
AUDIO: Ein Gespräch mit Jenny Erpenbeck im Hamburger Literaturhaus (4 Min)

Jenny Erpenbeck in Hamburg: Über Literatur, die DDR und Ungerechtigkeit

Stand: 26.03.2025 11:11 Uhr

Die Schriftstellerin Jenny Erpenbeck ist international ein großer Name und wird sogar als Anwärterin für den Nobelpreis gehandelt. Am Dienstag war die Booker-Preisträgerin zu Gast im Hamburger Literaturhaus. Ihr Gespräch mit Claudia Schumacher begeisterte das Publikum.

von Jens Büchsenmann

Zwei Autorinnen sprechen intensiv über Literatur, ihr Leben oder das Weltgeschehen: Autorin Claudia Schumacher hatte in ihrem Format "Schumacher trifft ..." am Dienstagabend Jenny Erpenbeck zu Gast. Die Berlinerin gilt als "literarische Stimme Deutschlands in der Welt". Bereits zwei Mal hat sie den international renommierten Booker Prize gewonnen: 2024 für ihren Roman "Kairos" und 2015 für "Heimsuchung" - damals noch den später in Booker umbenannten "Independent Foreign Fiction Prize". In ihren Büchern erzählt Erpenbeck ihre selbsterlebte DDR-Geschichte. Auch Schumacher hat bereits Preise gewonnen und mit ihrem Roman-Erstling "Liebe ist gewaltig" für Furore gesorgt.

Vom Booker Prize zum Literaturnobelpreis?

Bei der Veranstaltung im Hamburger Literaturhaus entspinnt sich schnell ein intensives Gespräch. Natürlich muss Claudia Schumacher ihren Gast nach dem Booker Prize fragen. "Jetzt wo das Booker Prize heißt, ist es sogar bis nach Deutschland gedrungen, dass es was Dolles ist. Natürlich prophezeien einem sofort nachdem man ihn bekommen hat alle: Jetzt kommst du ein Jahr nicht mehr zum Schreiben. Und das stimmt", erzählt Jenny Erpenbeck.

Sogar der Literaturnobelpreis wurde Erpenbeck schon mehrfach von US-amerikanischen Kritikern prophezeit. Als Claudia Schumacher sie mit entsprechenden Zitaten konfrontiert, antwortet Jenny Eppenbeck nur lakonisch, mehr Publicitiy brauche sie jetzt nicht.

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DDR-Verherrlichung: Vollkommen absurd

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Jenny Erpenbecks Opus Magnum "Kairos" spielt Ende der 1980er Jahre in Ost-Berlin und erzählt von einer Beziehung zwischen dem 50-jährigen Schriftsteller Hans und der 19-jährigen Katharina.

Kritiker haben Erpenbeck vorgeworfen, die DDR zu verherrlichen. Auch das spricht Schumacher an. "Den Vorwurf finde ich vollkommen absurd. Weil wirklich jeder froh war, dass das Land in der Weise, wie es war, vorbei war", weist die in der DDR aufgewachsene Schriftstellerin vehement jegliche Vorwürfe zurück. Doch sie fügt hinzu, dass sie das Nachdenken darüber, wie man die bestehenden Ungerechtigkeiten beseitigen kann, vermisse.

"Dass es nicht geht, dass zehn Prozent der Leute den ganzen Reichtum besitzen und der Rest krepelt rum. Jeder weißt: Über Mietpreise muss man nachdenken. Das kann nicht sein, dass wir unsere Städte nicht mehr bewohnen können, weil wir die Mietpreise nicht bezahlen können. Dass die Preise unbezahlbar werden und die Leute zu den normalsten Dingen keinen Zugang mehr haben", empört sich Erpenbeck.

Vielfältige Themen in 90 Minuten Gespräch

Erstaunlich, wie viel die beiden Autorinnen ansprechen: Privates, Biografisches, Tagebücher, sogar die Essays. Dabei hätte allein "Kairos", dieser von der Kritik als Opus Magnum gefeierte Roman, mehr als anderthalb Stunden getragen. Doch dann baut sich schon eine lange Schlange zum Signieren auf, und die Werke von Jenny Erpenbeck sind am Bücherstand schnell vergriffen.

Positive Resonanz beim Publikum

Dem Publikum hat die Veranstaltung gefallen. "Ich kannte die Autorin überhaupt nicht und war positiv überrascht. Das Format des Interviews fand ich super", erklärte eine Besucherin hinterher. Eine weitere sagte: "Eine kluge Autorin hat gefragt und nicht ein Kritiker aus dem Feuilleton, der meint er wäre klüger als der Autor, den er vorstellt. Es hat mir sehr gut gefallen." Viele waren positiv überrascht von dem Format: "Ich kenne Lesungen, bei denen eine Autorin aus ihrem Buch liest, ein neues Buch vorstellt. Das war für mich heute Abend eine richtig coole Erfahrung."

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Vormittag | 26.03.2025 | 10:00 Uhr

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