"Huldigung an das Quadrat": Bildband zeigt Josef Albers' Kunst
Eine Ausstellung in Josef Albers' Geburtsstadt Bottrop befasste sich kürzlich mit der Serie "Homage to the Square" des Künstlers. Der dazugehörige Katalog ist weit mehr als ein Ausstellungssouvenir fürs Bücherregal.
Mehrere kleinere Quadrate in einem größeren Quadrat, jedes davon in einer anderen Farbe: Ein Motiv, wie es für einen Bauhaus-Künstler typisch ist, könnte man denken. Und so schien das Bild "Homage to the Square" (Huldigung an das Quadrat) von Josef Albers im Jahr 1950 nicht weiter ungewöhnlich. Niemand konnte ahnen, dass Albers dieses Motiv über 26 Jahre variieren, kopieren und studieren würde, bis eine ganze Serie aus tausenden Quadrat-Bildern entstanden war.
Mehr als nur farbige Quadrate
"Homage to the Square (A)" - ein schwarzes Quadrat, umfasst von einem größeren Quadrat in anthrazit und einem noch größeren, rahmenden Quadrat in hellgrau. Nicht gerade farbenfroh, diese streng geformte Komposition von 1950. Doch sie wurde zum Startpunkt für "die umfassendste und zugleich wirkmächtigste Bildserie des 20. Jahrhunderts, die in der Kunst Europas und der USA ihre unübersehbare Wirkung entfaltet hat." So beschreibt es der scheidende Direktor des Museums Quadrat in Bottrop, Heinz Liesbrock. Und er geht noch weiter: "Durch das Bild geschieht eine Ansprache, der wir uns als Betrachter kaum entziehen können."
Was soll das schon sein, könnte ein naiver Betrachter beim ersten Blick denken: Quadrate halt, ineinandergeschachtelt. Mal grün und blau. Mal rot und braun. Oder grün und braun. Oder - Moment mal: Düster, bedrohlich wirken die dunklen Brauntöne inmitten von tiefem Schwarz. Heiter und frisch dagegen das lindgrüne Quadrat in hellblauem Rahmen. Wie kann das sein - es sind doch bloß farbige Quadrate?
Josef Albers: "Die Farbe ist das Wesen meiner Sprache"
Die Untertitel der Bilder geben weitere Fingerzeige auf Stimmungen: "Ardent", also brennend-leidenschaftlich, so wirkt ein luftig-warmes Blau, umgeben von einem ockerfarbenen und einem großflächig rotbraunen Quadrat. "Vernal", frühlingshaft, erscheint die Farbkombi aus grasgrün, grau, eisblau und mattweiß. "Sonorous", klangvoll, so tönt ein orangerotes in einem lehmfarbenen in einem stahlblauen Quadrat.
"Renewed Hope", "Clearing Up", "At Night" lauten weitere Bildtitel - und immer steckt ein Quadrat in einem Quadrat in einem Quadrat.
Die Form, hat Albers dazu einmal erklärt, sei ihm nicht so wichtig; sie befreie ihn beim Malen nur von dem Zwang, jedes Mal erst eine Form finden zu müssen: "Die Farbe ist das Wesen meiner Sprache. Ich huldige nicht einem Quadrat. Das Quadrat ist nur der Teller, auf dem ich meine Verzückung durch die Farbe ausbreite."
Josef Albers malte mehr als 2.200 Quadrat-Bilder
Die Wechselwirkung benachbarter Farben aufeinander interessiert Albers vor allem anderen, ob nun Ton-in-Ton oder scharf kontrastierend. Und so wächst seine Quadrat-Serie Bild um Bild, Jahr um Jahr. 1950 malt er etwa 30 Bilder, 1951 schon (schätzungsweise) 42, in darauffolgenden Jahren mehr und mehr und immer mehr - gut 2.200 verschiedenfarbige Quadratbilder werden es am Ende sein! Stets mit säuberlich geraden, scharfen Linien und gleichmäßigem Farbauftrag angefertigt - anders also als bei Mark Rothkos gestapelten Blöcken mit fließenden Kanten, bei denen es ebenfalls um Verdichtung, Vereinfachung und Konzentration geht, aber auch um Emotion und Versenkung.
Albers legte großen Wert darauf, handwerklich genau, planvoll und kontrolliert zu arbeiten. Und doch konnte dieser streng gescheitelte, akkurat mit Farbtube und Palettenmesser agierende Künstler nicht verhehlen: "Zwei Farben nebeneinander zu setzen, versetzt mich in höchste Erregung. Sie atmen gemeinsam. Es ist wie ein Pulsschlag."
Ein Pulsschlag, der sich garantiert im Museum, aber auch blätternd in dem Bildband überträgt. Konzentriertes Schauen, hellwache Ruhe, verfeinertes Hinsehen verlangen diese Rotquader, diese Blaukästen und viereckigen Grün-Gelb-Blitze.
"Einer der großen Maler in der Kunst des 20. Jahrhunderts"
Über viele Jahre ist der einflussreiche Kunstanleiter und Bauhausmeister im Exil Josef Albers zuvorderst als Lehrer gesehen worden, verehrt und dankbar erwähnt von vielen zeitgenössischen Künstlern. Dass er selbst "einer der großen Maler in der Kunst des 20. Jahrhunderts" genannt werden muss, macht der bild- und gedankenreiche Band überdeutlich. Albers‘ Verse und kunsttheoretische Prosa finden in diesem Katalog ihren Platz ebenso wie das Nachleben seiner Werke in Hommagen anderer Künstler auf Albers bis in die 2020er-Jahre.
Man staunt letztlich über den klugen Kunstkritiker, der bereits 1956 über die ersten Bilder der "Homage to the Square" bemerkte: "Wenn man die Ausstellung verlässt, ist man optisch außerordentlich empfindlich und sieht selbst ganz neu."
Josef Albers. Huldigung an das Quadrat 1950-1976
- Seitenzahl:
- 356 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Verlag:
- Hatje Cantz
- Bestellnummer:
- 978-3-7757-5415-6
- Preis:
- 64 €