Fußballkapitalismus - Ein Fan wird kritisch
Die FIFA zahlt allen Fußballspielerinnen der WM 2023 erstmals eine Teilnahmeprämie - ein großer Schritt für die Gleichberechtigung. Doch Geld birgt im Fußball auch Gefahren. Welche Form von Profifußball ist akzeptabel? Was braucht es für einen fairen Wettbewerb?
Der Ball rollt wieder. Am 20. Juli startete die Fifa WM in Neuseeland und Australien. Und mit ihr schreitet auch die Gleichberechtigung von Männern und Frauen im Fußball ein Stück voran. Erstmals hat die FIFA allen Teilnehmerinnen der Frauenfußball-Weltmeisterschaft eine Prämie von mindestens 30.000 US-Dollar zugesagt. Bereits im Frühjahr eröffnete FIFA-Präsident Gianni Infantino, dass die Forderungen der Spielerinnen nach einer Anpassung an die männlichen Standards im Hinblick auf Trainingscamps, Reisen und Unterkünften zur WM angeglichen würden. Insgesamt stellt der Weltverband Prämien von umgerechnet rund 98 Millionen Euro zur Verfügung. Bei der Frauen-WM 2019 in Frankreich waren es noch rund 27 Millionen Euro. Das klingt gut. Im Vergleich zu den Männern schneiden sie jedoch schlecht ab. Hier verteilte die FIFA bei der WM in Katar umgerechnet rund 400 Millionen Euro.
Martina Keller glaubt an das Gute im Fußball
Schritt für Schritt nähern sich die Fußballerinnen den Summen an, die noch immer nur den männlichen Profis vorbehalten sind. Im Sinne der Gleichberechtigung ist das ein Fortschritt. Im Sinne des Fußballs stellt sich jedoch die Frage, ob ein Mehr auch immer ein Besser bedeutet. Die Autorin Martina Keller hat sich mit Fußball als Wirtschaftsinstrument beschäftigt. Sie ist Fußballfan. In fünf Jahrzehnten hat sie kein Turnier verpasst; liebt K.o.-Spiele mit Verlängerung und Elfmeterschießen. Lange hat sie ausgeblendet, dass ihr geliebter Sport Turbokapitalismus pur ist. Geldgierige Verbände, unmäßige Transfersummen, unethische Sponsoren: "Profifußball ist Geld getrieben, kein unschuldiges Vergnügen. Das ist auch mir inzwischen klar. Trotzdem glaube ich noch an das Gute im Fußball, an Vereine, die es besser machen als andere, zumindest in der einen oder anderen Hinsicht", erklärt Keller.
Über internationalen Freihandel und Beschränkungen im deutschen Fußballwesen
Auf der Suche nach einem guten Weg im glamourösen Fußballdschungel spricht Martina Keller mit Fußballfans, Spielern, einer Fan-Organisatorin, Vereinsmitgliedern und Funktionären. Auch Martin Kind traf sie für das Feature "Fußballkapitalismus - ein Fan wird kritisch". Kind rettete Hannover 96 einst vor der Pleite und führte den Verein aus der dritten Liga zurück in die Bundesliga. Der Autorin verrät Kind, dass er Fan des "echten Wettbewerbs" der englischen Liga ist: "Die haben sehr frühzeitig erkannt, dass Premiere-League-Vereine Wirtschaftsunternehmen sind."
Die Beschränkung wirtschaftlicher Investitionen im deutschen Fußballwesen befürwortet der Eigentümer und Geschäftsführer der Kind-Gruppe nicht, der im Juli 2022 vom Vereinsvorstand als Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH abberufen wurde, im April jedoch den Rechtsstreit gegen die Abberufung gewann. "Investoren dürfen in ausgegliederten Kapitalgesellschaften von Bundesliga-Vereinen keine Stimmenmehrheit haben, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Kind bekämpft diese Regel. Fan-Initiativen wollen, dass sie bleibt - wegen Mitbestimmung", weiß Keller.
Ein Vorteil des Fußballkapitalismus ist die Attraktivität des Spiels
Sie sieht auch die Vorteile der Investitionen. Die Autorin liebt den Weltfussball. "Ich liebe auch seine millionenschweren Stars Messi, Haaland, Mbappé!" Wo wäre der Profifußball ohne seine Millionäre? Welche Form von Profifußball ist akzeptabel? Was braucht es für einen fairen Wettbewerb? Und gibt es einen richtigen Fußball im falschen? "Der FC St. Pauli zum Beispiel ist der erste deutsche Proficlub mit einer Frauenquote für Gremien wie Aufsichtsrat oder Präsidium", erzählt Keller. Damit schließt sich der Kreis zur wachsenden Gleichberechtigung bei der Frauen-WM 2023. Auch, wenn es sich auch bei diesen fairen Gedanken wieder um wirtschaftliche handelt.