Fotoband "Windsbraut": Eine Seefrauen-Crew überquert den Atlantik
Drei Frauen schauen konzentriert in die Ferne: die Kapitänin und zwei ihrer Steuerfrauen. Hinter ihnen Segelbäume, Takelage und wolkiger Himmel. Ihre Haare wehen lebendig um ihre Köpfe. Steuerfrau Kathrin hält ein Fernglas in der Hand. Zu dritt navigieren sie den 50 Meter langen Zweimaster zum Ankerplatz.
47 Seefrauen, vier Wochen, 3.167 Seemeilen
Es ist das erste Mal, dass eine reine Seefrauen-Crew eine Atlantiküberquerung auf einem Traditionssegler wagt. Mit an Bord ist auch die Fotografin Verena Brüning. Sie hat schon einige Crews auf See begleitet: "Ursprünglich war der erste Törn auf der Ostsee, auch schon ein Frauentörn - da bin ich bereits mitgefahren. Damals hat die Kapitänin Cornelia Rothkegel gesagt, ihr großer Traum sei es, einmal über den Atlantik mit einer reinen Frauencrew zu fahren. Da habe ich gesagt, wenn sie das macht, dann will ich auf jeden Fall mitfahren."
Die "Roald Amundsen" ist eine Brigg, ein Stahlschiff, das 1992 zu einem Zweimaster umgebaut wurde. Seit Jahren kurvt es als Charterschiff für den Verein "LebenLernen auf Segelschiffen e.V." auf den Weltmeeren umher. Im Winter 2022/23 machen sich die 47 Frauen auf die Reise. Unter ihnen erfahrene Seefrauen - von der Kapitänin bis zur Maschinistin alle im Alter zwischen 19 und 67 Jahren. Es geht von Puerto de la Cruz auf Teneriffa nach Fort-de-France auf Martinique, 3.167 Seemeilen in vier Wochen.
Intime Bilder vom Alltag auf dem Schiff
Verena Brüning lässt diese Zeit im Buch chronologisch ablaufen. So sehen wir zum Anfang in erwartungsvolle Gesichter, bei der Erstbesteigung der Rigg oder bei der Einteilung der Wache. Wir sind dabei, wenn auf althergebrachte Zimmermanns-Manier Ohrlöcher mit einem Nagel gehauen werden, oder wenn ein Crew-Mitglied auf dem Vordeck in dicke Jacken eingepackt und mit Kapuze über dem Kopf versonnen auf das schwappende, unruhige Meer hinausschaut. Wir sind beim Zähneputzen wie bei der Schiffstaufe dabei, bei Liederabenden und bei nachdenklichen Blicken in orange-rosa Sonnenaufgänge.
Es sind die Winkel, die Perspektiven und das Spiel des Lichts, die Verena Brünings Aufnahmen so wirkungsvoll und unmittelbar erscheinen lassen. Manchmal fühlt man sich als Sturmmöwe auf einem Mastbaum sitzend, mal als ein mit der Crew innig-vertrautes Mitglied. Persönlich, intim und immer respektvoll. Besonderes Highlight sind die Atlantik-Porträts von jedem Tag der Reise - im Querformat.
Fotografin Brüning: "Was kann mir eigentlich noch passieren?"
Nach 24 Tagen taucht am Horizont Land auf. Für manche sichtbar Grund zur Freude, da sie wieder Boden unter den Füßen haben werden - für andere Grund zur Trauer, weil eine Zeit der Innigkeit zu Ende geht. Vor allem nach der Reise, erzählt Verena Brüning, "hatte ich so dieses Gefühl: Ich bin jetzt mit 47 Frauen über den Atlantik gefahren, was kann mir eigentlich noch passieren? Was kann ich eigentlich nicht schaffen? Das ist so ein toller Gedanke, der mich immer noch begleitet. Immer wenn ich am Zweifeln war, oder irgendwas nicht so gut lief, habe ich gedacht: Ach, ich bin gerade über den Atlantik gesegelt, was kann mir eigentlich noch passieren?"
"Windsbraut" wird in der Seefahrt ein besonderer Wirbelwind genannt - und in der Literatur ist es manchmal eine Metapher für eine besonders starke Frau. So ist der Titel wunderbar gewählt. Denn es ist ein Buch über Windsbräute. Für Frauen, die lernen, was sie imstande sind zu leisten - mit Mut und Leidenschaft. Für Männer, die die Kraft von Frauen schätzen, aber auch unterschätzen. Und es ist ein Buch für Menschen, die die Freiheit lieben und Grenzen überwinden - und für alle, die das Meer lieben und das Geheimnis, das es offenbaren kann.
Windsbraut
- Seitenzahl:
- 136 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Verlag:
- März
- Bestellnummer:
- 978-3-7550-0035-8
- Preis:
- 48 €