Fotoband "The World Without Us": Wie sähe die Erde ohne uns aus?
Der Fotokünstler Rainer Zerback hat Aufnahmen gemacht, diese nachbearbeitet, bis sie seine Vorstellung wiedergeben: die Vorstellung eines aus unbekannten Gründen verwaisten Planeten.
Der Mensch hinterlässt Spuren auf der Erde. Das war schon immer so. Prähistorische Felszeichnungen zeugen ebenso davon, wie Hünengräber und Burgruinen, aber auch wie herumliegende Plastikabfälle und rostige Autofriedhöfe. Selbst, wenn die Menschheit eines Tages verschwinden sollte, würde sie reichlich Überbleibsel hinterlassen. Wie sähe sie dann wohl aus, die Welt ohne uns?
Diese Frage hat sich der Fotokünstler Rainer Zerback vor zwei Jahrzehnten gestellt. Im Bildband "The World Without Us" aus dem Kerber Verlag finden sich Zerbacks Aufnahmen versammelt: verblüffend, faszinierend, irritierend.
Wie sieht eine Welt ohne Menschen aus?
Ein Gleißen….! Der erste Eindruck bei jeder einzelnen Aufnahme. Unfassbar hell ist es, sodass man die Augen etwas zusammenkneifen muss. Tage aus Hitze, in der zähen Luft ein Flimmern. Zu atmen dürfte schwerfallen, doch wer soll da überhaupt atmen? Es ist ja niemand da…?!
Öde Landschaft, freier Blick, so weit das Auge reicht. Nur Sand, Staub, trockene Erdkruste. Ein einzelner Beobachtungsturm am Strand, die Leiter hinauf schon angerostet - kein Baywatch-Team weit und breit.
Drei dünne, rostige Stahlrohre, zwei senkrecht, eines waagerecht, zu einem Fußballtor geformt; die weiße Farbe blättert bereits ab. Im Hintergrund ein skelettartiges Autowrack, auf dem Dach liegend, ein paar dürre Lichtmasten - hier stimmt etwas nicht. Was ist geschehen?
"Wir werden unabwendbar aussterben, so wie die Dinosaurier ausgestorben sind. Und die Erde wird sich weiterdrehen wie zuvor. Nach ein oder zwei geologischen Zeitaltern wird nur noch ein seltsamer Knochen oder Goldring davon zeugen, dass wir einmal hier gewesen sind." So hat es der Paläontologe Jan Zalasiewicz sehr nüchtern beschrieben in seinem Buch "Die Erde nach uns". Rainer Zerbacks Fotoband "The World Without Us" zeigt, wie das aussieht.
"Zwischen Wunschtraum und Schreckensbild"
Die weite, weiße Fläche könnte ein See sein, doch ganz weit entfernt, ein Pünktchen nur, steht eine Holzhütte - ist das sich ausdehnende Weiß etwa eine Salzkruste?! Alles Wasser verdunstet?
Anderswo, tief in den Bergen, findet sich noch ein See, gottlob; darin sogar eine Badeinsel mitsamt Sprungturm. Doch die Leere, die glatte Wasserfläche wirken beunruhigend.
Erst recht auf dem Foto des einsamen Fahrrades, abgestellt vor unbestimmter Zeit im Sand, auf dem Gepäckträger wartet noch eine orange Kiste. Auf wen? Wie lange steht das da so, von keinem Hauch umgeweht? "Die Grenze zwischen Realität und Fiktion verschwimmt. Die Welt sieht entrückt und friedlich aus, unheimlich und rätselhaft", schreibt die Kulturwissenschaftlerin Lotte Dinse im Vorwort von Rainer Zerbacks Bildband. "Seine Fotografien oszillieren zwischen Wunschtraum und Schreckensbild."
Ungelöste Bilderrätsel
Eine unberührte Welt ist meist wunderschön, doch eine unbelebte? "Es finden sich keine Hinweise auf einen konkreten Vorfall oder einen bestimmten Ort", erklärt Lotte Dinse, doch dann ist da diese zerfallende Feldsteinhütte inmitten eines Getreidefelds, auf deren Wand jemand Parolen geschmiert hat: "STOP ITER" und "ITER BOOM" steht da. Ist etwas mit dem Kernfusions-Reaktor im südfranzösischen Cadarache passiert? Die ersten Kernfusionen zur Energiegewinnung soll es im ITER 2036 geben. Zeigen Zerbacks Bilder also eine apokalyptische Zukunftsvision? Oder genügt der schleichend fortschreitende Klimawandel mit zunehmenden Hitzeperioden, um die Erde in diese glühenden Landschaften zu verwandeln?
Das Rätsel dieser Bilder bleibt ungelöst. Ihr Reiz liegt im Schrecklich-Schönen.
The World Without Us
- Seitenzahl:
- 96 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Verlag:
- Kerber
- Preis:
- 38 €