Eine Frau mit Brille und braunem Haar hält vier Pixi-Bücher in die Kamera. © picture alliance / dpa | Holger Hollemann

Liane Schneider: "Die Kinder sind der Grund, aus dem ich schreibe!"

Stand: 03.06.2024 13:30 Uhr

Liane Schneider gehört zu den erfolgreichsten Kinderbuchautorinnen Deutschlands. Ihr Name ist kaum jemandem bekannt. Ihre Figur kennen alle: Conni Klawitter, die in Dänemark Laura, in Ungarn Bori und in Polen Zuzia heißt.

von Jennifer Philipp

Seit über 30 Jahren zählt das Kindergartenkind "Conni" zu den beliebtesten Kinderbuchfiguren Deutschlands. Ein ganzes Autorinnenteam beim Carlsen Verlag sorgt mittlerweile dafür, dass auch ältere Kinder von "Conni" beim Wachsen begleitet werden können. Es gibt drei Filme, eine Animationsserie, Hörspiele, Lern-Apps, ein Musical, eine Website und Merchandise. "Conni" ist zur Marke geworden, ganz ohne Superkräfte. Im Gegensatz zu Figuren wie Pippi Langstrumpf, Bibi Blocksberg oder das "Sams" ist sie keine außergewöhnliche Heldin. Sie wirkt eher wie die beste Freundin der jungen Leserinnen und Leser, die ähnliche Erfahrungen macht: den Kindergarten besucht, das Seepferdchen absolviert und später zur Schule geht.

Diesem Erfolg zugrunde liegen die Ideen einer Niedersächsin. Liane Schneider führt ein unaufgeregtes Leben in der Region Hannover. Trotz der Bekanntheit ihrer Bücher wird sie selten auf der Straße erkannt: "Wenn ich in meiner Stadt erkannt werde, dann eigentlich nur von Leuten, die ich mal unterrichtet habe", erklärt die pensionierte Lehrerin. Das ist ihr auch recht so.

"Alles begann im Kindergarten meiner Tochter"

Liane Schneider erhält den ersten Impuls, ein Kinderbuch zu schreiben, als ihre Tochter Conni in den Kindergarten kommt: "Zur Eingewöhnung war ich dabei und habe das beobachtet. Ich wollte dieses besondere Ereignis nicht nur mit Fotos festhalten, sondern auch in Worte fassen", erinnert sie sich. Die studierte Kunstlehrerin bebildert die erste Geschichte mit Aquarellen. "Dann habe ich gedacht: Das könnte auch andere Kinder interessieren", sagt die Autorin. "Meine Tochter war vorher so aufgeregt und wollte wissen, wie es im Kindergarten abläuft." Damals gibt es kaum realistische Kinderbücher für diese junge Zielgruppe, darum greift die junge Mutter selbst zu Stift und Papier.

Durch Zufall zum Hamburger Carlsen Verlag

Liane Schneider möchte ihre erste Geschichte auch mit anderen Kindern teilen und schickt das Manuskript kurzerhand an den Carlsen Verlag. "Es war die einzige Verlags-Adresse, die ich aus den Kinderbüchern meiner Tochter kannte", erzählt sie. "Internet gab es ja damals noch nicht." Bereits vier Wochen später kommt ein Brief von Lektorin Susanne Schürmann, die großes Interesse an der Geschichte bekundet. Schürmann, die auch die kommenden 25 Jahre an Schneiders Seite arbeitet, ist beeindruckt: "Mich faszinierte, dass der Text von einer Lehrerin kam, die konkret von ihren Erlebnissen mit ihrer Tochter berichtete."

Eine Frau mit Brille und braunem Haar hält vier Pixi-Bücher in die Kamera. © picture alliance / dpa | Holger Hollemann
In welchem Kinderzimmer gibt es sie nicht? "Conni"-Pixis kennt fast jedes Kind.

Allerdings entsprechen die Zeichnungen nicht den Vorstellungen des Verlags, was Schneider zunächst enttäuscht: "Als ich das gelesen habe, war ich erstmal ein bisschen traurig, weil sie meine Bilder ja nicht wollten." Das erste Pixi-Buch "Conni kommt in den Kindergarten" erscheint 1992, bebildert von Eva Wenzel-Bürger, die den charakteristischen Look der Figur entwickelt. Auf dieser Grundlage illustriert seit 2017 Janina Görissen die Conni-Bilderbücher. Schon vier Monate später erhält Schneider den Auftrag für "Conni macht das Seepferdchen". Der Grundstein der "Conni"-Reihe ist gelegt.

Connis Welt ist realitätsnah und unbeschwert zugleich

Die Abenteuer des neugierigen Mädchens im rot-weißen Ringelpulli sind vom Alltag der Autorin inspiriert. "Conni ist ein Stück von mir", sagt Schneider. Dennoch gibt es wenige Parallelen zwischen Conni Klawitters Leben und der Kindheit von Liane Schneider. Das Kindergartenkind Conni Klawitter lebt unbeschwert mit Mutter Annette (Kinderärztin), Vater Jürgen (Ingenieur) und Bruder Jakob. Sie erlebt kleine Alltagsabenteuer, lernt reiten, verreist in die Berge, ans Meer und fährt Ski. Ein Leben, das sich, so unbeschwert, viele Kinder wünschen.
Schneider wächst mit zwei älteren Brüdern und einer jüngeren Schwester in der Nähe von Bremen auf. Ihr Vater ist Malergeselle, ihre Mutter bessert die Familienkasse durch Putzen auf: "Meine Eltern liebten uns bedingungslos. Ansonsten gibt es wenig Ähnlichkeiten zwischen 'Connis' und meiner Kindheit." Kreativität spielt in ihrer Kindheit eine große Rolle: "Meine Eltern erzählten mir häufig selbst erfundene Geschichten. Das forderte ich auch ein." Ebenso macht sie es später mit ihrer Tochter.

"Schreib nicht, um Geld zu verdienen, schreib einfach so!“

Schneider ist die erste in ihrer Familie, die eine akademische Laufbahn einschlägt. Im Anschluss an das Studium arbeitet sie als Chemie- und Kunstlehrerin an einer Hauptschule in Hannover. Als Ihre Tochter im Kindergarten- und Grundschulalter ist, pflegt sie sechs Jahre lang ihre schwerkranke Mutter und schreibt nebenbei die "Conni"-Bücher: "Als Ausgleich, um sich durch die eine Arbeit von der anderen zu erholen", lacht sie. "Schreiben ist kein Beruf wie andere", findet die erfolgreiche Schriftstellerin, für die das Schreiben nie zentrale Einkommensquelle ist.

Vielleicht macht das auch einen guten Teil ihres Erfolges aus. Jungen Kinderbuchautorinnen rät sie, sich niemals an Trends oder Nachfragen zu orientieren: "Schreib das, was dir und deinen Kindern Spaß macht. Folge keinem Trend. Schreib nicht wie der oder die, sondern wie du." Auf diese Weise kann Schreiben eine kleine Alltagsflucht sein, die Leichtigkeit bringt und nicht den Zwang des Geldverdienens in sich trägt. "Schreib nicht, um Geld zu verdienen, schreib einfach so", rät Schneider aus Erfahrung. "Es muss aus einem raus wollen, es muss einem Freude machen." Einen Leitsatz verfolgt sie, der wenig mit Wirtschaftlichkeit zu tun hat: "Die Kinder sind der Grund, aus dem ich schreibe."

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Der Schreibprozess von Liane Schneider

Die Entstehung eines neuen Buches beginnt bei Schneider mit einem Brainstorming. "Ich schreibe alles auf, was mir zu einem Thema einfällt. Wie ein Mindmap - am Ende ist es ein ziemliches Durcheinander", sagt sie lachend. Diese Methode hilft ihr, ihre Gedanken zu strukturieren. Danach folgt die Recherche. "Um sicherzustellen, dass ihre Geschichten realitätsnah sind, recherchiert Liane Schneider sehr sorgfältig", erklärt Hilke Schenck vom Carlsen Verlag. Die über 60-Jährige verlässt sich nicht auf das Internet, sondern holt Informationen aus erster Hand: "Ich besuche Orte wie Krankenhäuser, Reitställe oder Turnhallen und spreche mit Experten." Dabei bleibt sie lieber unerkannt: "Wenn ich einfach nur zugucken kann, mache ich das. Wenn nicht, muss ich mein Anliegen schildern."

Schneider schöpft auch aus ihren Erfahrungen mit ihrer eigenen Conni, die mittlerweile über 30 ist. "Das Mädchen im Rollstuhl kann ich so plastisch darstellen, weil es in Connis Kindergartengruppe auch einen Jungen im Rollstuhl gab", sagt sie. Zudem spricht sie mit Betroffenen, um deren Perspektive einzubinden. Der Schreibprozess beginnt bei ihr mit Kugelschreiber und Papier: "Es fließt vom Kopf über die Hand aufs Papier. Es fühlt sich anders an, als wenn man nur tippt." Das handschriftliche Manuskript wird erst am Ende abgetippt und an den Verlag gesendet.

"Ich habe keine Fans. 'Conni' hat Fans."

Seit 1992 wurden weit mehr als 50 Millionen "Conni"-Bücher verkauft. Trotz dieses riesigen Erfolgs hat sich Liane Schneiders Alltag kaum verändert. Die leidenschaftliche Gärtnerin hat jetzt ein eigenes Arbeitszimmer mit Blick ins Grüne. Gestartet hatte sie am Küchentisch. Nahe ihrem Schreibtisch stehen "Conni"-Bücher im Regal, und lange Zeit hatte sie auch einen Pappaufsteller von "Conni" und ein Plüschtier des Katers "Mau", Geschenke vom Verlag.
Liane Schneiders Geschichten erscheinen als großformatige Bilderbücher sowie im Lesemaus- und Pixi-Format. Der große Erfolg ruft auch Kritiker auf den Plan. Die Kritik reicht von fehlender Abbildung von Diversität bis zu althergebrachter Aufgabenverteilung zwischen den Eltern. Entsprechend wurden die Geschichten über die Jahre immer wieder überarbeitet. So ist der Vater jetzt präsenter und mehr in die Sorgearbeit einbezogen. Und "Alena", ein Mädchen mit Rollstuhl, ist hinzugekommen. Um ihre Lebensrealität nachvollziehen zu können, spricht Schneider mit Betroffenen: "Da habe ich jemanden in meiner Familie, mit dem ich sprechen kann, damit ich weiß, worauf ich achten muss." Kinder of colour gibt es seit nun mehr als zwanzig Jahren auch in Connis Freundeskreis. Deren Hintergründe werden in einem neuen Band thematisiert, der Ende Juli erscheint: "Conni und der Weltkindertag".

Neue Ideen für Geschichten gehen Schneider nicht aus. Schreibblockaden habe sie selten. Damit, dass ihre Bücher so ein breites Publikum erreichen könnten, habe sie nicht gerechnet: "Es ist eine Verantwortung, die ich vorher nicht bedacht habe. Ich hatte nicht erwartet, so viele Kinder zu erreichen." Kann sie den Erfolg auch genießen? "Es ist gut so, aber manchmal macht es auch Angst", sagt sie. "Früher hatte ich nur ein paar Kinder im Kopf, jetzt ein großes Publikum." Und große Auftritte sind nicht ihr Ding. Lampenfieber kennt sie gut. Und wie verhält es sich mit Fans? "Ich habe keine Fans. 'Conni' hat Fans."

"Conni" berührt Kinder auf der ganzen Welt

Das Kinderbuch "Conni und der Osterhase" von Eva Wenzel-Bürger und Liane Schneider. © Carlsen Verlag Foto: Carlsen Verlag
Ein bisschen norddeutsche Kultur steckt dann doch in den Conni-Geschichten: Zum Beispiel, wenn sie Ostern zum Osterfeuer geht.

Im Internet kursieren Informationen, dass "Conni" an amerikanischen Universitäten und in Flüchtlingsunterkünften deutsche Kultur vermittelt. Tatsächlich gibt es die Figur jedoch nicht nur in Deutschland. Lizenzen wurden nach China, Korea, Taiwan, Vietnam und Australien verkauft, und Übersetzungen existieren in vielen europäischen Ländern. Es gibt die Geschichten in über 30 Sprachen, und die Kinder dort sehen sie als Teil ihres eigenen, nicht als deutschen Alltag. Zur besseren Identifikation trägt die Figur in anderen Ländern oft andere Namen, die die jeweiligen Verlage auswählen konnten.

So heißt sie in Frankreich Lola, in Ungarn Bori, in der Türkei Elif und in Israel Roni. "Der Familienalltag in den Geschichten ist nicht typisch deutsch", erklärt Liane Schneider. Viele Kinder auf der Welt könnten sich damit identifizieren. "Darum gibt es 'Conni' in vielen Ländern."

So hat Liane Schneider mit ihrem anfänglichen Ansinnen, auch anderen Kindern außer ihrer eigenen Tochter mit ihren mutmachenden Geschichten zu helfen, einen besonderen Erfolg erzielt: "Leute haben mir erzählt, dass die Geschichten bei Kindern auch Blockaden lösten." Durch das gemeinsame Lesen der Geschichten, trauten sich die kleinen Leser über Themen zu sprechen und auch über Unsicherheiten. "Manche Eltern beschweren sich auch, dass sie danach noch so viel reden müssen mit den Kindern", weiß sie. "Aber das soll ja auch so sein."
Ende Juli erscheint beim Carlsen Verlag der neueste Band von Liane Schneider "Conni und der Weltkindertag".

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 01.06.2024 | 11:00 Uhr

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