Cover: Albin Müller  "Hamburg - Fotografien von 1920 bis 1970 © Junius
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AUDIO: Bildschöne Bücher: Albin Müller - Hamburg. Fotografien 1920 - 1970 (5 Min)

Bildschöne Bücher: Neue Fotografien aus alten Hamburger Zeiten

Stand: 10.11.2024 06:00 Uhr

Seit den 1920er-Jahren war der Amateur-Fotograf Albin Müller mit seiner Kamera in den Straßen Hamburgs unterwegs. Entdeckt wurden seine Bilder jedoch erst lange nach seinem Tod. Der Junius Verlag hat sie in einem Band versammelt.

von Jens Büchsenmann

Man kommt aus dem Staunen nicht raus - kaum hat man die ersten Bilder gesehen. In schönstem Schwarz-Weiß, uraltes Kopfsteinpflaster, grotesk schiefe Häuser auf der abschüssigen Straße, auf dem Schild über einer Tür steht: "Tabak Cigarren Eigenes Fabrikat". Und die Bildunterschrift: "Raboisen, Ecke Große Papagoyenstraße. Diese Straße gibt es in Altona heute nicht mehr.". Um so lebendiger erzählt das Bild: Eine Frau geht auf das Tabakgeschäft zu, sie hat eine Tasche dabei. Über ihr eine Gaslaterne, wie es sie überall gab zu der Zeit in den engen Gassen von Altona, in den Gängevierteln der drangvollen Hafenstadt.

Und immer wieder Kinder auf den Bildern, wie auf der steil zur Elbe hin abfallenden Straße: Die Jungs mit kurzen Hosen und langen Wollstrümpfen, die Mädchen in weißen, frisch gestärkten Kittelkleidern. Überall raucht es aus Kaminen und Ofenrohren, weit geht der Blick über den Hafen, die Kräne.

Die vielen Boote, Kähne, Schiffe. Drangvolle Enge damals in den Fleeten, am Kai im Hafen. Auch hier Kinder, die zugucken beim Beladen kleiner Schuten mit Säcken voller Stückgut. Passanten, Hafenarbeiter.

Albin Müllers Fotografien sind ein wahrer Schatz

Es wimmelt von Leuten auf dem Altonaer Fischmarkt: Frauen mit schicken Hüten, Blumen oder einem Korb im Arm, geschäftige Männer mit Hut, Bowler oder Schiebermütze; einer zerrt seinen Karren durch die Menge, vorbei am Würstchenstand. 'Wiener Stück 10 Pfennige' steht in schöner Handschrift auf der Kreidetafel. Man kann sich kaum sattsehen an dem Wimmelbild. Wie Bernd Nasner, der diesen Foto-Schatz gehoben hat: "Das waren Negativ-Ordner mit lauter Sechs-mal-sechs-Negativen, einzeln geschnitten und eingetütet."

Vor zehn Jahren kam ein Kunde in sein Hamburger Fotogeschäft und zeigte ihm Schwarz-Weiß-Abzüge. Sein Vater habe die gemacht. Zu Hause sei noch viel mehr, sagte er, und stellte sich als Sohn von Albin Müller vor. Ein Name, der selbst dem erfahrenen Kamerahändler nichts sagte. "Das steht teilweise hinten drauf, dass er mit dieser Kamera fotografiert hat. Ich glaube, er hat mit dieser am liebsten fotografiert. Er hatte aber auch eine zweiäugige Rolleiflex", sagt Bernd Nasner.

In den Jahren seit dieser ersten Begegnung hat Nasner einen wahren Schatz gehoben. Unter tausenden Fotos ausgewählt, Negative eingescannt, Hintergründe recherchiert. Ergebnis: dieser prächtige Bildband. Die Qualität dieser Schwarz-Weiß-Fotos ist außerordentlich! Albin Müller spielt virtuos mit Licht, Schatten und Grauwerten.

Wie bei den Zwillingen, die ihren kleinen Bruder an den Händen halten und auf einen dunklen Torbogen zugehen. Wie bei den Spiegelungen auf regennassem Pflaster oder bei den Schatten der Arbeiter auf einem Gerüst. Überhaupt, das Arbeitsleben der Zeit: Beinahe so wie der große August Sander ist Albin Müller ein Stilist unter den Arbeiterfotografen. Etwa der Mann, der schwere Milchkannen schleppt. Die klönenden Frauen in Schürze, die eben noch Bettdecken aus den Fenstern gehängt haben. Die Zugehfrau, die eine Schar Katzen füttert. Das Schaustellerpaar, das stolz in die Kamera blickt. Und immer wieder die Plackerei im Hafen damals: Männer auf Leitern, auf Kränen, im Frachtraum einer riesigen Schute voller Sand.

Die Welt des 20. Jahrhunderts im Kleinen eingefangen

"Das zeichnet ihn aus, diese Geduld, die er gehabt hat. Er hat teilweise kleine Geschichten erzählt, hat vom selben Standort mehrere Bilder gemacht mit anderen Leuten. Oder er ist mehrmals im Jahr zu seinen Lieblingsmotiven hingegangen, im Sommer, im Winter, mit unterschiedlichen Schiffen, mit unterschiedlichen Leuten." Bernd Nasners Begeisterung kann wohl jeder Betrachter teilen. Bei jedem neuen Blättern im Buch entdeckt man ein neues Lieblingsbild: der hanseatische Kaufmann, der in seinem Kontor unter der Weltkarte ein Nickerchen macht; die Damen in dicken Mänteln, die sich ein Geheimnis ins Ohr flüstern; der fliegende Händler, der aus einem Koffer heraus Krawatten verkauft. Albin Müller hat die Welt des vorigen Jahrhunderts im Kleinen eingefangen. Weit über die Hansestadt Hamburg hinaus!

Hamburg. Fotografien 1920-1970

von Albin Müller
Seitenzahl:
256 Seiten
Genre:
Bildband
Verlag:
Junius
Bestellnummer:
978-3-96060-597-3
Preis:
49,90 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Sonntag | 10.11.2024 | 12:20 Uhr

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Fotografie

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