Bildband "Rapper's Deluxe": Wie der Hip-Hop die Welt eroberte
Der Londoner Phaidon Verlag hat der Musikrichtung Hip-Hop einen schwergewichtigen Bildband gewidmet: "Rapper‘s Deluxe" zeichnet die Entwicklung des Hip-Hop von den Anfängen bis zur Gegenwart nach.
New York im Sommer 1973. Clive Campbell, alias DJ Kool Herc, mixt bei einer Block Party seiner Schwester Cindy in der Bronx verschiedene Funk-, Soul- und Discotracks auf zwei Plattenspielern miteinander. Das Ergebnis: ein frischer, ungewohnter Sound.
Partys mit dieser Musik in leerstehenden und heruntergekommenen Häusern sind in New York und anderswo an der Tagesordnung. Das sieht man im Buch zum Beispiel auf einem alten verkratzten Polaroid, wenn DJ Kool Herc mit knallig-rotem Pullover und einem Kopfhörer über einem Ohr aufblickt oder fünf Teenager wie die Jackson Five an einen beigen Cadillac in der South-Bronx gelehnt stehen - mehr oder weniger cool. Bei den Partys wird gesampelt, gerappt und gebreakdanced. Überall werden Graffitis gesprüht. Eine Subkultur entsteht und breitet sich von Amerika nach Europa aus.
Die geballte Historie des Hip-Hop-Universums
50 Jahre später liegt nun eine mehr als anderthalb Kilo schwere Enzyklopädie auf dem Tisch. Schwarz, mit futurischer Grafik und goldgeprägten Buchstaben: "How Hip Hop Made the World" - Wie Hip-Hop die Welt gemacht hat - ist da zu lesen. So schwer das Buch, so umfangreich der Inhalt - und das bis zur letzten Seite auf Englisch. Geschrieben hat es Todd Boyd, alias Notorious Ph.D. Neun Jahre ist er alt, als die legendäre Party in der Bronx steigt. Seitdem ist er dem Hip-Hop aufs Engste verbunden - unter anderem mit zahlreichen Film-, Magazin- oder Buch-Veröffentlichungen zum Thema.
Schon auf den ersten Seiten werden wir direkt ins Hip-Hop-Universum geschubst. Detailreich beschreibt Autor Todd Boyd die Entstehung dieser Musik- und Lebensform. Er verpackt die geballte Historie in kleine Absätze. Wie mit mundgerechten Sushi-Rollen erfahren wir in kleinen Happen viel über die Zusammenhänge zur Black Power-Bewegung oder den Einflüssen von Boxlegende Muhammad Ali auf die Musik.
Filmposter, Albumcover und Musikerporträts
Todd Boyd präsentiert zahlreiche historische Fotos: vom Geburtsort des Hip-Hop in der Bronx über den Einfluss auf die Mode, den Sport, besonders auf Basketball, aber auch auf die Kunst und das Filmgeschäft in Hollywood bis hin zur heutigen Pop-Kultur, bei der Rapper mit chromglänzenden Autos und teurem Schmuck auf den roten Teppichen der Welt willkommen sind.
Jedes Jahrzehnt bekommt ein Kapitel und ist gefüllt mit Abbildungen von Filmpostern, Albumcovern und Musikerporträts von Sängerinnen, DJs und Bands. Alles ist wie in einem Museumskatalog aufgereiht. So entsteht ein 360-Grad-Blick auf das Musikgenre und die dazugehörigen Einzelteile wie Graffiti, Rap und Breakdance.
Der Schmutz der Straße fehlt
Bei allem Wissen, das dort auf den knapp 300 Seiten versammelt ist, fehlt dem Wälzer allerdings die "street credibility", der Staub und der Geruch der Straße. Auch wenn Hip-Hop mittlerweile in der Gesellschaft angekommen ist - wie zu sehen im Bildband, als die Rapper Snoop Dogg, 50 Cent, Eminem und Dr. Dre wohl situiert die Halbzeitshow des größten TV-Spektakels beim Superbowl 2022 abliefern -, so ist die Musik nach wie vor häufig ein Ventil für Wut und Zorn. Im Buch wirkt dann doch alles sehr geordnet, sauber und bündig - nichts zu spüren von einer einstigen Untergrundbewegung. Einzig die Überschriften über den verschiedenen Kapiteln rebellieren durch unterschiedliche Typografie.
Am Ende bleibt bei "Rapper‘s Deluxe" der Geschmack eines Volkshochschul-Vortrages, bei dem man sicher sein kann, alles, aber auch wirklich alles über Hip-Hop erfahren zu haben - bis auf den Groove, den Rhythmus, das Scratchen und das Klackern der Metallkugel in der Sprühdose.
Rapper's Deluxe. How Hip-Hop Made the World
- Seitenzahl:
- 298 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Verlag:
- Phaidon
- Bestellnummer:
- 978-1838666224
- Preis:
- 69 €