Stand: 19.02.2020 13:00 Uhr

Bilder von Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin

von Martina Kothe

Zu Beginn der 1900er-Jahre in München traf man sich in Künstlerkreisen im "Rosafarbenen Salon", in der Giselastraße 25. Dort residierten die Malerfreunde Marianne von Werefkin und Alexej von Jawlensky. Hier gingen die Mitglieder der Künstlergruppe "Der Blaue Reiter" ein und aus; Paul Klee gesellte sich hinzu mit seiner Frau Lilly, außerdem Gabriele Münter und Wassily Kandinsky.

Ein umfangreicher Bildband gibt jetzt Auskunft über das Leben, Lieben und Malen der beiden herausragenden Künstlerpersönlichkeiten Werefkin und Jawlensky. "Lebensmenschen" lautet der Titel - ein Begriff entlehnt von Schriftsteller Thomas Bernhard. Das Wort bezeichnet jemanden, den man "als wichtigsten Menschen im eigenen Leben empfindet". War das so bei den beiden Künstlern?

"Wer in der Kunst nichts Persönliches zu sagen hat, sollte lieber schweigen", ein Satz der Malerin Marianne von Werefkin. Als sie Alexej von Jawlensky 1892 kennenlernt, gilt die Künstlerin bereits als 'weiblicher russischer Rembrandt'. Sie stammt aus dem russischen Hochadel, spricht mehrere Sprachen, darunter Französisch und Deutsch, kann Reiten und Schießen. Für Jawlensky, der aus einer Offiziersfamilie kommt, und der erst wenige Jahre bei Ilia Repin gelernt hat, ist die Welt der Farben und Formen noch neu.

Eine anregende Künstlerbeziehung

Auf seinem "Selbstbildnis mit Hut" aus dem Jahr 1893, schaut einen der Maler im Halbprofil prüfend an. Der Hintergrund ist dunkel, die Konturen des Gesichts setzen sich hell ab, wie auch der schmale Hemdkragen. Noch bedient er sich einer Palette aus Braun- und Beigetönen.

Ganz anders ein Selbstbildnis Marianne von Werefkin aus demselben Jahr. In heller Matrosenbluse, die Haare hochgesteckt, die linke Hand in die Seite gestemmt, schaut sie demonstrativ burschikos. Sie sieht den Betrachter an, als wollte sie sagen: Na? Und? Ihr Mund lächelt leicht, der Hintergrund ist dunkel wie bei Jawlensky.

Kontakt zu Künstlerkreisen in München

Neugierig auf die Malerei und die Ideen der Expressionisten, ziehen beide 1896 von Sankt Petersburg nach München. Im legendären "Rosafarbenen" Salon in der Giselastraße treffen sie andere Künstler, diskutieren und werden schließlich Mitglieder der Neuen Künstlervereinigung München, aus der später der "Blaue Reiter" hervorgeht.

Alexej von Jawlenskys Gemälde des befreundeten Tänzers Alexander Sacharoff aus dem Jahr 1909 ist so kraftvoll wie ikonografisch. Auf hellgrünem Grund malt er den Tänzer in einem opulenten roten Damenkleid. Die schwarzen Haare sind adrett frisiert, sie wogen um das blasse Gesicht, aus dem die stark geschminkten Augen den Betrachter kokett, herausfordernd anblicken. Die Farbe hat ihn - und wird ihn nicht mehr loslassen.

Lange Schaffenspause bei Werefkin

Nach einer fast zehn Jahre währenden Pause von der Malerei, in der Marianne von Werefkin vor allem die künstlerische Karriere ihres Partners voranbringt, nimmt sie 1906 die eigene Arbeit wieder auf.

Ganz nah kommen sie dem Betrachter. Die drei Frauen auf dem Bild "Die Landstraße" aus dem Jahr 1907. Die lebendige Farbigkeit reicht im gesamten Bild von Rottönen über Gelb und Hellblau bis zum kontrastierenden Schwarz-Weiß in der Tracht der Frauen, die mit weißen Kopftüchern und schwarzen kurzen Jacken über rostroten und blaugrünen langen Röcken unten in der Mitte stehen, ja fast schon aus dem Bild herauslaufen. Sie sehen den Betrachter nicht wirklich an - sind scheinbar vertieft in Ihr Vorhaben - sei es nun ein Spaziergang oder der Weg zu einem Besuch. Die eine hält ein längliches Bündel im Arm - eine zusammengerollte Decke vielleicht? Eine Andere umfasst ihre behandschuhten Hände, als ob ihr kalt wäre.

Neue künstlerische Entwicklungen nach der Trennung

Ob die beiden wirklich "Lebensmenschen" waren, sie also den anderen als jeweils "Wichtigsten im Leben" empfanden, ist auf privater Ebene zweifelhaft. Künstlerisch gesehen trifft es wahrscheinlich eher zu - auch wenn sich ihre Wege auch dort irgendwann trennen. Fast 30 Jahre leben und arbeiten Marianne von Werefkin und Alexej von Jawlensky zusammen. Die endgültige Trennung, 1921, ist zugleich ein Neubeginn für beide.

Alexej von Jawlensky heiratet Helene Nesnakomoff, mit der er einen 19-jährigen Sohn hat, und zieht mit ihr nach Wiesbaden. Seine künstlerische Arbeit erlebt in den Jahren bis zu seinem Tod 1941 eine Verfeinerung und Konzentration, die ihn bis heute zu einem gefeierten Künstler der Moderne machen.

Marianne von Werefkin zieht nach Ascona und findet in dem Sänger Ernst Alfred Aye einen engen Freund, dessen Nähe sie wieder von ihrer künstlerischen Kraft überzeugt. Die Kunsthistorikerin Maria Folini schreibt:

Werefkins Werke erscheinen in einem immer mehr bewusst symbolischen, lyrischen Expressionismus und werden zunehmend um soziale und existentielle Themen bereichert - ein doppelter Strang mit einer ausgeprägten visionären Mystik und einer wiedergewonnenen Lust am Erzählen. Leseprobe

1938 stirbt die Künstlerin in Ascona.

Lebensmenschen - Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin

von Roman Zieglgänsberger, Annegret Hoberg und Matthias Mühling (Hg.)
Seitenzahl:
320 Seiten
Genre:
Bildband
Zusatzinfo:
Hardcover, Pappband, 23,5 x 29,0 cm, 235 farbige Abbildungen, 30 s/w Abbildungen
Verlag:
Prestel
Bestellnummer:
978-3-7913-5933-5
Preis:
45,00 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Neue Bücher | 23.02.2020 | 17:40 Uhr

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Dieser Artikel wurde ausgedruckt unter der Adresse: https://www.ndr.de/kultur/buch/Bildband-Lebensmenschen,lebensmenschen100.html
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