Bildband "Creation": Fotograf Harry Skeggs erschafft Sensationen
Die Arbeit von Harry Skeggs kennt nur Superlative. Jedes Bild ist zweifellos beeindruckend - aber der Fotograf versteht es nicht, Schönheit auch mal in kleinen Dingen zu zeigen und feine Stimmungen zu erzeugen.
"Jedes Bild ein Meisterwerk" - das sage nicht ich, der Rezensent, nein, das sagt der Fotograf selbst - und scheint sich für diese breitbeinig verkündete Behauptung nicht einmal zu schämen. "Masterpieces from the natural world", Meisterwerke der natürlichen Welt, lautet der Untertitel von Harry Skeggs Bildband "Creation". Und wer kurz glaubt, dass er mit Meisterwerken die fotografierten Wesen meint, die Wale, Elefanten, Berggorillas, Pinguine und Tiger, der merkt bereits im Vorwort, wie gern der Fotograf mit solchen Doppeldeutigkeiten spielt: Die "Kreation“, die Schöpfung, die der Titel verspricht, ist bei diesem um pathetische Worte nie verlegenen jungen Mann einerseits die von ihm meisterlich fotografierte Tierwelt, andererseits aber auch seine Kameraarbeit. Er ist davon überzeugt, "dass die Kunst des Fotografierens nicht in der eigentlichen Aufnahme, sondern in der 'Kreation' des Bildes liegt. Ob Foto oder Ölgemälde: Es gelten dieselben Prinzipien".
Harry Skeggs will mehr als Kunst
Harry Skeggs oberstes Prinzip scheint zu sein: Erschaffe Sensationen! Ein stilles, stimmungsvolles, dadurch vielleicht berührendes Bild reicht ihm nicht; es muss "Wow", "Fantastisch", "Unglaublich", "Oh mein Gott!" sein. Das mit weit offenem Maul gähnende Flusspferd unter regenwolkenschwerem afrikanischen Himmel; der Elefantenbulle mit bis zum Boden reichenden Stoßzähnen vor dem schneebedeckten Gipfel des Kilimandscharo; der amerikanische Weißkopfseeadler in einer Kopfstudie, aufgenommen wie ein Passfoto.
Jedes Bild ist zweifellos beeindruckend; Skeggs beherrscht sein Handwerk. Das Problem ist: Er möchte mehr sein als ein Handwerker. Er möchte ein Künstler sein. Und damit das die Betrachter der Bilder auch wirklich kapieren, schreibt er es gleich selbst neben seine eigenen Aufnahmen, liefert dem Publikum die von ihm gewünschte Interpretation gleich mit und erklärt, beinahe schon verzweifelt: "'Creation' will mehr sein als ein hübscher Bildband …"
Das Wollen des Harry Skeggs ist groß. Er will Hoffnung machen, dass die vom Klimawandel bedrohte Welt noch zu retten ist. "Dare to hope", "Wage zu hoffen" heißt ein auf seiner Webseite präsentierter Film über eine Reise in die Antarktis und auf die Insel Südgeorgien. Kaum eine Szene kommt ohne den Selbstdarsteller mitsamt Logo seiner Kamera- oder Jackenmarke aus. Sein Drang, sich bei der Arbeit filmen zu lassen, ist enorm. Er will die Welt retten, und alle sollen ihn dabei sehen. Im Bildband "Creation" hat er das etwas besser im Griff.
Muss das Narrativ immer "Sensation" schreien?
Seine Arbeit kennt jedoch nichts anderes als Superlative. Skeggs Aufnahmen sind super; superschön die sitzende Löwin mit erhobenem Kopf - wie die Sphinx. Superspektakulär der gigantische Eisberg mit der Kolonie Zügelpinguine auf dem Plateau direkt darunter. Dass der Fotograf die Farben nachträglich verändert, verdüstert hat, um die Szene bedrohlicher wirken zu lassen - geschenkt. Aber er versteht es nicht, Schönheit auch mal in kleinen Dingen zu zeigen, feine Stimmungen zu erzeugen.
"Es gibt vier Schlüsselelemente in einer einzelnen Aufnahme: Licht, Motiv, Ort und Narrativ", sagt Skeggs. Doch warum muss das Narrativ immer "Sensation" schreien? Ist ihm das vermeintlich Unscheinbare, ist ihm die Harmonie einer leeren Landschaft derartig fremd? Anscheinend ja: "Ohne ein Tiermotiv wäre die faszinierende Landschaft, die uns im schwindelerregenden 360-Grad-Radius umgab, völlig bedeutungslos", schreibt Harry Skeggs an einer Stelle seiner Expeditionsaufzeichnungen. Ich frage mich, fast ein wenig erschrocken: Meint er das wirklich ernst?
Creation - Die wilde Schönheit der Schöpfung
- Seitenzahl:
- 256 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Verlag:
- teNeues
- Bestellnummer:
- 978-3-96171-572-5
- Preis:
- 60 €