Die Bibel neu gelesen: "Die männliche Dreifaltigkeit gibt es da nicht"
In ihrem Debütroman "Bible Bad Ass" widmet sich Edith Löhle jenen Frauen, die in der Bibel ausgelassen wurden und schafft so ganz neue, feministische Identifikationsfiguren - und Anknüpfungspunkte. Ein Gespräch.
Mehr als zehn Jahre beschäftigte sich Edith Löhle als Journalistin mit Lifestyle-Themen, heute drehen sich ihre Arbeiten um soziale Gerechtigkeit. Außerdem gründete sie das Onlinemagazin HeyNana.de, eine Plattform für den Generationendialog, inspiriert von den Gesprächen mit ihrer eigenen Oma. In ihrem Debüt "Bible Bad Ass" gibt sie nun vergessenen und diskriminierten Frauen eine Stimme.
Sie erzählen aus der Perspektive einer jungen Journalistin in Berlin, die per WhatsApp von biblischen Frauen beziehungsweise von den Frauen heimgesucht wird, die in der Bibel ausgelassen wurden. Warum haben Sie sich ausgerechnet diese von allen Diskriminierungsopfern ausgesucht?
Edith Löhle: Ich stehe auf Herausforderungen. Im Buch geht es vor allem um die katholische Kirche, weil die Hauptfigur Clara katholisch sozialisiert wurde, wie ich übrigens auch. Da merkt man schon die Parallelen. Die Hauptfigur ist vor allem entsetzt darüber, dass so wichtige Figuren wie Maria Magdalena - die wahrscheinlich berühmteste -, dass die so lange als Prostituierte, als Hure, abgestempelt wurde. Da hat sie keinen Bezug mehr dazu. So ging es mir auch.
Zu der Bibel und ihren Figuren?
Löhle: Gerade in der Pandemie, als ich zu den Privilegierten gehörte, konnte ich mir Sinnfragen stellen. Wer bin ich? An was will ich glauben? Für wen möchte ich arbeiten? Im Zuge dessen habe ich gedacht, ich gucke mir das jetzt noch einmal ganz genau an und recherchiere mal, denn ich weiß anscheinend zu wenig. Ich habe totale Vorurteile.
Welche Vorurteile und gegen wen, die katholische Kirche?
Löhle: Ich bin aus der katholischen Kirche mit meinem ersten Gehaltszettel ausgestiegen. So geht es vielen jungen Menschen, wenn sie eigenständig sind und für eine Kirche bezahlen sollen, die mit ihrem Zeitgeist nicht mehr zusammenpasst. Da ist eine ganz schöne Kluft entstanden - zwischen Ritualen in der Kirche, die ich als Kind auch als schön empfunden habe, das Singen, das Zusammenkommen. Und die Kluft zum Erwachsenenleben: Fragenstellen, Nachdenken, Recherchieren. Und dann ein Ungleichgewicht zu spüren.
Mit meinem Erwachsenwerden und meinem jetzigen Ich passt es einfach gut zusammen, mir das große Feld der Kirche vorzunehmen. So kann ich für mich und vielleicht auch für andere Identifikationsfiguren schaffen, die nicht wütend betrachtet werden. Ich möchte nicht wütend darauf gucken, sondern möchte etwas finden, wo ich einen Anknüpfungspunkt habe.
Was sagen uns diese Frauenschicksale heute? Wie können sie uns inspirieren - oder wie inspirieren sie Sie?
Löhle: Als allererstes würde ich sagen, diese Vielseitigkeit. Es sind so unterschiedliche Frauen, deswegen kann ich nicht die einzige Aussage treffen. Die Schicksale sollen dazu inspirieren, sein eigenes Ding zu machen und in seine persönliche Kraft zu kommen. In der Verbindung, in der Schwesternschaft, in der Ehrlichkeit, in der Transparenz auf jeden Fall Kraft rauszuziehen und dann - und jetzt wird es ganz pathetisch - die eigene Göttlichkeit zu erkennen.
"Die eigene Göttlichkeit": Was können wir uns darunter vorstellen?
Löhle: Mein Problem - und auch das Problem der Hauptfigur in dem Buch - ist diese männlich besetzte Dreifaltigkeit. Ich kann auch mit diesem Gottesbild, das bei uns noch so männlich konnotiert ist, nichts anfangen. Mir ging es auch so, dass ich irgendwann aufgestiegen bin, weil ich keine Identifikation hatte - für mich und meinen weiblich gelesenen Körper. Und ich dann gedacht habe, "was soll ich denn hier diesen blutigen Mann am Kreuz anbeten?"
Das fühle ich überhaupt nicht. Dann gibt es da noch den Vater, und dann noch Spiritus Sanctus, das klingt auch so männlich, der Heilige Geist. Da habe ich mich einfach nicht gesehen. Durch diese Recherchen und die Art und Weise, wie diese Frauen in WhatsApp ihre Geschichten erzählen und ihre Vielseitigkeit aufzeigen, merkt man ziemlich schnell, dass das einfach ein menschengemachtes Narrativ ist mit dieser männlichen Dreifaltigkeit. In den Ursprungstexten ist das so nicht zu finden, sodass sich da alle sich mitdenken können, sich alle sehen können. Und das fand ich total heilsam, ehrlich gesagt, oder befriedend.
Die ganze Sendung ist zu hören in der NDR Kultur Sendung "Das Gespräch" am Ostersonntag und in der ARD Audiothek. Das Gespräch führte Alexandra Friedrich, NDR Kultur.