"Jane Eyre" - Hamburg Ballett nähert sich feministischer Ikone
Bei der Deutschlandpremiere des Literaturballetts "Jane Eyre" tanzt Ida Praetorius die Titelrolle. Für sie ist die Figur bis heute relevant und eine große Herausforderung, wie sie NDR Kultur erzählt.
Frau Praetorius, wann sind Sie "Jane Eyre" das erste Mal begegnet?
Ida Praetorius: Tatsächlich haben Freunde von mir bereits mit Cathy Marston an "Jane Eyre" gearbeitet, also habe ich vor einigen Jahren das erste Mal von ihrer "Jane Eyre" gehört. Ich weiß, dass Cathy das Ballett ursprünglich 2016 für das Northern Ballett konzipiert hat. Es wurde aber auch in den USA, beim American Ballet Theater in New York und beim Joffrey Ballet in Chicago, einstudiert. Damals habe ich mit meinen Freunden über das Projekt gesprochen. Ich habe die Inszenierung zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht gesehen. Es ist daher sehr besonders, dass ich die Rolle nun selbst tanzen darf.
Was bedeutet Ihnen "Jane Eyre"?
Praetorius: Ich finde Jane als Charakter wirklich sehr inspirierend. Sie ist sehr stark, ein Mädchen, das zu einer Frau heranwächst. Mein Anspruch ist, dieser starken Figur gerecht zu werden. Als ich zum ersten Mal das Buch gelesen habe, war mir schon nach ein paar Seiten klar, dass ich sie wirklich sehr gerne mag. Es ist also ein Geschenk, dass ich sie porträtieren darf. Gleichzeitig ist es natürlich auch eine große Herausforderung. Ich merke, dass ich dabei eine große Verantwortung trage. Eine Ikone zu verkörpern ist auch immer ein bisschen einschüchternd. Schließlich werden viele Menschen auch ihre eigene Interpretation und Vorstellung von Jane Eyre haben, auch wenn sie ein fiktiver Charakter ist. Obwohl der Roman bereits über 150 Jahre alt ist, ist er immer noch so aktuell und relevant. Auch ich als 30-jährige Frau im Jahr 2023 kann mich mit Jane Eyre identifizieren. Das ist etwas sehr Besonderes.
Haben Sie eine Lieblingsstelle im Buch?
Praetorius: Da gibt es viele. Was mich aber besonders beeindruckt ist ihre Stärke, dass sie sich nicht selbst bemitleidet. Dabei macht sie ja wirklich einiges durch. Sie gibt nicht auf und sie trifft am Ende ihre eigenen Entscheidungen. In der Choreografie gefällt mir eine Szene am Ende, in der Rochester bereits blind ist - das war spannend daran zu arbeiten. Ich finde, dass es ein sehr berührender Moment ist.
Wie nähert man sich tänzerisch einer feministischen Ikone?
Praetorius: Natürlich habe ich zunächst das Buch gelesen und mir ein paar der Verfilmungen angeschaut, besonders der Film aus dem Jahr 2011 von Cary Joji Fukunaga hat mir sehr gut gefallen und ich weiß, dass Cathy Marston davon ebenfalls inspiriert wurde. Dann lernte ich zunächst die Schritte der Choreografie und die Intention dahinter. Der spannendste Teil für mich war, als Cathy dann zu uns nach Hamburg gekommen ist und mit uns geprobt hat. Dabei haben wir vieles verändert und angepasst.Es ist also eine auf das Hamburg Ballett abgestimmte Choreografie. Sie passt sehr gut zu uns Künstlerinnen und Künstlern - der Anspruch ist, durch diesen kreativen Prozess das bestmögliche Ergebnis herauszuholen. Es ist also ein fortschreitender Prozess - er hört nicht damit auf, die Schritte zu lernen.
Können Sie uns ein Beispiel geben?
Praetorius: Es gibt eine Interpretation der Choreografin, aber jede Tänzerin und jeder Tänzer bringt immer auch persönliche Elemente mit. Das finde ich sehr schön, wenn man sich einbringen darf, denn dann wächst einem die Rolle noch mehr ans Herz. Wenn ich also bestimmte Figuren tanze, dann steckt auch immer eine bestimmte Intention dahinter, da gehen wir sehr ins Detail. Wir wollen es so echt wie möglich machen und auch die Intention dabei soll verständlich und nachvollziehbar sein. Es ist also kein Zufall, ob ich bei einer Arabesque mit dem Gesicht zum Publikum oder zur Bühnenrückseite ende, wie hoch oder niedrig ich dabei das Bein halte.
Auf was kann sich das Publikum an diesem Abend freuen?
Praetorius: Ich denke, das Hamburg Ballett ist unter anderem bekannt dafür, Geschichten zu erzählen. Und wir werden die Geschichte von Jane Eyre erzählen. Cathy Marston hat ihre eigene Erzählsprache als Choreografin, auch das wird sicher spannend für das Publikum.
Das Gespräch führte Anina Pommerenke.