"Art Escapes": Bildband zeigt Kunstwerke unter freiem Himmel
Der Bildband "Art Escapes" versammelt geniale und schlaue Kunstprojekte, in denen sich der Mensch nicht arrogant über die Natur erhebt, sondern mit ihr spricht, mit ihr spielt, sich ihr fügt.
Ende der 1960er-Jahre entstand in den USA die Kunstrichtung "Land Art". Künstlerinnen und Künstler suchten fernab großer Museen und Ausstellungshäuser nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten. Sie entdeckten die freie Natur und die ursprüngliche Landschaft als ihr Material. Der neu erschienene, englischsprachige Bildband "Art Escapes" zeigt aktuelle Kunstwerke unter freiem Himmel.
Eine mystische Landschaft mit skurrilen Bewohnern
Birkenstämme dicht an dicht. Dazwischen ragen ein paar Füße nach oben. Eine Figur faltet betend die Hände. Eine andere streckt im Vierfüßlerstand ein Bein nach hinten. Knapp 30 Menschen aus Beton machen Verrenkungen: Yoga. Ihre grauen Körper sind übersät mit leuchtend-grünem Moos. Eins geworden sind sie mit dem finnischen Wald.
"Dies ist ein Ort für Einzelgänger und Träumer", schreibt die Journalistin Grace Banks (auf Englisch) im Fotoband "Art Escapes" über den Skulpturen-Park im finnischen Parikkala. Es ist das Lebenswerk des 2010 verstorbenen Künstlers Veijo Rönkkönen. Im riesigen Garten seiner Eltern drapierte er seit den 60ern mehr als 500 seiner Figuren: von der Ballerina, die durch die Wiesen tanzt, bis zum Mann in weißer Toga, der jeden Waldgast kritisch beäugt. Eine mystische Landschaft mit skurrilen, auch witzigen Bewohnerinnen und Bewohnern.
"Desert Breath": Kunstprojekt am Rande der Sahara
Dieser Bildband zeigt ganz unterschiedliche Kunst unter freiem Himmel. Werke, die nicht die Wände des Museums, sondern die Weite der Natur brauchen. Zum Beispiel das gigantische Projekt "Desert Breath" - Wüstenatem. Zwischen 1995 und 1997 haben es drei griechische Künstlerinnen am Rande der Sahara erschaffen. Eine Aufnahme zeigt unsere Perspektive beim Wandern durch die ägyptische Wüste: Etliche kegelförmige Sandhaufen und Vertiefungen, Hügel und Täler. Von oben erschließt sich das ganze Bild: zwei Spiralen, die sich ineinander verdrehen, 100.000 Quadratmeter groß.
Ein Wechsel aus Hoch und Tief, Ein- und Ausatmen. Elegant und ohne Holzhammer erzählt dieses Gebilde vom Leben an sich. Zum Schutz vor Erosion bedeckt eine Zementschicht die Oberflächen der Kegel. Trotzdem hat der Wind das Kunstwerk über die Jahre verändert, es füllt sich mit Sand und verliert an Kontur. Auch die Zerbrechlichkeit von Kunst im Freien hat etwas Bezauberndes.
Interaktion zwischen Mensch und Natur
Die rätselhaften Weisheiten des persischen mittelalterlichen Dichters Rumi inspirieren die iranische Installationskünstlerin Shirin Abedinirad.
Das Gesicht des Unbekannten erscheint im Spiegel deiner Wahrnehmung. Leseprobe
Definitiv unbekannt und ungeahnt sind die optischen Spiele, die die Iranerin mit uns treibt: Ein Foto zeigt einen Strand im australischen Queensland in der rosafarbenen Abendsonne. Mitten in der Düne steht eine Tür, geöffnet. Ein Hindurchgehen ist unmöglich. Im Türrahmen eingefasst ist ein Spiegel, der das schäumende Meer hinter uns zeigt. Der Anblick ist poetisch, aber nicht kitschig.
Mit der Umgebung kokettierende, mit der Natur verwachsene Werke sind es: die knallbunte Pop-Art-Kirche des Architekten Sol LeWitt in den Weinbergen der italienischen Gemeinde La Morra; silber schimmernde, halbmeterhohe Eier des Künstlerkollektivs teamLab in einem Wald bei Tokio; oder die lässig schlendernde Spaziergänger im Skulpturenpark "Museo Atlántico" vor der Küste Lanzarotes, die nur tauchend zu entdecken sind.
Der Bildband "Art Escapes" versammelt geniale und schlaue Kunstprojekte, in denen sich der Mensch nicht arrogant über die Natur erhebt, sondern mit ihr spricht, mit ihr spielt, sich ihr fügt. Ein simpler, guter Gedanke.
Art Escapes. Hidden Art Experiences Outside the Museum
- Seitenzahl:
- 256 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Zusatzinfo:
- Englische Texte von Grace Banks
- Verlag:
- gestalten
- Bestellnummer:
- 978-3-96704-052-4
- Preis:
- 39,90 €