Anna Amalia Bibliothek: Rettung der Bücher 20 Jahre nach dem Brand
Vor 20 Jahren verbrannten mehr als 50.000 wertvolle Bücher der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar. Bei der Restaurierung hilft auch eine Expertin, die das Buchbinder-Handwerk in Wolfenbüttel gelernt hat. 37.000 Bücher mit Einbandschäden sind inzwischen restauriert.
Am 2. September 2004 vernichtete ein Großbrand weite Teile der berühmten Bibliothek. Mehr als 100.000 Bücher wurden zum Teil schwer beschädigt, etwa 50.000 vernichtet. Viele Menschen in Weimar wissen heute noch, wo sie in der Brandnacht waren und wie sie davon erfahren haben. Der Brand hat sich ins kollektive Gedächtnis eingeschrieben.
Viele Bücher konnten nur deshalb gerettet werden, weil Mitarbeitende und Zivilbevölkerung sofort mit anpackten. Die Bibliothek wurde 2007 wiedereröffnet und strahlt seitdem als Touristenmagnet in der Klassik-Stadt. Der fünfteilige Storytelling-Podcast "Bücher in Asche" erzählt die Geschichte des Brandes aus der Perspektive der engagierten Menschen, die die Bibliothek retteten.
Buchbinderin Wenzel: "Nur zum Schlafen nach Hause gegangen"
Eine von ihnen ist die Buchbinderin Susanne Elisabeth Wenzel, die zwar aus Weimar stammt, ihre Ausbildung aber bei der HWK in Braunschweig-Wolfenbüttel absolvierte. 2004 arbeitete sie in der Anna Amalia Bibliothek. Ihre Werkstatt war direkt unter dem Rokoko-Saal - nach dem Brand stand dort alles unter Wasser.
Ein größeres Drama konnte aber verhindert werden, denn alle wertvollen Bücher auf den Tischen waren geschützt: "Meine Auszubildenden haben gut zugehört. Alle Bücher hatten oben und unten jeweils ein Brett. Dadurch hatten sie kein Fußbad, sondern waren nur feucht von der Luftfeuchtigkeit - aber nicht nass", berichtet Wenzel.
Aber die Werkstatt war erst einmal nicht Priorität. Es galt vorerst, aus den Schuttbergen noch Bücher zu bergen. Wenzel machte damals jede Menge Überstunden: "Nur zum Schlafen war ich damals nach Hause gegangen." Gearbeitet wurde in der Karlsmühle, einer Lagerhalle: Dort erfasste und dokumentierte Wenzel das ganze Ausmaß des Schadens.
Von Büchern konnte eigentlich nicht mehr die Rede sein, es waren Ascheklumpen, Einbände nicht mehr erkennbar, dazu gab es auch rund 1,5 Millionen Einzelblätter: "Also dann diese Aschebücher zu sehen, da fehlte mir das Vortellungsvermögen, das man das wieder hinkriegt." Wenzel und ihr Team tauschten sich über viele Jahre mit internationalen Experten aus. Werkstätten in ganz Europa beteiligten sich - 37.000 Bücher mit Einbandschäden sind inzwischen restauriert.
"Wir machen keine Retusche"
Die Schäden sind aber weiterhin sichtbar, Brüche sind zwar geklebt, verlaufen aber mitten durch Handschriften, manchmal fehlen Buchstaben. "Wir stehen zu unserem Bestand, so wie er jetzt ist und wir machen keinerlei Retusche", sagt Wenzel. So ist das auch bei den brandbeschädigten Büchern. Es geht hier nicht darum, dass das Buch wieder schön und makellos aussieht. Das Ziel ist, dass man es benutzen kann, dass es hält. Die Brandspuren bleiben sichtbar. Sie haben die Bücher geprägt.
"Wir haben versucht, das Beste daraus zu machen", zieht Wenzel 20 Jahre nach der Brandkatastrophe eine durchaus positive Bilanz: Vor zehn Jahren sei der größte Teil der wasser- und hitzegeschädigten Büchern fertig bearbeitet worden "und in vier Jahren haben wir große Hoffnung, auch die Aschebücher fertig zu haben."