Stefan Krücken © picture alliance / Geisler-Fotopress | gbrci/Geisler-Fotopress Foto: Geisler-Fotopress
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AUDIO: Ankerherz-Verlag: Mit Kreativität und Meer durch die Krise (6 Min)

Ankerherz-Verlag: Mit Kreativität und Meer durch die Krise

Stand: 29.12.2022 14:00 Uhr

Stefan Krücken vom Ankerherz-Verlag ist nicht nur Verleger, sondern auch Reporter und hat unter anderem als Polizeireporter bei der Chicago Tribune gearbeitet. Im Interview spricht er über die aktuellen Entwicklungen auf dem Buchmarkt.

Welche Themen haben Sie als Verleger in diesem Jahr besonders bewegt?

Stefan Krücken: Ich glaube, die Themen, die uns alle bewegt haben: natürlich der Krieg in der Ukraine - ein ganz einschneidendes Ereignis, auch für die Buchbranche insgesamt. Das hat alles einmal richtig durchgerüttelt und durchgeschüttelt. Das betrifft Papierbeschaffung und Produktionskosten. Das war für uns ein sehr bewegendes Jahr.

Das haben viele gar nicht auf dem Zeiger, die hohen Energiepreise, also sehr viel höhere Papierkosten. Wie kommen Sie da bislang durch diese Krise?

Krücken: Wir hatten zwischendurch tatsächlich eine Papierpreissteigerung, die uns ein bisschen Kopfschmerzen gemacht hat. Wir haben ziemlich besonderes Papier - das war erstmal gar nicht verfügbar. Da warteten wir so lange wie noch nie zuvor. Und als wir es bekamen, war es deutlich teurer. Wir reden hier von Preissteigerungen von 60, 70, 80 Prozent. Dann steht man natürlich vor der Frage: Wie geht man damit um? Wir haben uns entschieden, das nicht weiterzureichen. Wir haben unsere Preise nicht erhöht. Ich weiß von anderen Verlagen, dass das passiert ist. Wir wollen das erst mal nicht.

Natürlich ist das eine schwierige Situation. Auch das Leinen war teilweise schwer zu bekommen. Unsere Bücher werden in Deutschland gedruckt, mit einem sehr hochwertigen Leinen. Und leider ist die Firma, die das Leinen herstellt - einer der ältesten Leinenproduzenten in Deutschland -, in diesem Jahr Konkurs gegangen wegen der Rahmenbedingungen. Es war wirklich ein schwieriges Jahr. Was uns durch das Jahr getragen hat, war unsere Gemeinschaft, die Community, die wir in sozialen Netzwerken haben - knapp 400.000 Facebook-Freunde auf allen Kanälen. Da sind wir eng zusammengerückt. Es war eine große Freude, zu sehen, wie das funktioniert hat. Und so sind wir gemeinsam durch diesen Sturm durchgekommen.

Sie haben es angesprochen: Bücher sind in diesem Jahr durchaus teurer geworden - Bestseller-Hardcover im Schnitt fünf bis sieben Prozent. Wie können das andere Verlage machen, die nicht auf Crowdfunding setzen?

Krücken: Crowdfunding machen wir auch nicht. Wir haben einfach eine tolle Gemeinschaft, eine große Community. Wir haben Lagerfeuer-Lesungen: Es gibt ein Mal in der Woche bei uns eine ein Live-Lesung auf unserem Facebook-Kanal, wo ich Geschichten vom Meer vorlese. Und wir haben einen großen Newsletter-Verteiler. Wir pflegen diese Community seit vielen Jahren. Es ist auch sehr viel Arbeit, da wird viel Zeit darauf verwendet, mit sehr vielen Angeboten, die wir den Leuten machen. Das hat sich in diesem Jahr bewährt. In der Krise sind die Leute zusammengerückt. Wie das andere Verlage machen: Um ehrlich zu sein, ich glaube, da gibt es gar kein Patentrezept. Jeder hat ein anderes Programm, jeder hat einen anderen Schwerpunkt, jeder hat einen anderen Zugang zu seinen Lesern.

Ich glaube, es ist heute wichtig, dass man einen engen Austausch mit seinen Lesern hat; dass man versteht, was die Leute sich wünschen; dass man einen Gemeinschaftssinn ein Stück weit entwickelt. Bei uns ist das das Meer. Wir wollen die Leute virtuell so oft es geht ans Meer holen, in den Hafen holen, auf Schiffe holen. Wir erzählen romantische Geschichten vom Meer. Das ist das, was wir machen. Ich möchte mir nicht anmaßen, irgendwem Ratschläge zu geben, aber das ist unser Weg. Wir wollen den Leuten ein Traumfenster in dieser komischen, bedrückenden, deprimierenden Zeit öffnen; dass sie mit uns ans Meer kommen.

2007 haben Sie mit Ihrer Frau den Ankerherz-Verlag gegründet. Sie erzählen dort moderne Helden- und Abenteurergeschichten, von Seenotrettern, Kapitänen, Bergleuten, Kriegsfotografen. Ist das nach 15 Jahren thematisch immer noch eine erfolgreiche Nische?

Krücken: Ja, denke ich. Das Meer bietet ja alles. Unsere Welt, so wie sie funktioniert, kann nur mit dem Meer funktionieren. Alle großen Themen unserer Zeit - ob das die Globalisierung ist, die Klimakrise, die Migration: Alles spielt ganz eng auf dem Meer. Man denkt da gar nicht so häufig drüber nach. Als der Suezkanal dicht war: Was hat das für Auswirkungen gehabt für uns im Norden? Die Häfen sind extrem wichtig. Unser Leben hat viel mehr mit dem Meer zu tun, als man sich im Alltag darüber klar macht. Das Meer bietet unendlich viele Geschichten. Uns werden niemals die Geschichten ausgehen. Vor vier, fünf Jahren haben wir uns entschieden, nur noch Geschichten vom Meer zu erzählen. Die Themen gehen einfach nicht aus.

Wir stoßen auch immer wieder auf neue Geschichten. Leute melden sich bei uns - das ist auch ganz schön. Wir hatten gerade eine Neuerscheinung: "Das muss das Boot abkönnen". Da melden sich immer Leute direkt in den Tagen danach und sagen: "Mein Papa ist mal zur See gefahren. Wollt ihr euch das mal angucken?" Oder dann schickt jemand plötzlich eine ganz alte Familienchronik. Da gehen uns die Themen garantiert nicht aus. Im Gegenteil. Ich glaube, die Kunst ist es, zu sortieren und sich zu fokussieren: Was will man machen? Das Meer ist unerschöpflich, was Themen angeht.

Sie verkaufen nicht nur Bücher, sondern auch Kleidung, Kalender und maritime Accessoires. Ist diese Mischkalkulation vielleicht ein Geheimrezept?

Krücken: Das war für uns, als wir anfingen und ein bisschen verstanden haben, wie die Mechanismen der Buchbranche sind, ein Weg. Das hat sich in den letzten Jahren nochmal verschärft durch die Marktmacht von Amazon und von großen Spielern wie den Thalia-Buchhandlungen, die diese Marktmacht durchaus rücksichtslos ausüben. Da wird schon mit sehr harten Bandagen gekämpft - und gerade kleineren Buchhandlungen und kleineren Verlagen gegenüber teilweise ziemlich rücksichtslos. Wir haben das relativ früh gesehen und haben überlegt: Okay, wie können wir uns ein bisschen unabhängig machen?

Wir bauen im Prinzip um jedes Buch eine eigene kleine Welt. Ein Beispiel: Unser beliebtestes Motiv, was auf ganz vielen Kapuzenpullovern zu sehen ist, ist eine Seemannsillustration. Die hat eine spanische Künstlerin aus Bilbao für uns entworfen. Das war ursprünglich eine Illustration aus einem Buch, das "Inselstolz" heißt - mit Geschichten von unseren deutschen Nordseeinseln. Dann haben Leute gesagt: Mensch, das ist so eine tolle Illustration, wollt ihr die nicht mal auf ein T-Shirt machen? Und plötzlich verkauften wir mehr Kapuzenpullover und T-Shirts als Bücher. Wir wollen im Prinzip die Inhalte der Bücher erlebbar machen. Wir bieten auch Reisen an: Wir machen eine Island-Reise, die SKUA-Tour, und fahren da mit 50, 60 Leuten im Winter über den Nordatlantik. Wir wollen das Meer erlebbar machen. Das können Reisen sein, das können Accessoires sein, das können aber auch Modeartikel sein.

Sie haben es angesprochen: Kleine Verlage haben es besonders schwer. Gibt es etwas, was Sie sich von der Politik fürs neue Jahr wünschen?

Krücken: Ich wünsche mir, dass die Buchpreisbindung nie in Gefahr gerät, weil das ein ganz wichtiges Instrument für uns ist. Ansonsten bin ich niemand, der nach der Politik ruft, weil ich glaube, da macht die Politik in unserem Land viel. Ich habe das Gefühl, dass wir ganz gut aufgestellt sind, wenn ich mit Freunden in Italien, in England rede. Da bin ich eigentlich ganz glücklich. Es wird immer viel gefordert, aber ich glaube, wir sind hier, was die Lage in der Krise angeht, sehr gut aufgestellt. Ich denke eher, wir brauchen einen Impuls, den Leuten Mut zu machen. Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass wir uns bewusst sind, dass wir sehr privilegiert sind in dieser Krise, dass wir ein sehr starkes Land wirtschaftlich sind und dass wir mit Mut daraus gehen. Ich rufe nicht gern nach der Politik, weil ich glaube, das liegt an den Unternehmern und an jedem selber, seinen Beitrag zu leisten, da gut durchzukommen.

Das Gespräch führte Eva Schramm.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 29.12.2022 | 16:00 Uhr

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