100-jähriges Jubiläum: Deutscher PEN tagt in Hamburg
Bücher schreiben kann lebensgefährlich sein. In vielen Ländern werden Schriftsteller und Journalisten wegen ihrer Texte verfolgt. Das ist jetzt Thema bei der Jahrestagung der deutschen Schriftstellervereinigung PEN in Hamburg.
PEN steht als Abkürzung für Poets, Essayists, Novelists - und das englische Wort heißt sinnigerweise auch Stift. Ab heute gibt es eine Woche lang Lesungen, Diskussionen, Workshops und natürlich auch einen Rückblick auf die Geschichte des PEN. Die Tagung ist der Auftakt zu einem Jubiläum, denn der deutsche PEN wurde vor 100 Jahren gegründet.
Regula Venske: "Es macht einen demütig"
"Freiheit des Wortes" ist für Regula Venske keine abgehobene philosophische Diskussion, sondern ein ganz konkretes Anliegen. Die Hamburger Schriftstellerin war selbst einmal Präsidentin des deutschen PEN (2017-2021): "Wir setzen uns für Autorinnen und Autoren ein, die bedroht sind und verfolgt werden, Morddrohungen erhalten, ins Gefängnis kommen, gefoltert werden - nur für etwas, das sie geschrieben haben. Es gibt ja Länder, in denen sitzen Autoren schon seit Jahren wegen eines Gedichts, das sie geschrieben haben im Gefängnis." Das Schicksal dieser Menschen lasse einen als Autorin hier in Deutschland schon demütig werden, sagt Venske. Der deutsche PEN hilft mit Stipendien für verfolgte Kolleginnen und Kollegen. Aktuell sind gerade zum Beispiel Anise Jafarimehr aus dem Iran, Maria Teresa Montano aus Mexiko oder ein Journalist aus Afghanistan, der aus Angst anonym bleiben will, in Deutschland.
Viele Lesungen und Veranstaltungen geplant
Auch an Autoren im Gefängnis erinnert der PEN immer wieder. Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda: "Dieses Engagement für das freie Wort und die Sicherheit der Autorinnen und Autoren gewinnt gerade wieder deutlich an Bedeutung. Die Lage in der Welt ist noch unübersichtlicher, noch kriegerischer und noch gefährlicher geworden - für alle Menschen, aber vor allem auch für die, die schreibend mit künstlerischen und journalistischen Mitteln gegen das Unrecht ankämpfen." Ein Empfang im Rathaus und ein Festvortrag von Jan Philipp Reemtsma gehören zu den Höhepunkten der Tagung. Es gibt Lesungen Hamburger Autorinnen und Autoren und Schriftsteller-Besuche in Schulen. Es soll aber auch um den Blick über den Tellerrand gehen, sagt der aktuelle PEN-Präsident Michael Landgraf: "Wir wenden uns auch der Frage zu 'Quo vadis, Südamerika?'. Denn da spüren wir, dass es da eine bedrohliche Situation gibt für alle, die schreiben, dass da eine Verschärfung der Situation deutlich erkennbar ist."
Die Geschichte des PEN sei nicht ohne, sagt Venske
Schon vor drei Jahren sollte der PEN in Hamburg tagen. Damals kam die Pandemie dazwischen. Die Geschichte des deutschen PEN mit Hamburg war auch vorher nicht ganz ohne, erklärt Regula Venske: "1960 hat der Hamburger Polizeisenator sogar mal ein PEN-Treffen in Hamburg verhindert." Damals sollten der westdeutsche und der ostdeutsche PEN zusammenkommen. Im DDR-PEN waren aber auch westdeutsche Autoren Mitglied. Das war heikel. "Da hat man sich ein bisschen gefürchtet vor den - mit den Worten des SPIEGEL - 'sowjetzonalen Plagegeistern'", so Venske weiter. "Da hatte man vom Polizeisenator zum Hotelier eine kurze Leitung und hatte gesagt, dass die für ihre Tagung keine Räume bekommen sollten."
Keine Konkurrenz zwischen PEN-Zentren
Der PEN ist eine dieser Vereinigungen, deren wichtigstes Ziel eigentlich die eigene Abschaffung ist, weil die Gefahr für Schriftsteller und Journalisten vorbei ist. Venske fürchtet, "dass wir uns irgendwann nur noch so aus Spaß treffen und uns vorlesen, was wir alles Schönes geschrieben haben". Statt keinen PEN gibt es neuerdings in Deutschland sogar noch einen mehr - den PEN Berlin. Man hatte sich nach den Auseinandersetzungen um den damaligen PEN Vorsitzenden Denis Yücel bei der Tagung in Gotha vor zwei Jahren, als Yücel zurücktrat, getrennt. Zur Tagung in Hamburg seien jetzt Vertreter des PEN Berlin eingeladen worden, ein Grußwort zu sprechen, sagt PEN-Präsident Michael Landgraf. Die Trennung schmerze schon noch, sagt Regula Venske: "Ich glaube, dass das bei vielen auf beiden Seiten, bei denen auch persönliche Kränkungen eine Rolle spielen, sicherlich noch der Fall ist. Ich persönlich denke, wir sollten nach vorne gucken. Das gibt es eigentlich nicht, dass sich PEN-Zentren Konkurrenz machen. Die Gegner sind die Autokraten. Da ist es besser zusammenzuhalten."