Wissenschaft: Wie können Arbeitsbedingungen verbessert werden?
Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, das die Arbeitsbedingungen in der Forschung an Hochschulen und Universitäten organisiert, soll geändert werden. "Kein mutiger Reformvorschlag", findet die Philosophin Amrei Bahr.
Frau Bahr, wie ist das Wissenschaftszeitvertragsgesetz überhaupt entstanden? Warum ist das eigentlich so an den Universitäten geregelt?
Amrei Bahr: Der Hintergrund ist, dass man die Idee hatte, die Wissenschaft so zu gestalten, dass die Promotion als Qualifikation möglich ist und es in dieser Zeit auch befristet Arbeitsverträge geben kann. Und dass es nach der Promotion auch noch eine Möglichkeit für eine Anstellung in der Wissenschaft gibt, allerdings auch befristet. Da kann man sich schon mal fragen, ob das eigentlich so richtig sinnvoll ist.
Das ist die sogenannte Postdoc-Phase, richtig?
Bahr: Ganz genau. Und für die heißt es immer: "Die Leute qualifizieren sich ja noch weiter, deshalb können wir die hier auch weiter befristen." Aber die Leute haben in der Regel zwei berufsqualifizierende Abschlüsse und eine Promotion, die haben sich auch irgendwann fertig qualifiziert. Man kann natürlich auch sagen, es geht ums lebenslange Lernen und so weiter. Aber die formale Qualifikation, die so eine Befristung begründen kann, ist dann wirklich nicht mehr nötig. Das Gesetz ist so gestaltet, dass man sechs Jahre vor der Promotion befristet angestellt sein kann und sechs Jahre danach. Allerdings haben die Leute nicht für sechs Jahre einen Vertrag, sondern häufig sehr viel kürzere Verträge, und hangeln sich dann von einem Kettenvertrag zum nächsten, häufig auch in unterschiedlichen Städten. Das ist alles eine ziemlich unsichere Angelegenheit. Manchmal gibt es auch Vertragslücken. Das ist eigentlich keine gute Voraussetzung, um gute Wissenschaft zu machen, und für Lebensplanung schon mal gar nicht.
Das Gegenargument lautet: Wenn wir die Leute schneller länger anstellen, dann verstopft man für die nachkommende Generation sämtliche Möglichkeiten. Was würden Sie dem entgegnen?
Bahr: Dem würde ich zwei Dinge entgegnen: Im Moment sieht man das Phänomen, dass, wenn Leute auf so einer Dauerstelle sitzen, sie sich dann auch nicht unbedingt wegbewegen. Aber das hat einen ganz offensichtlichen Grund: Es gibt kaum Dauerstellen. Also kann ich mich auch nicht woanders bewerben, weil ich nicht wieder auf eine befristete Stelle wechseln will. Wenn wir also mehr Dauerstellen im System hätten, und zwar auch nicht nur Professuren, sondern auch unbefristete Stellen in dem sogenannten Mittelbau, dann würde das schon anders aussehen.
Man sollte sich außerdem fragen, ob es eigentlich plausibel ist zu sagen, dass zukünftige Generationen hier noch mal eine Chance bekommen sollen. Denn was ist das für eine Chance? Die Chance, prekär beschäftigt zu sein und dann im Alter von Ende 30, Anfang, Mitte 40 da rauszufliegen und zuzusehen, dass man sich irgendwo anders etwas sucht? In einer anderen Branche ist es dann auch nicht gerade leicht.
Was wäre denn für Sie die beste Möglichkeit, die Bedingungen zu verbessern?
Bahr: Man kann sich das ganz schön mit diesen zwei Phasen angucken: Die erste Phase, die Promotionsphase, dauert im Schnitt in Deutschland 5,7 Jahre - wenn man Medizin außen vor lässt. Da bräuchte man eine Mindestvertragslaufzeit, damit schon mal ein substanzieller Teil dieser Promotion auch geschafft wird. Vier Jahre sind da das absolute Minimum. Das muss eine verbindliche Vorschrift sein.
Und für die Postdoc-Phase ist es so, dass wir da eine sichere Perspektive brauchen. Das könnte gelingen, wenn man Postdocs überhaupt befristen will, wenn man das nur unter der Bedingung macht, dass man eine Anschlusszusage kriegt. Das heißt, man vereinbart am Anfang von seinem befristeten Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber, dass bestimmte Ziele erreicht werden. Wenn diese nach Ablauf dieses befristeten Arbeitsverhältnisses alle erreicht wurden, wird man entfristet und hat die Sicherheit, an dem Ort bleiben zu können und ist nicht darauf angewiesen, nach drei Jahren schon wieder woanders hinzugehen.
Ein anderes Argument, was vorgebracht wird: Die Innovationskraft in der Wissenschaft wird dadurch erhöht, dass man regelmäßig durchmischt, also einen großen Austausch hat. Ist das wirklich positiv ihrer Ansicht nach?
Bahr: Ich würde sagen, dass die aktuelle Situation die Innovation behindert. Wenn wir diese Eckpunkte umsetzen würden, dann würde das noch schlimmer werden. Wenn ich mir vorstelle, dass ich nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung habe, in der ich ein Projekt fertigstellen muss, werde ich mir kein Thema aussuchen, was ganz neu ist und wo ich noch gar nicht genau weiß, was dabei rauskommt. Sondern da werde ich inhaltlich auf Sicherheit setzen, weil ich weiß, dass daran meine berufliche Zukunft hängt und nicht etwas nehmen, wo ich vielleicht in eine Sackgasse gerate oder wo ich merke, dass das gar nicht funktioniert.
Das andere ist, dass sich die Leute gar nicht auf die Forschung und auf die innovativen neuen Themen konzentrieren können, wenn sie die ganze Zeit damit beschäftigt sind, sich zu fragen, ob sie eigentlich in einem halben Jahr ihre Miete noch bezahlen können.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat die Vorschläge auf den Tisch gelegt, um die Situation zu verbessern. Jetzt gibt es viel Kritik daran. Am 30. März ist eine Veranstaltung im Ministerium geplant, wo alles noch einmal diskutiert werden soll. Sie sind auch eingeladen. Was erwarten Sie von diesem Tag?
Bahr: Ich erhoffe mir, dass wir zu einem Punkt kommen, wo die Argumente gesehen werden, wo gesehen wird, dass diese Eckpunkte kein mutiger Reformvorschlag sind, wie wir ihn brauchen. Wir müssen ganz grundlegend über dieses Gesetz nachdenken, und damit kann man dann auch eine grundlegende Reform anstoßen. Das geht nicht zuletzt deshalb mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz als Anfangspunkt, weil es ein Bundesgesetz ist und wir da den Vorteil haben, dass das für alle in Deutschland gilt. Das ist mit den Hochschulgesetzen in den Ländern etwas anderes.
Das Interview führte Mischa Kreiskott.