Wie geht Hamburg mit kolonial belasteten Straßennamen um?
Wie umgehen mit Straßennamen, die Kolonialverbrecher unkommentiert ehren? Der Regionalausschuss Hamburg-Nord hat mit einem breiten Bündnis für eine Umbenennung der Straßen Woermannsweg, Woermannstieg und Justus-Strandes-Weg gestimmt.
Holger Tilicki und Madeline Danquah vom Arbeitskreis "Hamburg Postkolonial" setzen sich seit vielen Jahren dafür ein, dass der Kolonialismus in Hamburg aufgearbeitet wird. Es brauche mehr Aufklärung über die Kolonialverbrechen und die einzelnen Akteure, meinen sie: "Woermann hat sich persönlich bei Bismarck für die Kolonialisierung von afrikanischen Gebieten eingesetzt", schildert Tilicki. Justus Strandes sei zwar in Ostafrika nur als Kaufmann tätig gewesen, aber er habe Carl Peters, der in der Kolonie Deutsch-Ostafrika brutal gegen die einheimische Bevölkerung vorging, sehr unterstützt.
Straßennamen machen nun Opfer des Kolonialismus sichtbar
In einem langen Prozess und vielen Sitzungen hat der "Arbeitskreis Postkolonial" mit Anwohnerinnen und Anwohnern, Nachfahren der Herero und Nama und Menschen aus Schwarzen Communities in Hamburg über die neuen Namen entschieden. Der Louisa-Kamana-Weg, der Cornelius-Fredericks-Stieg und der Jagodja-Weg machen bedeutende Widerständler und Opfer des Kolonialismus sichtbar. Die neuen Straßennamen für Ohlsdorf werden aktuell vom Staatsarchiv geprüft und sollen noch in diesem Jahr geändert werden.
Grüne: "Hamburgs Reichtum hat auch mit Kolonialismus zu tun"
Sie sollen damit einen Perspektivwechsel in Hamburg einleiten. "Wir tragen als Hamburg eine besondere Verantwortung, denn Hamburgs Reichtum hat auch mit dem Kolonialismus zu tun", sagt Nadja Grichisch (Grüne). "Straßenumbenennungen sind im Prozess der Aufarbeitung unseres Kolonialen Erbes ein wichtiger Schritt auch in Richtung der Opfer. Sie sollen wissen, wir nehmen unsere Verantwortung ernst und wir haben die Opfer des Kolonialismus nicht vergessen. Ganz im Gegenteil, sie werden jetzt ein Teil des Hamburger Straßenbildes sein und unsere Stadt mitprägen."
CDU: Stadtplan nicht nach moralischen Maßstäben säubern
Als einzige Partei im Regionalausschuss stimmte die CDU gegen die Umbenennung: "Weil wir dagegen sind, den Hamburger Stadtplan nach heutigen moralischen Maßstäben undifferenziert zu säubern", so Andreas Schott von der CDU-Bezirksfraktion. Die Partei setzte sich für Zusatzschilder mit Erklärungen der bisherigen Namen ein.
Umbenennung sorgt in der Nachbarschaft für Unmut
Die Umbenennung von kolonial belasteten Straßennamen sorgt in der direkten Nachbarschaft für Diskussionen - und auch Unmut. Bei Infoveranstaltungen habe sich aber gezeigt, dass die Aufklärung über Kolonialakteure wie Woermann oder Justus-Strandes und vor allem die Geschichten von Nachfahren und Opfern des Kolonialismus für viel Verständnis sorgten.
Bewusste Auseinandersetzung
Mit der bewussten Auseinandersetzung entsteht eine offenere Einstellung dazu. "Es soll nicht nur eine Umbenennung stattfinden. Es soll auch eine Kontextualisierung stattfinden", sagt Danquah. "Dass man eben nicht immer an Straßen vorbeigeht und nicht weiß, was da passiert ist. Dass wir die Geschichte, die Hamburg geprägt hat, aufarbeiten und aufzeigen."