Stuntkoordinator Joe Alexander: "Ich bin ein furchtloser Mensch"
Was bedeutet es, Stuntman zu sein? Darüber spricht der Stuntkoordinator und mehrfache Weltrekordler Joe Alexander. Er hat unter anderem mit Jackie Chan zusammengearbeitet und betreibt eine Stuntschule in Hamburg.
Was war so ein ganz verrückter Stunt, den Sie mal gemacht haben?
Joe Alexander: Der wildeste Stunt, den ich mal gemacht habe, das war vor ein paar Jahren in der Türkei für einen epischen Film. Ich sollte da von einer acht Meter hohen Mauer auf eine Turnhallenmatte springen, und drunter war Heu. Ich sollte von einem imaginären Pfeil getroffen werden - das war ein Mittelalterfilm -, und ich sollte rückwärts auf diese Matte fallen. Das ist unüblich, weil man nicht weiß, wann man landet. Das war auch für ausgekochte Profis keine "normale" Aktion.
Im Abspann ist der Name zwar zu lesen, aber wie groß ist ansonsten die Wertschätzung? Würden sie sich als Stuntman mehr davon wünschen?
Alexander: Die Wertschätzung bekommen wir schon, auch weltweit. Aber in Hollywood hängt das doch ein bisschen hinterher. Es gibt Oscars fürs beste Kostüm, beste Schauspiel, beste Regie, bestes Drehbuch - aber für beste Stunts in einem Film, da ist Hollywood seit Jahren noch am kämpfen. Jeder Trailer, jeder kleinere Film wird beworben mit Stunts, mit Action, mit spektakulären Aktionen. Deswegen haben die Stuntleute in Hollywood eine Verleihung ins Leben gerufen, bei der sie wertgeschätzt werden. Arnold Schwarzenegger, Sylvester Stallone und Jackie Chan haben da die Stuntleute, von denen sie gedoubelt wurden, geehrt und Preise verliehen.
Man weiß durch Dokumentationen, wie zum Beispiel ein brennender Ärmel gemacht wird oder wie eine Flasche auf dem Kopf zerbrochen wird. Macht es die Illusion ein bisschen kaputt, wenn die Tricks der Stuntleute so verraten werden?
Alexander: Nein, das sind ja die einfachen Sachen. Die kann man mit einer gewissen Übung auch selber zu Hause machen. Eine Flasche auf dem Kopf zerschlagen, das wird nicht jeder machen können, weil die aus Zucker sind, und diese Flaschen sind sehr teuer.
Allgemeinen sollte man Dinge nicht nachmachen, die man in Filmen gesehen hat, oder?
Alexander: Nein. Wenn man Stürze macht oder sich vors Auto wirft, sollte man das nicht zum Spaß machen oder weil man mehr Follower oder mehr Klicks bekommt. Da sollte man wirklich aufpassen und sich nur durch geschultes Personal anleiten lassen. In Hamburg mache ich seit 20 Jahren Kurzfilme für die Media School. Die machen anspruchsvolle Kurzfilme, und sie können sich Stuntkoordinatoren und Stuntleute nicht leisten. Da wir so den Nachwuchs unterstützen, machen wir das immer kostenlos, damit die ihre Vision verwirklichen können. Einige dieser Filme haben letztes Jahr Studenten-Oscars bekommen.
Sie haben eine sehr bewegte Biografie, sind ohne Eltern nach Deutschland gekommen, unter anderem auch in einem Kloster aufgewachsen. Wie sind Sie Stuntman geworden?
Alexander: Ich bin mit dem Kampfsport Taekwondo großgeworden. Wenn man in der Schule als Jugendlicher gemobbt wird, weil man die Sprache nicht versteht, dann lernt man halt Kampfsport. Über die Jahre habe ich mich so hochtrainiert, dass ich deutscher Meister geworden bin, Hamburger Meister, ich war in der Nationalmannschaft. Da habe ich gemerkt, dass ich einen Hang zu gefährlichen Sachen habe. Ich habe damals eine Ausbildung zum Schornsteinfeger gemacht, und da geht man auch auf Dächern spazieren, bei Schnee, bei Regen und so weiter. Manchmal habe ich gedacht: Bevor ich die sechs Stockwerke runtergehe und auf der Seite wieder hoch, dann springe ich einfach mal von einem Dach zum anderen.
Sind Sie denn ein besonders mutiger Mensch?
Alexander: Ich bin ein furchtloser Mensch. Aber es gibt immer Gedanken, auch bei Stuntleuten. Je besser die Vorbereitung, desto besser die Aktion, desto besser fühlt man sich. Im Endeffekt ist es immer so ein kleiner Adrenalinkick, der nicht einfach Kamikaze ist. Aber furchtlos sollte man schon sein.
Das Interview führte Philipp Schmid.