Schulen in Afghanistan: Schwierige Situation für Mädchen
Die Hilfsorgnaisation Grünhelme hat von 2003 bis 2012 in Afghanistan mehr als 30 Schulen errichtet und damit vielen Kindern und Jugendlichen eine echte Chance auf Bildung gegeben. Zobair Akhi hat an diesem Projekt mitgearbeitet.
Herr Akhi, wie geht es jetzt diesen Schulen, zwei Jahre nach der Machtübernahme durch die Taliban?
Zobair Akhi: Die Schulen gibt es nach wie vor, alle 30 bis 32 Schulen, die wir gebaut haben, funktionieren. Inzwischen, zwei Jahre nach der Machtübergabe an die Taliban, dürfen die Mädchen ab der siebten Klasse nicht mehr in die Schule gehen. Das ist das einzige, was sich vorläufig geändert hat. Mit der Zeit werden wahrscheinlich noch Komplikationen hinzukommen, vermute ich. Wenn die Mädchen nicht zur Schule gehen, werden in dem Land auch Lehrerinnen fehlen.
Wissen Sie etwas über die Lehrpläne, über den Inhalt des Unterrichts? Hat sich da etwas verändert?
Akhi: Inzwischen hat sich einiges ein kleines bisschen geändert: dass naturwissenschaftliche Fächer oder Englisch als Fremdsprache nicht mehr so oft unterrichtet werden, wie es früher war. Es gibt kleinere Änderungen und die werden wahrscheinlich unter der jetzigen Regierung auch noch stärker werden.
Sie sind damals mit den Grünhelmen in der Provinz Herat aktiv gewesen - wie war da die Situation, wie war der Kontakt zur Bevölkerung, wie hat man die Pläne dort aufgenommen?
Akhi: Wir Grünhelme hatten allgemein die Vorgehensweise, dass wir mit den Menschen im Lande zusammengearbeitet haben. Wir haben mit den Gemeinden hauptsächlich erst mal die Notwendigkeit herausgearbeitet, ob eine Schule gebaut werden soll. Die Zusammenarbeit mit ihnen war sehr angenehm, wir hatten sehr selten Probleme dort.
Dass also religiöse Führer gekommen wären oder Väter damit unzufrieden wären, dass ihre Töchter lesen und schreiben lernen - so etwas haben Sie überhaupt nicht erlebt?
Akhi: In Afghanistan gab es damals eine allgemeine Schulpflicht, sowohl für die Mädchen als auch für die Jungs. Viele haben sich daran gehalten. Es gab mit Sicherheit auch einzelne, die vor allem ihre Töchter nicht in die Schule geschickt haben oder aus wirtschaftlichen Gründen auch die Söhne. Da konnten wir nichts machen. Wir haben es nicht zu unserer Aufgabe gemacht, dieses eine Prozent der Gesellschaft zu bekehren.
Es gibt in Kabul eine islamische Schule, die, toleriert von den Taliban, Mädchen unterrichtet - auch in Naturwissenschaften und in Fremdsprachen. Könnte man durch solche Hintertüren eventuell die Bildung für junge Frauen verbessern?
Akhi: Es gibt in der Tat Privatschulen, die noch Mädchen unterrichten, auch ab der siebten Klasse. In manchen Provinzen, in denen die Bevölkerung sich dafür einsetzt, gibt es auch staatliche Schulen, die noch ältere Mädchen unterrichten. Das ist aber selten. Viel wichtiger wäre, dass wir das allgemein durchsetzen. Die Weltgemeinschaft oder die Europäische Union kann in Verhandlungen treten mit der dortigen Regierung und sie darauf aufmerksam machen, was in fünf bis zehn Jahren passieren wird, wenn wir dort keine Mädchen ausbilden. Wer wird die Frauen dort als Ärztin behandeln? Wenn sie ihre Entscheidungen in fünf oder zehn Jahren rückgängig machen, dass die Mädchen auf einmal zur Schule gehen können: Wo wird es Lehrerinnen geben, die sie dann unterrichten? Die werden uns alle fehlen. Diese Aufgaben können wir als Hilfsorganisation dort ansprechen, aber auch die Weltgemeinschaft, die Europäische Union oder unsere Chefdiplomatin, Frau Baerbock, kann mit der dortigen Regierung verhandeln, um eine Stimme für die Frauen zu sein.
Wann und wie haben Sie es aus Afghanistan rausgeschafft?
Akhi: Ich bin als deutscher Staatsbürger mit einer deutschen Hilfsorganisation dorthin gegangen mit dem Ziel, dort so viele Schulen wie möglich zu bauen. Wir haben damals als Grünhelme gemerkt, dass wir die Chance haben, für die Bildung der Kinder zu sorgen, damit nicht die ganze Welt nach Europa kommt, um irgendetwas zu lernen, sondern wir wollten das den Menschen dort ermöglichen. Genauso bin ich danach mit der Hilfsorganisation als deutscher Staatsbürger zurückgekommen, als wir 2012 nicht mehr dort arbeiten konnten, weil die Weltgemeinschaft, weil die Alliierten sich teilweise zurückgezogen haben. Der Hauptgrund für unseren Rückzug damals war jedoch die korrupte Regierung unter Karzei, die unerträglich war. Unter dem Ashraf Ghani ist es noch schlimmer geworden. Es war für viele Hilfsorganisationen, nicht nur für die Grünhelme, einfach nicht mehr möglich, dort zu arbeiten.
Warum ist dieser Demokratieaufbau dort nicht gelungen?
Akhi: Ich denke, dass man es nicht gewollt hat. So schwierig war es nicht. Viele Menschen, wie zum Beispiel Rupert Neudeck, haben die Weltgemeinschaft ständig darauf aufmerksam gemacht, dass es in die falsche Richtung geht. Die Korruption hat der normalen Bevölkerung die Luft genommen. Wir wussten, dass das kein gutes Ende haben wird, aber die Weltgemeinschaft hat nichts gemacht. Ich weiß nicht aus welchem Grund, aber man hätte es auch anders machen können, wenn man es gewollt hätte.
Das Interview führte Mischa Kreiskott.