Riem Spielhaus: Kritik an Islam Konferenz nicht gerechtfertigt
Die Islamwissenschaftlerin Riem Spielhaus hat bei der Deutschen Islam Konferenz diese Woche in Berlin "ein empathisches Bekenntnis zum muslimischen Leben in Deutschland" vermisst. Ein Gespräch.
Eigentlich sollte es bei der Deutschen Islam Konferenz um Muslimfeindlichkeit gehen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte eine Studie in Auftrag gegeben, die aufzeigt, wie drängend das Thema in Deutschland ist. Aber angesichts des Krieges im Gazastreifen haben sich die Verantwortlichen dazu entschieden, auch das Thema Antisemitismus auf die Agenda zu setzen.
Frau Spielhaus, war die Entscheidung richtig, über Muslimfeindlichkeit und Antisemitismus zu sprechen?
Riem Spielhaus: Angesichts der aktuellen Lage in muslimischen Gemeinden und drum herum war es sicherlich unausweichlich, das Thema mit auf die Agenda zu setzen. Es wäre nicht schlecht gewesen, wenn auch noch andere Akteurinnen und Akteure dabei gewesen wären, gerade aus dem Kontext der jüdischen Gemeinden, sodass man noch effektiver darüber hätte sprechen und Kontakte schießen können, um das Thema Empathie-Gap zu besprechen.
Von der muslimischen Seite waren aber auch nicht die Vertreter der großen Islamverbände dabei. Ist das ein Problem gewesen?
Spielhaus: Das ist so nicht richtig. Es war eine ganze Reihe von Islamverbänden-Vertretern im Publikum. Nicht eingeladen war der Zentralrat der Muslime aufgrund interner interner Probleme. Aber es waren durchaus einige im Publikum.
Wie eng hängen Ihrer Meinung nach die Bereiche Muslimfeindlichkeit und Antisemitismus zusammen?
Spielhaus: Das Eine ist, dass eine Gruppenfeindlichkeit selten allein kommt. Das heißt, dass Menschen, die gegenüber Jüdinnen und Juden Vorurteile und negative Einstellungen haben, dies in der Regel auch gegenüber Muslimen haben. Umgekehrt ist es nicht ganz so: Es gibt sehr viel stärkere Ausschläge, wenn man Menschen in Deutschland über Islam und Muslime befragt als in Bezug auf das Judentum. Wenn wir über die plurale Gesellschaft und über Religionsfreiheit sprechen, dann lässt sich das nur gemeinsam besprechen, dann geht es letztlich darum, allen Menschen gegenüber offen zu sein und negative Einstellungen und Vorurteile zu bearbeiten, das also systemisch zusammen zu behandeln und nicht immer nur einzelne Symptome. Das wirft dann wiederum weitere Fragen auf: Warum beschäftigen wir uns nur mit dieser einen Gruppe und die andere ist uns egal? Dieses Gefühl darf gerade bei Jugendlichen und Kindern gar nicht aufkommen, sondern es geht in der pluralen Gesellschaft darum, dass alle sich frei entfalten können und auch ihre Religion ausleben können.
Bundesinnenministerin Faeser hat gesagt, sie will den Islam beziehungsweise die großen Verbände grundsätzlich stärker in die Pflicht nehmen, um gegen Judenhass vorzugehen. Wie kam diese Rede bei den Teilnehmenden an?
Spielhaus: Was sie gesagt hat, war im Einzelnen durchaus richtig. Was ein Stück weit vermisst wurde, war ein empathisches Bekenntnis zum muslimischen Leben in Deutschland. Sie ist für Sicherheit zuständig und hat hier ein sehr klares Bekenntnis in Bezug auf den Schutz von Synagogen geäußert - was vollkommen richtig ist, das stellte auch niemand in Zweifel. Aber es war nicht ganz so deutlich, dass sie auch in Bezug auf Moscheen und das islamische Leben diesen Schutz in den Vordergrund stellt. Dieser Zeigefinger war sehr, sehr groß. Die Unterstützung in Bezug auf Islamfeindlichkeit, auf Beratungsstellen und ähnliches hat sie durchaus erwähnt, aber es war im hinteren Teil der Rede versteckt. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob solche Zeigefinger-Reden wirklich hilfreich sind, um Gemeinden, die sich selbst unter Druck fühlen, dazu zu bewegen, sich zu engagieren. Das ist durchaus ein sehr sensibles Feld.
Was deutlich wurde: Es gab verschiedene Arbeitsgruppen, und die waren sehr intensiv. Es wurde über Polizeiarbeit gesprochen. Ich selbst war im Workshop zur politischen Bildungsarbeit, und es wurde deutlich, dass eine ganze Reihe von islamischen Organisationen sich dort sehr stark engagieren, beispielsweise mit Besuchen von KZ-Gedenkstätten und ähnlichem, sich mit der deutschen Geschichte beschäftigen und ganz intensiv Jugendarbeit und Erwachsenenbildung betreiben.
Die Konferenz wurde von Anfang an kritisiert, weil angeblich nur Wissenschaftler und Experten anwesend waren. Die Rede war von einem "akademischen Debattenklub". Der Extremismus-Experte Ahmad Mansour spricht sogar von einer elitären Veranstaltung, bei der lediglich bequeme Themen angesprochen worden sind. Sie haben das gerade ein bisschen anders beschrieben. Können Sie die Kritik nachvollziehen?
Spielhaus: Nein, die kann ich nicht nachvollziehen. Man kann diese Podien sicherlich langweilig finden, und aus meiner Sicht sind die Arbeitsgruppen am intensivsten und am effektivsten. Allerdings waren im Publikum zahlreiche Verbandsvertreter vertreten und auch Akteure aus der muslimischen Zivilgesellschaft, aus sehr vielen unterschiedlichen Vereinen und Organisationen. Das immer mit einer Backpfeife zu versehen - das tut diesen engagierten Menschen nicht gut. Deswegen finde ich diese Berichterstattung und diese Kritik völlig unangebracht.
Viele Musliminnen und Muslime in Deutschland sind verunsichert, haben Angst, sich zu Wort zu melden, und die Mehrheit der friedlich lebenden Muslime muss eingebunden werden, zum Beispiel um Islamisten mutig entgegenzutreten. Wie kann man diesen Menschen Mut machen, sich zu zeigen? Was kann die Islam Konferenz konkret machen, um diesen Menschen zu helfen?
Spielhaus: Am Ende der Islam Konferenz habe ich mir von den Organisatorinnen und Organisatoren gewünscht, solche Räume häufiger, intensiver und vielleicht auch länger zu schaffen - aus dem Kreis von Expertinnen und Experten, aber das können auch Akteure aus der Zivilgesellschaft sein. Wie kann ich das so gestalten, dass sich die muslimischen Jugendlichen, die dort angesprochen werden, gehört fühlen, aber auch Empathie für jüdische Personen hier in Deutschland oder auch in Israel und der Welt entwickeln? Dass man hier Kompetenzen, Techniken, Methoden der Jugendarbeit und der Bildungsarbeit vermittelt oder auch Matching-Börsen macht, wo sich verschiedene Initiativen treffen können, gerade auch, um den Austausch zwischen jüdischen Initiative und muslimischen zu ermöglichen. Solche Treffen, solche Workshops, in denen man sachlich spricht und nicht nur Show-Veranstaltungen macht, sind wirklich sehr hilfreich, gerade für die Arbeit vor Ort in den verschiedenen Gemeinden und Initiativen.
Das Interview führte Sabine Pinkenburg.