Revelle über Schlager-Songs: "Das Wichtigste ist die Emotion"
Warum berühren gerade Schlager-Songs so viele Menschen? Wie schreibt man einen guten Schlager? Fragen an die Song-Writerin und Sängerin Revelle, die auch Lieder für Helene Fischer oder Beatrice Egli schreibt.
Welche Merkmale machen einen Song zum Schlager?
Revelle: Schlager macht aus, dass die Musik sehr eingängig ist. Bei den Texten nimmt sich das teilweise gar nicht mehr so viel. Das Wichtigste ist, wie bei allen Genres, dass die Emotion im Vordergrund steht.
Und welche Emotion soll im Vordergrund stehen?
Revelle: In den meisten Fällen ist es die Liebe, dass man den Menschen ein Gefühl gibt, dass sie sich verstanden fühlen, dass man Dinge anspricht, die man selbst nicht in Worte fassen kann. Da hilft Musik meistens schon, das auszudrücken.
Hat der Schlager immer noch das Heile-Welt-Image?
Revelle: Ich würde gar nicht sagen, dass das generell immer nur so war. Klar, man spricht Sehnsüchte der Menschen an, und gerade in der heutigen Welt, die so ein bisschen unsicher ist, hat man gerne einen Zufluchtsort, aber ich glaube schon, dass im Schlager mittlerweile auch ein bisschen progressivere Themen angesprochen werden. Aber grundsätzlich ist der Schlager für Menschen trotzdem immer wie so eine warme Decke, in die man sich reinlegen kann, die einem Sicherheit gibt.
Schlager polarisiert: Viele Menschen lieben Schlager, andere finden das Genre plump und oberflächlich. Wie ist Ihre Sicht darauf?
Revelle: Für mich steht immer die Geschichte und die Emotion im Vordergrund. Klar, gibt es auch Schlager, die eher animieren, Party zu machen, aber ich finde, es gibt ganz viele großartige Künstler und Künstlerinnen, die auch was zu sagen haben. Vielleicht hört man nicht nur die Single, die im Radio läuft, sondern mal ins Album rein: Da sind ganz viele tolle Geschichten, im Pop wie auch im Schlager.
Also besteht dieser schlechte Ruf völlig zu Unrecht?
Revelle: Ich meine, der Erfolg gibt dem Genre irgendwie Recht, oder? Ich habe immer versucht, dieses ganze Genre-Denken beiseitezulegen, beim Schreiben sowie beim Hören. Ganz oft ist es auch so, dass Songs, die eher einen schnelleren Beat haben, aber einen krassen Text, eine andere Emotion transportieren, wenn man sie als Ballade singen würde. Deswegen gibt es immer viele Blickwinkel auf verschiedene Songs und Genres.
Was gibt es beim Texten zu beachten, damit ein Lied nicht plump, oberflächlich oder zu vorhersehbar wirkt?
Revelle: Generell, bevor man einen Song schreibt, ist immer das Wichtigste, zu wissen, welche Geschichte man erzählen will, was man sagen will, welches Gefühl man mitgeben will. In meiner Arbeitsweise sind es meistens kleine Beobachtungen, die den Songs und den Alben im gesamten Sinne so eine detaillierte Emotion geben. Das bedeutet: nicht zu groß erzählen, sondern das Schöne in den kleinen Details sehen.
Wenn man für sich selbst schreibt, weiß man: So bin ich; so möchte ich nach außen wirken; das möchte ich sagen. Wie ist das, wenn Sie für andere schreiben, zum Beispiel für Helene Fischer?
Revelle: Das Wichtigste ist immer, dass es beim Schreiben einen selbst berührt. Ich finde, man muss immer selbst Gänsehaut haben, und dann weiß man, dass man auf dem richtigen Weg ist. Es sind oft Geschichten, die man selbst erlebt hat, die sich dann mit den Dingen mischen, die das Gegenüber dann eventuell im Studio erzählt. Man schreibt oft auch gemeinsam den Song und teilt Erfahrungen. Es ist ein bisschen wie Therapie.
Das heißt, es sind ganz persönliche Dinge, die Sie in diesen Liedern erzählen?
Revelle: Ja, es ist ja oft so: Eine Emotion hat ganz oft viele Geschichten, die darauf zutreffen. Das finde ich generell immer sehr spannend. Wenn ich Songs schreibe, kommen manchmal Fans und sagen: "Mir ist das und das passiert." Das ist eigentlich eine ganz andere Geschichte, aber plötzlich passt das auch perfekt auf den Song und auf den Text. Deswegen ist das immer auf eine gewisse Art und Weise sehr persönlich und trotzdem irgendwie universell. Es ist irgendwie magisch.
Sie sind in verschiedenen Welten im Musikbusiness tätig. Lohnt es sich, Schlager zu schreiben? Ist das immer noch lukrativ?
Revelle: Ich liebe es einfach, weil ich viele Freunde habe, die Schlager schreiben. Für mich als Popsängerin und Popsong-Writerin ist es auch schön, mal in eine andere Welt einzutauchen. Es ist ein bisschen auch wie ein Handwerk. Deswegen lohnt es sich emotional - finanziell wahrscheinlich auch. Es macht mir unfassbar viel Spaß, mit meinen Freunden gemeinsame Songs zu schreiben und die dann mit Künstlern zu vertonen. Deswegen mache ich da gar nicht den riesengroßen Unterschied zwischen Schlager und Pop.
Das Interview führte Julia Westlake.