Wie politisch ist das Bauhaus?
Im kommenden Jahr feiert das Bauhaus mit einem hochkarätigen Jubiläumsprogramm seinen 100. Geburtstag. Doch das Bauhaus hat sich selbst einen gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht: Das Konzert der linken Punk-Band Feine Sahne Fischfilet wurde von der Stiftung Bauhaus in Dessau abgesagt, nachdem rechte Gruppierungen im Internet zu Protest aufgerufen hatten. Olaf Zimmermann, der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, gehört zu den scharfen Kritikern dieser Entscheidung.
Herr Zimmermann, was bedeutet diese Konzertabsage aus Ihrer Sicht für das Jubiläum im kommenden Jahr? Wird es das Programm noch überschatten?
Olaf Zimmermann: Ich hoffe, dass es noch Einsicht geben wird und dass man jetzt Schadensbegrenzung betreiben wird. Aber wenn man 100 Jahre Bauhaus feiert, dann feiert man nicht nur eine unpolitisch-künstlerische Idee - die hat es beim Bauhaus nie gegeben -, sondern es war immer eine zutiefst politische Idee. Das ist auch der Grund, warum die Nazis schon 1932 in Dessau das Bauhaus verboten haben. Dann ist es nach Berlin gegangen und konnte noch ein Jahr als private Struktur weiterarbeiten. Später wurde es auch dort verboten. Das zeigt sehr deutlich, dass es sich nicht nur um die schöne Kunst handelt, sondern um ein wichtiges inhaltliches Projekt. Man hat sich selbst ein unglaubliches Bein gestellt, indem man in Dessau die Entscheidung getroffen hat, die Band Feine Sahne Fischfilet auszuladen. Nicht, weil man die Musik nicht gut findet, sondern weil man Angst vor Protesten von Rechten gehabt hat. Das darf nicht passieren.
Aber können Sie die Angst vor rechtsextremen Ausschreitungen nicht auch ein Stück weit verstehen?
Zimmermann: Absolut kann ich die Angst verstehen. Man darf sie persönlich haben, aber Institutionen müssen dieser Angst widerstehen. Und besonders Institutionen wie die Stiftung Bauhaus in Dessau, die ja keine private Institution ist, sondern von der Kulturstaatsministerin in Berlin und von dem Land Sachsen-Anhalt getragen wird. Das sind also staatliche Strukturen und die müssen Gewaltandrohungen widerstehen. Ich bin ganz besonders darüber schockiert gewesen, dass der Kulturminister Rainer Robra in Sachsen-Anhalt gesagt hat, er habe sich gar nicht ausmalen können, was es bedeutet hätte, wenn dieses Konzert stattgefunden hätte und die Rechten vor der Türe demonstriert hätten. Da muss ich sagen: Bitte, Herr Kulturminister? Das müssen Sie sich ausmalen, weil es Ihre Aufgabe als Mitglied der Landesregierung ist, dafür zu sorgen, dass beide Rechte möglich sind: das Recht, dieses Konzert im Bauhaus in Dessau stattfinden zu lassen, und das Recht der Rechten, dagegen zu demonstrieren. Es ist Aufgabe des Staates, das zu ermöglichen, ohne das Gewalt ausgeübt wird.
Rainer Robra hat die Entscheidung der Direktorin der Stiftung erneut verteidigt. Er sagte: "Wenn sie der Meinung ist, dass ein Auftritt nicht mit den Grundsätzen des Bauhauses vereinbar ist, darf sie auch 'nein' sagen." Finden Sie es richtig, dass die Kultureinrichtungen mit der politischen Entscheidung alleingelassen werden?
Zimmermann: Zunächst einmal ist das richtig: Sie darf "nein" sagen. Aber sie darf auch dafür kritisiert werden - und das wird sie jetzt auch heftig. Ich bleibe trotzdem dabei, dass das eine Fehlentscheidung gewesen ist. Man hätte anders entscheiden müssen. Ich würde mir wünschen, dass die Politik jetzt die Direktorin unterstützt und sagt: Wir helfen dir aus dem Schlamassel heraus und werden dir einen Weg weisen, wie man dort erhobenen Hauptes zu einer neuen Entscheidung kommen kann.
Das heißt, ein Auftritt der Band an einem anderen Ort in Dessau wäre für Sie keine Option?
Zimmermann: Ich würde es zumindest zutiefst bedauerlich finden. Wir haben als Deutscher Kulturrat sehr deutlich gesagt: Wir gehen davon aus, dass dieses Konzert im Bauhaus in Dessau stattfinden kann. Das ist nach meiner Ansicht die einzig richtige Entscheidung, die man treffen kann. Wenn man das nicht machen will, dann ist es immer noch besser, wenn das Konzert überhaupt stattfindet - weil es als Signal, gerade gegen die extreme Rechte, wichtig ist, dass man sich nicht einschüchtern lässt. Deswegen ist es wichtig, dass es in Dessau stattfindet. Aber das ist nur der zweitbeste Weg.
Aber die andere Variante ist doch ziemlich unrealistisch geworden, oder?
Zimmermann: Sie mag unrealistisch erscheinen, aber das liegt eher an einer gewissen Sturheit. Ich finde, es ist klargeworden, dass das ein Fehler war - und Fehler machen wir alle. Wir müssen aber auch zu unseren Fehlern stehen. Das ist ein politischer Fehler, eine Fehleinschätzung gewesen, und man muss bereit sein, sie jetzt zu korrigieren. Nur ein bisschen daran herumzudoktern, löst das Problem nicht.
Das Interview führte Katja Weise