Neuer Chef stellt documenta-Organisation auf den Prüfstand
Seit einer Woche ist Andreas Hoffmann neuer Geschäftsführer der documenta und Museum Fridericianum gGmbH. Sein erste Aufgabe: den Strukturen der documenta auf den Grund gehen.
Andreas Hofmann hat nicht gewartet. Seit dem 2. Mai ist er erst im Amt, aber schon stellt er die ganze documenta-Organisation auf den Prüfstand. Der Problemberg Antisemitismus-Skandal wird jetzt abgetragen. "Man muss festhalten, dass mit Blick auf die Antisemitismus-Vorfälle zu spät reagiert, zu passiv kommuniziert und auch zu wenig umfassend kontextualisiert worden ist", betont Hoffmann.
Eine "kollektive Verantwortungsverweigerung" hat ein wissenschaftlicher Beraterstab der documenta attestiert. Keiner fühlte sich für die Aufarbeitung des Antisemitismus-Skandals zuständig, nicht die künstlerische Leitung und auch nicht die Geschäftsführung. So zog sich der Skandal gefühlt endlos hin. Krisenmanagement? Fehlanzeige.
Schwieriger Spagat zwischen Kunstfreiheit und Schutz vor Diskriminierung
Hoffmann will und muss das anders machen. Denn es gibt jetzt auch ein juristisches Gutachten, das genau sagt, was der documenta-Geschäftsführer in Zukunft darf und was nicht: "Zu diesem Pflichtenkatalog gehört auch der Einsatz gegen Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung", so Hoffmann. Aber - und das ist dem Kunstmanager ganz wichtig - Kunstwerke vorab auf anstößige Inhalte zu prüfen, was einige Politikerinnen und Politiker gefordert haben, das kommt für ihn überhaupt nicht in Frage. Das sei Zensur. Aber wenn es während einer documenta wieder so einen Skandal um Kunstwerke gibt: "In dem Moment, wo konkrete Verdachtsmomente im Raum stehen, muss der Geschäftsführer handeln. Hier ist eine aktive, kommunikationsstarke Rolle für den Geschäftsführer festgeschrieben, die es nun auszufüllen gilt."
Deutliche Worte, die bei der letzten documenta sehr vermisst wurden - von Publikum, Presse und Politik. Aber auch ein schwieriger Spagat zwischen Kunstfreiheit und Schutz vor Diskriminierung. Andreas Hoffmann sei genau der Richtige für so einen Balanceakt, meint Manuel Hartung, Vorstandsvorsitzender der Hamburger Zeit-Stiftung und bis vor kurzem Chef von Hoffmann: "Er ist jemand, der ganz unterschiedliche Leute mitnehmen kann, von den Mitarbeitenden im Kunstforum über politische Persönlichkeiten bis hin zu der internationalen Kunstwelt. Da ist er wahnsinnig vielseitig und wird in einer Stadt wie Kassel - meiner Heimatstadt - sehr schnell sehr gut ankommen und sich mit ganz vielen Persönlichkeiten vernetzen."
Hoffmanns Ziel: Eine bahnbrechende Weltkunstschau ohne Skandale
Menschen mit seiner Begeisterung für Kunst anstecken, jüngeres Publikum nach Kassel holen - das will der neue documenta-Chef tatsächlich. Wenn man mal von den Skandalen absieht, sei die letzte documenta da wegweisend gewesen: "738.000 Besucher im vergangenen Sommer, ein sehr junger Altersdurchschnitt, ein sehr diverses Publikum - das sind natürlich Traumzahlen, die sich jeder Museumsdirektor, jeder Museumsmanager wünscht. Das ist es ein toller Ausgangspunkt für die Gestaltung von Kunst und Kultur, sehr nah an der Gesellschaft."
Aber zuerst mal geht es jetzt an die Strukturen der documenta. Und dann hat Andreas Hoffmann vor allem ein Ziel: eine bahnbrechende Weltkunstschau organisieren - ohne Skandale aus Kassel.