Lübecker Archäologen-Ehepaar richtet alte Grüfte wieder her
Oft zerstört, in zugemüllten Grüften jahrhundertelang verborgen: Mit alten Grabstätten beschäftigt sich das Lübecker Archäologenpaar Regina und Andreas Ströbl. Momentan arbeiten die beiden in einer Gruft in Dassow in Mecklenburg-Vorpommern.
Am Ende des kleinen hellen Backsteingebäudes führt eine kleine Wendeltreppe in die Gruft. Dort ist es dunkel, riecht feucht und die Stufen, die nach unten führen, sind ungleichmäßig. Bepackt mit Lampen, einem Staubsauger, Bürsten, einem Fotoapparat und Reinigungssachen gehen Regina und Andreas Ströbl in die Gruft. Sie müssen sich gut an der Wand festhalten, um zu den insgesamt sieben Särgen im Mausoleum zu gelangen.
Dort waren Regina und Andreas Ströbl schon einmal vor zwei Jahren - und müssen nun nach der Sanierung wieder ran: "Das ist ja Wahnsinn, das erkennt man ja kaum wieder. Guck mal hier die Decke, weißt du noch, wie das alles damals runtergekommen ist? Das ist jetzt wieder eine Grablege, wie man sie sich wünscht, sehr schön", freut sich Andreas Ströbl.
Reinigung als Kampf gegen die Jahrzehnte
"Das, was wir jetzt hier machen, ist einfach noch mal eine Wartung und Reinigung. Die Metalloberflächen müssen auf jeden Fall noch einmal gewachst werden. Das ist ganz normal, dass bei Bauarbeiten Schmutz anfällt, die Feuchtigkeit konnte nicht so schnell herausgebracht werden", erläutert Andreas Ströbl. Die Kirchengemeinde tue alles, um dieses Gebäude wieder in einen würdigen und vor allem funktionierenden Zustand zu versetzen, damit diese Gruft auch künftig trocken bleibe: "Aber da kämpft man eben auch gegen die vergangenen Jahrzehnte."
Nachfahren des Herzogs von Mecklenburg-Schwerin
Regina Ströbl saugt die Särge ab, um den ersten Schmutz zu beseitigen: Sie geht ganz vorsichtig dabei vor. In der Gruft liegen die unehelichen Nachfahren von Herzog Friedrich von Mecklenburg-Schwerin, er ist 1713 gestorben. Er hatte keine Kinder mit seiner Ehefrau, aber etliche uneheliche Kinder.
Und deren Nachfahren liegen hier, erklärt Regina Ströbl: "Das ist hier Christian Ludwig, das ist der älteste, der hier liegt. Der war Gutsherr hier, seine Ehefrau liegt daneben. Also die ganze Verwandtschaft ist hier. Das sind jetzt keine vielen Jahrhunderte, aber es ist ein enger Familienhalt repräsentiert."
Sie liegen in Holz- und Zinksärgen, eine Besonderheit in der Dassower Gruft. "Das hat alles matt geglänzt und wir haben hier eine wunderbare Materialvielfalt. Wir haben das Holz, wir haben ganz zarte, durchbrochen gearbeitete Zinkblecharbeit, dann haben wir die Eisenringgriffe, da sind verschiedene Blüten drauf. Es sind verschiedene Materialien und das ist eben anspruchsvoll. Sehr schön ist auch dieser Zinksarg hier mit Festons und diesem Puttenkopf in der Mitte und diesem Kleeblattkreuz hier auf der Deckelplatte, das ist hochrepräsentativ gewesen", beschreibt Andreas Ströbl.
Arbeit in der Gruft wie eine Spurensicherung
Das Ehepaar bereitet sich gut vor auf die Gruft, macht sich mit der Zeitgeschichte und dem historischen Kontext der verstorbenen Familien vertraut, meist gibt es dazu Literatur oder Chroniken. Wenn sie die Gruft betreten, ist es auch immer ein bisschen wie eine Spurensicherung, findet Regina Ströbl.
"Man guckt erstmal, wie man das alles sortiert und dann fängt man langsam an, das auseinanderzudröseln und zu sortieren: Die Knochen und die Textilreste, die meistens auch noch mit dabei sind, auch die kleinen Dinge wie botanische Reste. Man hat ja nicht nur die Bettung in einem Sarg, sondern man hat ja auch manchmal noch ein kleines Blumensträußchen mitgegeben oder Kränze. Das sind ja alles Details." Und Informationen, die sie brauchen, um Alter und Herkunft der Verstorbenen zu ermitteln.
Kein Gruseltourismus, sondern Herstellen von Würde
"Das Schöne an dieser Gruft ist, wie bei vielen anderen Grüften, dass man sie sozusagen dem Vergessen enthebt. Es ist ganz wichtig, dass wir keinen Grusel-Tourismus bedienen. Vielmehr stellen wir die Bestattungsorte wieder her und versuchen, immer im Sinne derer zu handeln, die hier beigesetzt sind", sagt Andreas Ströbl.
Es sei für sie "ganz wichtig, diese Menschen oder diese Toten noch als Mensch zu sehen und nicht als ein Untersuchungsobjekt", fügt seine Frau Regina hinzu und ergänzt: "Denn diese Menschen, die haben ihre Geschichte, ihre Freuden und ihre Leiden gehabt und wir wollen ihnen jetzt wieder eine schöne Ruhestätte herrichten, damit sie da in Frieden ruhen können."