Kulturelle Kleinode im Norden - dank EU-Geldern
In gut einer Woche ist Europa-Wahl. Vielen Menschen scheint die Arbeit des Parlaments weit weg. Doch ohne EU-Fördertöpfe gäbe es viele kleine und mittlere Kulturprojekte gar nicht, wie zwei Beispiele aus Schleswig-Holstein zeigen.
Mikaela Dörfel hat sich im schleswig-holsteinischen Nirgendwo mit dem Werkgut Meezen ein kleines Paradies geschaffen. Holzbildhauen, Porzellan, Weben und so weiter: Alles ist möglich – an einem Ort, der grüner nicht sein könnte, ruhiger und kreativer auch nicht. Es ist ein alter Hof, mit viel Platz für Kunst, Kultur, Handwerk. 2020 ging sie an den Start, nach langer Umbauzeit mit "Bronzeguss", aber auch Jazzveranstaltungen, Lesungen oder Theaterstücke waren im Programm. "Seit 2022 mache ich eindeutig den Schwerpunkt beim Kunsthandwerk. Erstens passt es besser zu mir. Und zweitens ist das etwas, was es in toller Qualität gibt", erzählt Mikaela Dörfel.
EU-Geld für den Ausbau des Atelierhauses
Ganz allein macht sie das nicht. Sie holt sich namhafte Künstlerinnen und Kunsthandwerker. Vieles aber kann sie eben auch. Sie war Professorin an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein. Was sie dann nicht so schaffte, war der Ausbau des Altenteils – heute das Atelierhaus.
"Das stand 35 Jahre leer und war in einem schrecklichen Zustand. Und ich habe das immer geliebt. Ich hab‘ immer gedacht: Wie kann man‘s nur leer stehen lassen. Da hab ich dann die Förderung beantragt – weil ich gedacht hab‘: Das schaffe ich nicht", erinnert sie sich.
Mikaela Dörfel führt über die Dorfstraße zu einem repräsentativen Backsteingebäude mit viel Bauschmuck, einer Terrasse nach hinten und zwei schicken Fledermausgauben. Wer reingeht, möchte am liebsten einziehen – wahlweise arbeiten. Hier finden ihre Workshops statt.
Lebhaftes Treiben dank kultureller Workshops
"Nächste Woche kommt die MOIN Filmförderung. Die machen eine ganze Woche lang Workshops. Und dann sind‘s hier 14 Leute. Die arbeiten hier, werden von uns komplett versorgt, wohnen hier überall im Haus – und drüben. Dann ist was los."
Beide Häuser und Grundstücke sind das Werkgut Meezen, funktionieren auch wirtschaftlich nur zusammen, und wurden von der AktivRegion Mittelholstein gefördert über einen EU-Fonds der Entwicklung ländlicher Räume, ELER genannt. Aus dem bekam sie für ihr Projekt etwa 100.000 Euro – Geld aus Straßburg also für eine holsteinische 350-Seelen-Gemeinde.
"Es gibt in Schleswig-Hosltein überhaupt kein vergleichbares Objekt und keinen Ort, wo Kultur oder Kunsthandwerk oder Kunst so gefördert und angeboten werden wie hier." Es gebe zwar Sommerakademien, aber die verstünden sich nicht als Urlaubsangebote. Der AktivRegion gehe es aber auch um touristische Attraktivität. Und Gäste kommen, sagt Mikaela Dörfel – aus Deutschland und Europa, sogar aus Mexiko – alles sehr international.
folkBALTICA schlägt Brücke zwischen Deutschland und Dänemark
Wir wechseln nach Flensburg, wo das bekannte Festival folkBALTICA sitzt, das Gerri Christiansen mit leitet. Ihr sogenanntes Ensemble ist ein europaweit einmaliger Klangkörper für deutsch-dänische Talente. Aber die Förderung durch die Kulturregion Sønderjylland-Schleswig läuft wieder nach vier Jahren aus. EU-Gelder wären da eine Lösung, sagt er.
"Es ist eh größer geworden, hat eine Riesentragweite gekriegt", sagt Gerri Christiansen. Zwischenzeitlich habe es mal mit der bisherigen Förderung schlecht ausgesehen, das sei zwar vom Tisch, dennoch sei ein größerer Etat notwendig. "Da sind wir unter anderem auch auf der Suche nach EU-Fördermitteln", so Christiansen.
Die bekommt bereits der folkBALTICA Chor, ein reiner Laienchor. Der wird durchs Programm Interreg Deutschland-Dänemark mit EU-Geldern gefördert und lädt Menschen beiderseits der Grenze ein, die musikalische Brücke zu schlagen.
Viele Gespräche mit kulturaffinen Politiker:innen
Nun läuft dessen Förderung im Herbst aber aus, weil solche Projekt-Gelder immer zeitlich limitiert sind. Und so schaut eben auch Gerri Christiansen am 9. Juni auf die Wahl zum EU-Parlament.
Er habe schon viele Gespräche mit PolitikerInnen geführt und wisse, wer ein offenes Ohr für Kultur hat und ein Verständnis. "Das kann man an Parteien generell schwer festmachen. Aber man weiß natürlich auch, dass einige Strömungen für Kultur nicht so ‘n großes Herz haben."