Kulturaufreger 2024: Berlinale, Dirigent Roth, Meyer und "Sancta"
Das Kulturjahr 2024 geht zu Ende - in Erinnerung bleiben werden auch wieder viele Ereignisse, die Schlagzeilen gemacht haben: Es ging um Skandal-Inszenierungen, um schlechte Verlierer, und um eine Debatte rund ums Einladen und Ausladen. Die Aufreger des Jahres.
Eine Menschenkette auf dem roten Teppich - bei der Berlinale-Eröffnung. Protest gegen rechts. Hintergrund: Die Debatte um fünf AfD-Politker, die zuerst zur Gala eingeladen waren - und dann wieder ausgeladen wurden. Leiterin Mariette Rissenbeek verteidigt den Schritt: "Genau die Menschen, die auch hier bei uns arbeiten, die wir als Publikum hier bei uns empfangen, die hier als Fimschaffende sind, also Menschen mit Migrationshintergrund, mit einem anderen Hintergrund oder die in der dritten Generation in Deutschland wohnen - diese Menschen will die AfD aus dem Land weisen. Und das ist für mich einfach ein Grenzübertritt."
Die Partei selbst kritisiert die Entscheidung erwartungsgemäß lautstark. Die Fraktionsvorsitzende Astrid Brinker spricht von einem "kulturpolitischen Fanal". Aber auch aus vielen anderen Richtungen gibt es Kritik an dem Vorgehen. "Ich halte das für eine handwerkliche Katastrophe, denn es lässt die AfD als Opfer dastehen - und das ist das Schlimmste, was passieren konnte", sagt SHMF-Intendant Christian Kuhnt.
Wirbel um Dirigent Francois-Xavier Roth
Im Mai macht eine französische Zeitung #MeToo-Vorwürfe gegen Dirigent François-Xavier Roth öffentlich. Sieben Frauen werfen Roth vor, er habe ihnen anzügliche Nachrichten geschickt: Herzen, Kuss-Emojis oder auch sogenannte "Dick-Pics", also Fotos von seinen Genitalien. Roth selbst gesteht daraufhin Fehler ein - er habe niemanden verletzen wollen. In Köln wird er deshalb von seinen Ämtern als Generalmusikdirektor und Chefdirigent des Gürzenich-Orchesters entbunden.
Seinen Posten als Chefdirigent des SWR Symphonieorchesters soll er im kommenden Jahr trotzdem antreten. Diese Entscheidung steht - nach dem der SWR eine interne Untersuchungskommission einsetzt - und neue Regeln aufgestellt hat. Die Staatsanwaltschaft Köln erklärt zum Jahresende, dass sie die Ermittlungen gegen Roth eingestellt hat: Es bestehe kein hinreichender Tatverdacht.
Theater Görlitz will Namensrechte verkaufen
Allianz-Arena, ZAG-Arena, Barclays- oder edel-optics.de-Arena... Seinen Sponsor im Namen tragen? Bei großen Sport- oder Mehrzweckhallen ist das ganz normal. Aber für ein Theater? Das in Görlitz hat entsprechende Pläne angekündigt, um aus einer finanziellen Schräglage zu kommen. Und das gefällt erwartungsgemäß nicht jedem. "Das Theater bringt den Impetus mit, das Schöne, Gute und Wahre auf der Bühne zu zeigen und das kollidiert mit den ganz fast schon ordinären ökonomischen Realitäten", sagt Indendant Daniel Morgenroth. Einen passenden Sponsor hat er bis Jahresende zwar nicht gefunden - dafür aber bundesweite Aufmerksamkeit für sein Theater - und dessen finanzielle Situation.
Buchpreis: Meyer als schlechter Verlierer
Im Oktober wird in Frankfurt der Deutsche Buchpreis verliehen - und zwar an Martina Hefter, und eben nicht an Clemens Meyer und sein 1.000-Seiten-Epos "Die Projektoren". Meyer verlässt die Zeremonie wutentbrannt und schimpft auf die Buchpreis-Jury. "Ich habe gesagt, wenn sie die Möglichkeit sehen, den Preis einer der Damen zu geben, dann werden sie es tun - und so ist es dann auch gekommen", sagt er später im NDR Kultur Interview und fügt hinzu: "Natürlich wird man jetzt den Stempel als schlechter Verlierer behalten, aber das ist mir auch egal."
Blutig und provokant: Holzingers "Sancta"
Zuschauerin Claudia Rak-Oelschlegel berichtet von Ohnmachtsanfällen bei der Holzinger-Oper "Sancta" in Stuttgart, als sich auf der Bühne Wunden zugefügt wurden: Eine provokante, blutige und freizügige Performance, die bereits im Mai in Schwerin Premiere gefeiert hatte. Am Ende muss sich der Besucherservice in Stuttgart bei zwei Vorstellungen um 18 Menschen aus dem Publikum kümmern. Viele klagen über Übelkeit, drei Mal wird ein Notarzt hinzugezogen.
Intendant Victor Schoner sieht's gelassen. Seinem Haus bringt die Oper auf jeden Fall Schlagzeilen - und der österreichischen Choreographin Florentina Holzinger den Titel der "Einflussreichsten Künstlerin des Jahres" des Magazins Monopol. Im Herbst 2025 soll "Sancta" nach Stuttgart zurückkommen.