Mariette Rissenbeek © picture alliance/dpa Foto: Jens Kalaene
Mariette Rissenbeek © picture alliance/dpa Foto: Jens Kalaene
Mariette Rissenbeek © picture alliance/dpa Foto: Jens Kalaene
AUDIO: Berlinale-Chefin Rissenbeek zur AfD-Ausladung (4 Min)

Berlinale-Chefin Rissenbeek: "AfD hat eine Grenze überschritten"

Stand: 09.02.2024 16:32 Uhr

Nach tagelanger Diskussion hat die Festivalleitung am Donnerstag fünf AfD-Politiker wieder von der Eröffnungsgala der Berlinale ausgeladen. NDR Kultur hat darüber mit Berlinale-Chefin Mariette Rissenbeek gesprochen.

Warum haben Sie sich nun doch dazu entschieden, die Einladung zurückzunehmen?

Mariette Rissenbeek: Wir haben in den letzten Tagen gespürt, wie sehr alle, die hier bei der Berlinale arbeiten, aber auch das Publikum, das zu uns kommt, damit hadern: Dass wir als Berlinale, die so demokratisch, international, antirassistisch und gegen Diskriminierung aufgestellt ist, Leute aktiv einladen und willkommen heißen, die für eine Partei stehen, die genau das Gegenteil unserer Werte vertritt.

Hat vor allem der öffentliche Druck - unter anderem gab es ja einen Brief von rund 200 Filmschaffenden - dazu geführt, dass Sie so entschieden haben?

Rissenbeek: Der offene Brief war auf jeden Fall ein Anlass dazu, dass wir uns noch einmal sehr viel mehr und sehr viel intensiver damit auseinandergesetzt haben. Der offene Brief hat im Haus noch mal zu vielen Gesprächen und sehr vielen Überlegungen geführt.

Hat die Diskussion Sie überrascht?

Rissenbeek: Ich glaube, die Entwicklung der AfD oder zumindest, wie sie in den letzten Wochen kommunizierte, hat noch mal dazu geführt, dass viele Menschen sehr viel sensibler geworden sind für das, wofür die AfD steht. Für die Ideen, die sie entwickelt, die sie auch immer weiter und extremer entwickelt. Das hat natürlich auch bei uns noch mal ein anderes Empfinden dafür geschaffen.

Die "Süddeutsche Zeitung" hat Ihre Entscheidung kritisiert und schreibt, dass "die Sache das Potenzial hat, sich als Eigentor zu erweisen". Denn AfD-Politiker sitzen nun mal als gewählte Vertreter in politischen Institutionen, die traditionell zur Berlinale eingeladen werden. Die Fraktionsvorsitzende der AfD in Berlin hat schon von einem "kulturpolitischen Fanal" gesprochen. Was sagen Sie dazu?

Rissenbeek: Wir sind selbstverständlich auch daran interessiert, für alle offen zu stehen. Aber die AfD ist nicht demokratisch. Die ist sehr dafür, Menschen, die bei uns arbeiten, die als Publikum hier sind und die hier in der dritten Generation in Deutschland wohnen, diese Menschen will die AfD aus dem Land weisen. Das ist für mich einfach ein Grenzübertritt.

Welche Reaktionen aus der Berliner Kultur und Politik haben Sie erreicht?

Rissenbeek: Die haben mich eher bestärkt in dieser Entscheidung. Und natürlich hatte ich auch mit der Politik schon gesprochen, die zumindest unsere Entscheidung akzeptiert. Die Kulturinstitutionen in Berlin, die selbst auch in die Enge getrieben werden, müssten sich natürlich auch gemeinsam mit uns positionieren.

Sie mussten in ihrer Zeit als Leiterin der Berlinale - gemeinsam mit Carlo Chatrian - schon viele Krisen managen, nun diese. Freuen Sie sich trotzdem auf diese - Ihre letzte - Berlinale?

Rissenbeek: Ich freue mich tatsächlich darauf, aber jetzt kann das bei uns im Haus niemand mehr hören. Ich habe ein Projekt im Bereich Fußball umsetzen können: Elf Kurzfilme über elf Jugendvereine, die deutschlandweit im Fußball tätig sind. Mädchen, Jungs, Menschen mit diversen Hintergründen, mit Einschränkungen. Und da werden 130 Jugendliche zur Berlinale anreisen, um am 21. Februar diese Premiere zu feiern. Und das ist für mich auch das, wofür die Berlinale steht: Ein gemeinsames Kinoerlebnis. Das ist ein toller Ausblick für mich.

Das Gespräch führte Anna Novak.

Weitere Informationen
Jurypräsidentin der Berlinale Lupita Nyong'o (r.) steht neben der Regisseurin des Filmes "Dahomey" Mati Diop, die den Goldenen Bären gewonnen hat © Nadja Wohlleben/Reuters/Pool/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: Nadja Wohlleben

Berlinale: Goldener Bär für Raubkunst-Doku über Benin-Bronzen

Die Doku "Dahomey" von Mati Diop hat den Hauptpreis des Filmfests gewonnen. Matthias Glasner aus Hamburg wurde für das beste Drehbuch ausgezeichnet. mehr

Tricia Tuttle bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig 2023 © picture alliance / Pool Photo Events 02 | manuele mangiarotti / ipa-agency

US-Amerikanerin Tricia Tuttle wird ab 2024 Intendantin der Berlinale

Die ehemalige Leiterin des BFI London Film Festival tritt die Nachfolge des bisherigen Führungsduos aus Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek an. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 09.02.2024 | 16:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Filmfestival

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Zwei Gladiatoren in einer Arena im Lederoutfit kämpfen miteinander - Szene mit Paul Mescal (links) und Pedro Pascal aus "Gladiator II" von Ridley Scott © Paramount Pictures Germany

Filme 2024: Diese Highlights kommen im Herbst

Bis Weihnachten locken Blockbuster wie "Gladiator 2" und "Konklave" von Edward Berger ins Kino. Auch von Nora Fingscheidt und Andreas Dresen gibt es Neues. mehr

Hände halten ein Smartphone auf dem der News-Channel von NDR Kultur zusehen ist © NDR.de

WhatsApp-Channel von NDR Kultur: So funktioniert's

Die Kultur Top-News aus Norddeutschland direkt aufs Smartphone: NDR Kultur ist bei WhatsApp mit einem eigenen Kanal aktiv. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Ein Sänger steht auf einer Bühne, hält in einer Hand das Mikrofon und die andere ist nach oben gestreckt. © picture alliance / Gonzales Photo/Nikolaj Bransholm Foto: Gonzales Photo/Nikolaj Bransholm

Hurricane Festival: The Prodigy, Apache 207 und Sam Fender kommen 2025

Die englische Elektro-Punk-Band The Prodigy und ein Who-is-Who der deutschen Pop- und HipHop-Szene haben sich für 2025 angekündigt. mehr

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?