Klimawandel: Wie wird Verzicht in der Kunst thematisiert?
Die Kunsthistorikerin Lena Geuer beschäftigt sich intensiv mit dem Zusammenhang von Kunst und Ökologie. Die Kunst sei ein Raum, der Folgen und Alternativen zeigen kann, sagt sie im Gespräch mit NDR Kultur.
Frau Geuer, ihr Habilitationsprojekt beschäftigt sich mit dem Thema "Ästhetik des Verzichts". Was genau erforschen und betrachten Sie da?
Lena Geuer: "Ästhetik des Verzichts" ist erstmal ein Arbeitstitel - wie es am Ende aussieht, das weiß ich noch nicht. Aber ich befasse mich jetzt ganz intensiv mit der Frage nach dem Verzicht, die auch hierzulande aufgekommen ist. Auch im Zusammenhang mit Greta Thunberg, die mit ihren Protestaktionen und "Fridays for Future" ganz massiv auf den Klimawandel aufmerksam gemacht hat. In diesem Zeitraum sind auch vermehrt Ausstellungen entstanden, die den Klimawandel ins Zentrum gesetzt haben. Es gab auch schon davor Künstlerinnen und Ausstellungen, die das thematisiert haben, aber ab dann gibt es eine besondere Wende und ein besonderes Bewusstsein für den Klimawandel. Es gab beispielsweise in Berlin die Ausstellung "Down to Earth" im Gropius-Bau, die ökologische Fragen zentral in die Mitte gestellt hat. Oder in der Ausstellung "Nimmersatt? Gesellschaft ohne Wachstum denken" in Münster, wo sich die Kuratorinnen ganz gezielt fragen, wie wir mehr Verzicht in unserer Gesellschaft integrieren können. Ich merke, dass das Thema sehr viel mit Angst behaftet ist, und vielleicht ist die Kunst ein Raum, der uns zeigt, wie solche Alternativen konkret aussehen könnten.
Die Angst ist absolut berechtigt; es wird sonst verheerende Folgen für uns alle haben, wenn nicht jetzt etwas passiert. Wie können wir uns das vorstellen? Spiegelt sich das zum Beispiel auch in der Verwendung von Materialien wider?
Geuer: Ja, es gibt da ganz viele verschiedene Ansätze. Was zum Beispiel beobachtet werden kann, ist, dass in der Kunst ganz verstärkt Pflanzen eine besondere Rolle im 21. Jahrhundert spielen. Weil wir den Blick auf nicht-menschliche Lebewesen richten wollen, um zu überlegen, wie wir das Leben auf der Erde nicht immer nur vom Menschen aus denken können, sondern von den unzähligen Lebewesen, die uns umgeben, mit denen wir in Beziehung stehen. Und da sind Pflanzen ganz zentral geworden. Die brasilianische Künstlerin Uýra Sodoma etwa, eine Dragqueen aus dem Amazonas, schmückt sich mit Pflanzen und schafft ganz besondere Figuren, die zwischen menschlichen, tierischen und pflanzlichen Wesen existieren.
Gibt es Werke, Künstlerinen oder Künstler, mit denen wir uns aus Ihrer Sicht unbedingt mal beschäftigen sollten im Zusammenhang mit Verzicht?
Geuer: Ja, auf jeden Fall. Es gibt eine Künstlerin, die sehr spannend ist: Marwa Arsanios, die beispielsweise die Videoarbeit "Who Is Afraid of Idiology?" gemacht hat. Der dritte Teil handelt von einer indigenen Gemeinschaft in Kolumbien, wo es um das Thema Saatgut geht. Und allgemein kann ich Ausstellungen zum Thema Klimawandel empfehlen, beispielsweise "1,5 Grad" in Mannheim. Dort gibt es unterschiedliche künstlerische Positionen, die sich immer mehr mit der Frage nach dem Verzicht beschäftigen.
Das Interview führte Julia Westlake.