Kent Hansen: Ein kleiner Zauberer, der alles möglich machen will
Wir alle kennen Menschen, die unser Leben reicher machen. Gerade am Lebensende sind solche Menschen Gold wert. Kent Hansen arbeitet als Koch in einem Hospiz in Schleswig-Holstein und bereitet Sterbenden ihre letzten Mahlzeiten zu.
"Ich habe hier für Zimmer Nummer neun einen Spezialwunsch. Sie möchte gerne ein Croissant mit dünn Butter und Erdbeermarmelade und dazu einen Magenfein-Tee." Es ist morgens kurz nach halb acht im Johannis Hospiz in Elmshorn. Kent Hansen steht in der offenen, lichtdurchfluteten Küche und bereitet das erste Frühstück des Tages vor: ein stämmiger, 60 Jahre alter Mann in einer roten Kochschürze. Die Dame, die sich das Croissant gewünscht hat, ist bettlägerig. Er bringt ihr das Essen aufs Zimmer.
Kochen im Hospiz: Von Herz zu Herz
Svenja Sandte-Boukaia hat Krebs, ist 51 und seit Anfang Februar hier. "Es geht auch über den Magen und das Essen. Das frische Essen bringt einen wirklich wieder ein bisschen auf die Beine - auch emotional. Wenn es gut gekocht ist und man merkt, dass es mit Liebe und immer frisch gekocht ist, dann wird man auch gleich wieder ein bisschen gesünder", sagt sie.
Mehr als 30 Jahre lang hat Kent Hansen in der Gastronomie gearbeitet, in gehobenen Szenerestaurants. Irgendwann wollte er nicht mehr - hatte keine Lust auf den ständigen Stress und den finanziellen Druck. Er spielte mit dem Gedanken, den Job ganz aufzugeben. Dann sah seine Freundin die Stellenanzeige fürs Hospiz. Eineinhalb Jahre ist das jetzt her. "Das Besondere ist, dass die Menschen, mit denen ich es hier zu tun habe, so was von ehrlich und pur sind. Die haben nichts mehr zu verlieren. Ich kann hier genauso sein, wie ich bin. Das trifft sich von Herz zu Herz."
Kent Hansen: Goldstück und Wunscherfüller
24 Tage sind seine Gäste, wie sie hier heißen, im Durchschnitt da. Manche von ihnen bleiben nur für einen Tag, andere bekocht Kent Hansen mehrere Monate. Hospizleiterin Doreen Welack nennt ihn einen Sechser im Lotto: "Für unser Haus ist er das Goldstück. Er hat das Talent, auf die Menschen zuzugehen, darauf einzugehen, was sie können, was sie mögen und Wünsche zu erfüllen. Das ist einer der wichtigsten Arbeitsplätze hier im Haus."
Kent Hansen selbst nennt sich einen kleinen Zauberer, einer, der alles möglich machen will. Den Speiseplan erstellt er nach Absprache mit seinen Gästen. "Es gab mal einen sehr netten älteren Herren, der unbedingt noch einmal in seinem Leben Jakobsmuscheln essen wollte", erzählt Hansen. "Da hab ich gedacht: Ja, das mach ich. Ich hab die erst einmal organisiert und ihm die schön gemacht. Was sehr bewegend war: Er hat die gegessen und zwei Tage später ist er gestorben, aber er hat es noch richtig genossen."
Weniger Angst vorm Tod
Seit er hier arbeitet, sagt er, hat er weniger Angst vor dem Tod, auch wenn es ihm nicht immer leicht fällt, seine Gäste gehen zu lassen: "Wir sprechen manchmal auch darüber. Dann sage ich: Sie gehen, aber ich bleibe noch ein bisschen. Dann sehen wir uns irgendwann wieder. So helfe ich mir darüber hinweg. Wenn es mir zu nah geht, kann ich mich immer noch mit meinem Essen zurückziehen. Dann habe ich eine Aufgabe und das lenkt mich dann wieder ganz toll ab."
Wenn einer seiner Gäste stirbt, dem er emotional besonders verbunden war, folgt er einem Ritual. Er geht an der Zimmertür des Gastes vorbei, hält kurz inne und legt die Hand auf die Brust. Dorthin, wo sein Herz schlägt. Die Arbeit hier im Hospiz in Elmshorn hat ihn ruhiger gemacht, sagt Kent Hansen. Sie hat ihm Dankbarkeit gelehrt - Dankbarkeit für das Leben.