Gamescon 2024: Computerspiele als Teil der Erinnerungskultur
Computerspiele sollen vor allem Spaß machen. Sie können aber, wie "The Darkest Files" bei der Gamescon 2024, Geschichte vermitteln. Der Kulturwissenschaftler Christian Huberts erzählt, wie das zusammenpasst.
Huberts ist für die Stiftung Digitale Spielekultur als Projektmanager für die Initiative "Erinnern mit Games" tätig. Unter anderem arbeitet er auch mit Gedenk- und Kulturorten zusammen. Ein Gespräch zur aktuell laufenden Gamingmesse in Köln über Spiele für den Massenmarkt, für die Bildungsbranche und welche, die für Gedenkstätten konzipiert sind.
Herr Huberts, "Erinnern mit Games" - das ist in der großen Welt der Videospiele schon eher eine Nische, oder?
Christian Huberts: Eigentlich nicht so sehr. Dass Computerspiele die Vergangenheit aufgreifen ist schon seit vielen Jahrzehnten so. Was aber seit einigen Jahren neu ist, ist, dass sie es viel bewusster machen. Geschichte ist plötzlich nicht mehr nur ein reines Setting, reine Kulisse, sondern die Spiele versuchen sich mit den geschichtlichen Inhalten auseinanderzusetzen. Sie versuchen, Informationen und Erinnerungskultur zu vermitteln.
Welcher ist der Unterschied zwischen einer historischen Welt als Kulisse und der Auseinandersetzung damit?
Huberts: Spiele, die die Geschichte nur als Kulisse benutzen, kann man im Grunde austauschen. Ein Shooter im Zweiten Weltkrieg kann man in der Regel in den Weltraum versetzen, und dann kämpft man gegen Aliens und nicht mehr gegen Nazis. Aber viele Spiele benutzen das nicht mehr nur als Kulisse, es ist nicht mehr austauschbar.
Die Spiele erzählen Geschichten, die spezifisch zu unserer Geschichte sind, zum Beispiel zur Erinnerungskultur, zur NS-Zeit. Sie nehmen auch mit ihrer Spielmechanik konkret Bezug auf die Zeit. Da geht es nicht mehr nur darum, auf Nazis zu ballern, sondern zum Beispiel auch Zeitzeug*innen zu interviewen oder Nazi-Verbrechen in der Nachkriegszeit aufzuklären.
Das Spiel soll in erster Linie Spaß machen - wie kriegt man so einen Spagat hin?
Huberts: Spiele, die Geschichte vermitteln, sind vielleicht nicht in der selben Weise unterhaltsam, wie ein Action-Blockbuster. Wir schauen uns aber zum Beispiel Dokumentationen über Geschichte an. Auch die sind in irgendeiner Form involvierend und unterhaltsam. Auch die Spiele, die sich mit Geschichte auseinandersetzen und das in einer cleveren, guten, interessanten Weise machen, können trotzdem fesseln, während sie eigentlich die ganze Zeit Informationen vermitteln und über die Geschichte aufklären.
Haben Sie ein Beispiel?
Huberts: Ein Spiel, was wir gern benutzen, was auf der Gamescom vorgestellt wird, ist das Spiel "The Darkest Files". Dort ist man eine junge Staatsanwältin unter Fritz Bauer und versucht, Nazi-Verbrechen aufzuklären. Man wälzt Akten, man verhört Zeugen und versucht, Nazi-Verbrecher hinter Gitter zu bringen.
Wer interessiert sich für diese Art von Spielen? Sind das Schulen oder auch Privatleute?
Huberts: "The Darkest Files" ist durchaus für den Massenmarkt gedacht. Das Spiel soll alle Spieler*innen ansprechen. Aber es gibt natürlich auch eine große Nische an Spielen, sogenannten "Serious Games", die speziell für den Bildungszweck entwickelt wurden. Die funktionieren am besten an der Schule - und aus unserer Erfahrung heraus sehr erfolgreich.
Sie arbeiten mit Gedenk- und Kulturorten zusammen - welche sind das hier in Norddeutschland?
Huberts: Mit unserem aktuellen Projekt "Let's remember" waren wir zum Beispiel an der KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Wir waren vor wenigen Wochen an der Gedenkstätte Bullenhuser Damm zu Besuch. Dort bilden wir die Mitarbeiter*innen ein bisschen fort im Bereich der Spielekultur, wir zeigen ihnen Spiele allgemein, aber auch speziell Spiele zur Vergangenheitsvermittlung.
Wir führen mit ihnen auch Vermittlungsformate durch. Die Mitarbeiter am Bullenhuser Damm entwickeln gerade selbst ein Spiel, das wir zusammen mit einem Streamer live auf Twitch gespielt und mit der Gaming-Community drüber diskutiert haben, wie sich Gaming und Geschichte verbinden lassen.
Das klingt so, als wären alle sehr offen dafür. Inwieweit erleben Sie auch Ressentiments gegenüber dem Medium Computerspiel für so eine Thematik?
Huberts: Tatsächlich waren wir da sehr positiv überrascht. Die Mitarbeiter*innen von Gedenkstätten sind immer sehr offen, auch für das neue Medium. Die Ressentiments, die es gibt, machen in der Regel auch Sinn: Ein klassischer Shooter, der sich eher auf Gewalt fokussiert ist, eignet sich nicht für den Einsatz in der Gedenkstätte. Aber darüber hinaus ist die Offenheit sehr groß. Gerade wenn wir Spiele zeigen, die speziell für die Geschichtsvermittlung entwickelt wurden, ist es nicht nur Offenheit, sondern auch der Wunsch, die Spiele selbst zu nutzen. Mittlerweile werden auch an Gedenkstätten selbst Spiele entwickelt.
Deutschland ist eher hinten im internationalen Vergleich, was Videospielkultur und Entwicklung angeht. Wie ist das in Ihrem Bereich? Gibt es da so etwas wie eine Förderung?
Huberts: Eine spezifische Förderung für erinnerungskulturelle Games gibt es leider noch nicht. Die Spiele, die an Gedenkstätten entwickelt werden, das funktioniert mit Hilfe von Fördertöpfen, die eigentlich für Erinnerungskultur da sind und die in diesem Rahmen auch für Computerspiele genutzt werden.
Das Interview führte Franziska von Busse.