Eine Baglama, ein Glas Schwarztee und eine orientalische Lampe stehen auf einer goldbestickten Decke. © IMAGO / Pond5 Images
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Eine Baglama, ein Glas Schwarztee und eine orientalische Lampe stehen auf einer goldbestickten Decke. © IMAGO / Pond5 Images
AUDIO: Frauenchor Can Arkadaş: Singen ist Seelenmedizin (4 Min)

Frauenchor Can Arkadaş: Singen ist Seelenmedizin

Stand: 06.02.2024 10:28 Uhr

Im Chor des interkulturellen Vereins aus Hannover singen Frauen wöchentlich zusammen anatolische und orientalische Volkslieder. Die Klänge ihrer Kindheit berühren und tun der Seele gut.

von Agnes Bührig

Musik baut Brücken. Das dachten sich die Mitarbeitenden des interkulturellen Vereins Can Arkadaş in Hannover als sie vor mehr als zehn Jahren einen Chor für türkischstämmige Menschen ins Leben riefen. Heute besteht er aus rund 30 Frauen, die einmal in der Woche zusammenkommen, um gemeinsam anatolische und orientalische Lieder zu singen.

Erinnerungen an die Kindheit werden wach

Agnes Bührig © NDR
Vor dem gemeinsamen Singen werden Stimmübungen gemacht.

Ein heller Raum mit großen Fenstern eröffnet den Blick über die Innenstadt Hannovers. In zwei langen Tischreihen sitzen sich 17 Frauen gegenüber, vor ihnen liegen schwarze Hefter. Darin befinden sich Texte anatolischer Volkslieder. Sie handeln vom Getreideanbau, einer unglücklichen Liebe, sind melancholisch oder heiter. Die eher nüchterne Atmosphäre im Raum wird gleich mithilfe orientalischer Klänge aufbrechen.

Beim Klatschen zur Musik von Trommel und Bağlama, der türkischen Langhalslaute, entsteht eine gemeinschaftliche Dynamik. Gespielt werden die traditionellen, türkischen Instrumente von den jungen Musikern Muharrem Türkan und Uğur Durmuş. Nicht nur das Singen von anatolischen und orientalischen Volksliedern aus der alten Heimat, auch die kulturelle Gemeinschaft vereint und tut der Seele gut.

Wiederentdeckung kultureller Wurzeln

Chorleiter Uğur Durmuş an der Bağlama © NDR Foto: Agnes Bührig
Chorleiter Uğur Durmuş sorgt an der Bağlama für unverwechselbaren Klang.

Die meisten Sängerinnen gehören der ersten Generation türkischer Einwanderer an. Halise etwa kam in den 1970er Jahren nach Deutschland - mit acht Jahren. Früher hat die gelernte Friseurin und Kauffrau vor allem englische Songs gehört. Vor fünf Jahren erwachte ihr Interesse an der Kultur ihrer Familie, an türkischen Liedern:

"Wenn ich die Lieder singe, dann denke ich an meine Großeltern und die Zeit, die ich in der Türkei erlebt habe. Da werden Erinnerungen wach, weil wir dort diese Lieder gehört haben. Das ist bei mir mit der Zeit verloren gegangen. Vor Kurzem habe ich sie wiederentdeckt." Halise

Das Gefühl, fremd zu sein, belastet die Seele

Traditionelle, türkische Köstlichkeiten tragen auch zum Wohlbefinden in der Gemeinschaft bei. © IMAGO / Pond5 Images
Anatolische Musik und traditionelle Köstlichkeiten tragen zum Aufleben von Kindheitserinnerungen bei.

Ganz vorn auf einem Tisch steht ein Teller mit halka tatlısı, türkischen Gebäckkringeln, die in Zuckersirup frittiert wurden. Nach dem Singen wird gegessen und geredet. Kulturelle Geborgenheit für viele der Frauen, die ein Leben lang hart gearbeitet haben und für ihre Familien da waren - und immer wieder mit dem Gefühl des Fremdseins zu kämpfen hatten. Das habe auch zu Einsamkeit und psychischen Erkrankungen geführt, sagt Projejtleiterin Ömür Türk.

Mit der Teilhabe im Chor, trauten sie sich wieder raus:

"Ihr Selbstwertgefühl wird durch den Chor gestärkt. Sie stellen fest: Ich schaffe es, ich kann es! Das war am Anfang noch ganz anders, da habe ich sie motivieren müssen. Sie erzählten mir, sie hätten keine gute Stimme, könnten nicht singen." Ömür Türk

Auch jüngere Frauen sind heute dabei

Inzwischen habe sich herumgesprochen, dass es beim Chor von Can Arkadaş nicht darum gehe, jeden Ton einwandfrei zu treffen sondern darum, gemeinsam Spaß zu haben, weiß Ömur Türk. Etwas für sich zu tun - nachdem sie jahrelang für andere zuständig waren, das sei wichtig. Der Großteil der Mitglieder sind Seniorinnen, doch inzwischen sind auch jüngere Sängerinnen dazu gekommen.

Fünf Frauen sitzen an einer langen Tafel. Sie blicken konzentriert auf Papiere, die vor ihnen liegen. © NDR
Nevin (2. von rechts) gehört mit ihren 29 Jahren zum Chornachwuchs.

Nevin ist seit drei Jahren dabei. Sie wurde Anfang der 1990er Jahre in Walsrode geboren. Als Kind sang ihre Mutter ihr zwar Lieder auf Türkisch vor, doch ansonsten war ihr Umfeld deutsch, sagt die 29-Jährige, die als Pharmazeutisch-technische Assistentin in einer Apotheke arbeitet. Das Singen sei eine Art Seelenmedizin für sie.

Sie tauche in die Kultur ihrer Vorfahren ein und erfahre so mehr über die Geschichten hinter den Liedern, sagt sie: "In erster Linie geht es für mich darum, die Liedtexte zu lesen, den Inhalt zu verstehen und alles auch richtig auszusprechen. Weil Deutsch meine Muttersprache ist, habe ich im Türkischen einen deutschen Akzent. Das wollte ich ändern."

Wir leben seit 60 Jahren hier ..

Ein deutsch-türkisches Lied schlägt am Ende die Brücke zwischen alter und neuer Kultur. Darin besingen die Frauen Schönheit und Strahlkraft ihrer Wahlheimat Hannover. Eine Seniorin schwenkt dazu selbstvergessen ihr Halstuch im Takt, Chorleiter Uğur Durmuş feuert seinen Chor an, alles zu geben. Die Freude am Singen ist ihnen deutlich anzuhören.  

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 06.02.2024 | 16:00 Uhr

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