Faszination Flaschenpost: Zwischen Seemannsromantik und Fernweh
Bereits 1887 hat ein Hamburger Forschungsinstitut, die Deutsche Seewarte, Flaschenpost auf Reisen geschickt. Warum? Das verrät Katrin Kleemann vom Deutschen Schifffahrtsmuseum Bremerhaven im Interview.
Frau Kleemann, warum hat die Deutsche Seewarte früher überhaupt Flaschenpost verschickt?
Katrin Kleemann: Die Geschichte mit der Flaschenpost begann schon vor der Gründung der Deutschen Seewarte. Der spätere Gründer der Deutschen Seewarte, Georg Neumayer hat damit schon in den 1860er-Jahren angefangen. Er war vorher in Australien, hat dort ein ähnliches Institut aufgebaut und ist dann 1864 zurück nach Deutschland gereist. Auf dieser Fahrt hat er 45 Flaschenposten über Bord geworfen, von denen leider keine einzige bisher gefunden wurde. Allerdings hatte sein Assistent Eduard Brinkmann ein bisschen mehr Glück: Der hatte auf seiner Rückkehr nach Europa zwölf Flaschenposten über Bord geworfen, von denen zumindest eine gefunden wurde. Die hat beachtliche 9.000 Kilometer zurückgelegt, von südlich von Feuerland zurück nach Australien. Der Finder hat sich dann bei Georg Neumayer gemeldet.
Laut Guinnessbuch der Rekorde war die längste Flaschenpost 108 Jahre, vier Monate und 18 Tage unterwegs. Inzwischen ist dieser Rekord aber vor etwa fünf Jahren geknackt worden. Eine deutsche Flaschenpost ist nach sage und schreibe 132 Jahren an einem australischen Strand aufgetaucht. Ist es diese Flasche?
Kleemann: Nein, das ist es tatsächlich eine andere Flasche, die aber auch im Namen der Deutschen Seewarte ausgeworfen wurde, und zwar im Jahr 1886 vor der Küste Westaustraliens. Die wurde dann erst 2018 wiedergefunden. Sie war also wirklich 132 Jahre unterwegs. Das war auch Zufall, dass man da eins und eins zusammengezählt hat: Ganz am Anfang wurden die Briefe nur auf Deutsch in diese Flaschenposten gelegt. Der Finder oder die Finderin sollte dann eintragen, wo das gefunden wurde, in welchem Zustand die Flasche war und dann an die nächstgelegene deutsche Botschaft zurückgeben oder nach Hamburg schicken. Das Ehepaar, das die Flasche gefunden hat, hat diesen Brief ausgerollt, ihn erstmal für fünf Minuten in den Ofen gelegt, weil der Brief feucht war. Es kamen ihnen zunächst verwunderlich vor, dass die Flasche 132 Jahre unterwegs gewesen sein soll - was sich dann aber doch bewahrheitet hat.
Man hat das damals gemacht, um die Meeresströmungen nachzuvollziehen. Was genau war der Hintergrund?
Kleemann: Genau. Damals waren die technischen Möglichkeiten noch nicht ganz so ausgereift wie heute. Flaschenposten waren ein gutes Mittel, um zumindest einen Punkt A und einen Punkt B bestimmten zu können, also den Punkt des Auswurfs, den man auf dem Brief in der Flaschenpost vermerkt hat, und den Punkt B, an dem der Finder oder die Finderin die Flaschenpost gefunden hat. Was genau dazwischen liegt, darüber kann man nur spekulieren. Die Deutsche Seewarte hat dann berechnet, wie viele Meilen die Flaschenpost unterwegs gewesen ist. Das suggeriert allerdings, dass es auf einem direkten Weg unterwegs gewesen ist, was natürlich oft nicht der Fall war, sondern die Strömungen haben diese Flasche anders bewegt.
Es sind etwa tausend Briefe wohl zurückgekommen - es könnten also noch welche auftauchen, richtig?
Kleemann: Genau. Ich würde allen empfehlen, mit offenen Augen am Strand spazieren gehen. Vielleicht finden Sie noch einige Flaschenposten. Man weiß leider nicht genau, wie viele Flaschenposten genau von der Deutschen Seewarte ausgeworfen wurden, aber man kann davon ausgehen, dass es mindestens zehnmal so viele waren, wie gefunden wurden, vielleicht sogar noch mehr.
Und dann gerne an die Deutsche Seewarte schicken, um die historische Datensammlung zu ergänzen, oder?
Kleemann: Die existiert leider nicht mehr. Sie wurde 1945 aufgelöst; da hat eine Weltkriegsbombe das Hauptgebäude in Hamburg getroffen. Heute ist da eine Jugendherberge. Allerdings befindet sich direkt nebenan das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, die Nachfolgeinstitution der Deutschen Seewarte. An die kann man sich sicher wenden.
Haben Sie selbst schon mal eine Flaschenpost verschickt - und wenn ja, was stand drin?
Kleemann: Ich habe als Kind im Urlaub in Dänemark solche Flaschenposten gekauft, die man per Post schicken konnte.
Da sind diese flachen aus Plastik, die manchmal an den Postkartenständern hängen.
Kleemann: Genau.
Was glauben Sie, was fasziniert Menschen so an dem Phänomen der Flaschenpost?
Kleemann: Ich glaube, das ist Fernweh und die Hoffnung, dass jemand diese Flasche eines Tages findet. Man hat gar keine Kontrolle darüber, wer das am Ende sein wird oder wo diese Flasche ankommen wird. Ich habe ganz tolle Geschichten gehört. Wir hatten im Juni eine Vortragsreihe bei uns am Deutschen Schifffahrtsmuseum, wo wir beworben haben, dass Leute freien Eintritt bekommen, wenn sie eine Geschichte mitbringen von einer erfolgreichen Flaschenpost-Sendung oder von einem Flaschenpost-Empfang. Wir hatten ganz viele Besuchende, die ganze Ordner hatten voll mit Briefen. Das sind wirklich faszinierende Geschichten: von Südamerika nach Indonesien oder an die französische Küste. Oder es sind Briefe an die Weser angekommen. Das war sehr spannend.
Das Interview führte Philipp Cavert.