Die heilende Wirkung von Musik bei Schmerzen und Depressionen
Die Harfenistin Uschi Laar hat auf ihren Reisen nach Indien viel über das Klang-Heilsystem gelernt und sich daraufhin stärker mit der heilenden Wirkung von Musik befasst. Im Gespräch bei NDR Kultur erklärt sie, wie Musik nicht nur auf die Psyche, sondern auch auf den Körper wirkt.
Frau Laar, Sie haben sich eingehend mit der Wirkung von Harfenmusik beschäftigt, wie sie das menschliche Nervensystem stimuliert und sogar Schmerzen lindern kann. Außerdem haben Sie den Lehrgang "Musik-Heilkunde" und "Musik am Krankenbett" entwickelt. Wie sind Sie dazu gekommen?
Uschi Laar: Das habe ich selbst als kleines Kind bereits bemerkt. Ich bin in einem Musikerhaushalt groß geworden, und wenn es mir schlecht ging, dann habe ich permanent gespielt. Und zwar nicht die Musik, die ich normalerweise üben sollte, sondern ich habe immer Klänge für mich gespielt und habe gemerkt, dass es mir dann immer gut ging. Als wenn sich ein schwarzes Loch mit Farben auffüllte. Eigentlich habe ich immer Musik für mein Publikum gespielt, aber immer auch ganz viel für mich selbst. Irgendwann habe ich bemerkt, dass die Klänge, die ich aus mir heraus erzeuge, nicht nur psychisch eine wahnsinnig gute Wirkung haben. Bei einem Bandscheibenvorfall habe ich bemerkt, dass wenn ich mir einen Monochord mit bestimmten Frequenzen auf den Körper lege, die Schmerzen viel besser werden. Dieser Geschichte bin ich dann Stück für Stück nachgegangen. Irgendwann habe ich entschieden, das auch anderen Leuten zur Verfügung zu stellen und habe diesen Lehrgang entwickelt.
Was macht die Harfe als heilendes Instrument besonders?
Laar: Es gibt kein Instrument, das so viele Obertöne hat wie die Harfe. Sie hat sehr viele Seiten, und jede einzelne Seite schwingt mit ihren Obertonstrukturen mit. Man hat früher gesagt, die Obertöne seien eigentlich die Himmelsleiter, also das, was uns mit den höheren Kräften verbindet. Das ist oft der Grund, warum die Leute sich so angesprochen fühlen von dem Klang der Harfe: weil da so unglaublich viel mitschwingt. Das hat dieses Beruhigende, das, was den ganzen Menschen sozusagen umhüllt. Das ist anders als beim Klavier: Das Klavier ist auch ein wunderbares Instrument, aber da wird immer nur eine Seite angespielt, weil alle anderen abgedämpft sind. Das ist bei einer Harfe anders.
Die Harfe ist nicht nur ein Instrument, das den Spieler umarmt, sondern auch eines, wie Sie sagen, dessen Klänge umarmend auf viele andere Menschen wirken.
Laar: Auf alle Fälle. Das wird immer wieder in den Krankenbetten so erlebt, dass sich die Menschen einfach aufgehoben fühlen mit der Harfe. Das ist für mich eines der schönsten Instrumente, um am Krankenbett zu spielen.
Was beobachten Sie bei den Menschen, für die Sie spielen, die Schmerzen haben, die depressiv sind oder nicht schlafen können? Welchen Effekt hat diese Musik auf sie?
Laar: Der Blutdruck wird reguliert, die Sauerstoffsättigung des Blutes wird besser. Wir hören oft vom Personal, dass der Patient die ganze Nacht durchgeschlafen hat, keine Schlafmittel brauchte. Man weiß mittlerweile auch, dass nach zehnminütigem Harfenspiel die Schmerzrezeption bereits um 27 Prozent vermindert wird.
Als Harfenistin befinden Sie sich in einer ganz anderen Situation, wenn Sie im Krankenhaus spielen, als wenn sie auf einer Bühne im Rampenlicht sitzen. Welche Rolle spielen Sie als Musikerin, wenn Sie für erkrankte Menschen spielen? Begreifen Sie sich da auch als eine Art musikalische Seelsorgerin?
Laar: Auf alle Fälle. Musikalische Seelsorgerin ist ein sehr treffender Begriff. In dem Moment ist eigentlich der Patient unser Dirigent. Wir versuchen herauszufinden, ob er jetzt etwas Meditatives braucht oder etwas Aktivierendes, weil er ein bisschen depressiv ist? Oder braucht er etwas, was ihn rundherum harmonisiert? Das ist sehr wichtig. Vor allen Dingen ist sehr wichtig, dass wir in diesen Situationen unser Ego dort völlig zurückstellen müssen. Auf der Bühne brauche ich natürlich mein Ego und meine Darstellungskunst - am Krankenbett ist das ganz anders: Da muss ich oft die Lautstärke um die Hälfte reduzieren und ich muss schauen, dass die Klänge, die ich den Menschen zur Verfügung stelle, ihnen auch wohl tun. Zu komplizierte Kunstmusik ist da schon viel zu viel. Das ist eher einfache Musik, die wir spielen.
Werden Sie von Krankenhäusern gebucht?
Laar: Ja, das auch. Zum Teil sind unsere Leute da fest angestellt, zum Teil sind sie freie Mitarbeiter. Es ist natürlich viel Arbeit, das zu kommunizieren und die Menschen darauf aufmerksam zu machen. Wir werden auch von Stiftungen, vor allen Dingen im Hospizbereich, unterstützt und gefördert, dass wir für die Sterbenden spielen. Das ist sehr unterschiedlich, von Festanstellung bis freie Mitarbeit ist da alles dabei.
Das Interview führte Philipp Cavert.