"Kinder, hört mal alle her": Viel Wirbel um Osnabrücker Ausstellung
Die Kunsthalle Osnabrück zeigt seit dem 15. Juni die Ausstellung "Kinder, hört mal alle her!". Die Schau steht wegen einer Performance der Künstlerin Sophia Süßmilch, die Kannibalismus thematisiert, in der Kritik. Nun gibt es sogar Morddrohungen gegen die Künstlerin.
Die Reaktionen auf die kritisierte Ausstellung in der Osnabrücker Kunsthalle haben neue Ausmaße angenommen. Die CDU Osnabrück hatte zunächst zu einem Boykott der Ausstellung aufgerufen und ihre Schließung gefordert. Im Mittelpunkt der Kritik steht eine Performance der Künstlerin Sophia Süßmilch. Nach eigenen Angaben erhält Süßmilch nun Morddrohungen über Social Media und per Email. Das sagte die Künstlerin gegenüber dem Evangelischen Pressedienst.
Süßmilch vertritt mit ihrer Kunst feministische Positionen. Ihr Einsatz von nackten Körpern führe oft zu Anfeindungen, so die Künstlerin. Gegen die Morddrohungen werde sie juristisch vorgehen, kündigte Süßkind an. In ihrer Osnabrücker Ausstellung geht es um die Beziehung zwischen Mutter und Kind - und in diesem Zusammenhang in einer Performance auch um das Thema Kannibalismus.
Süßmilch-Performance eröffnet Ausstellung
Die Performance wurde zur Eröffnung der Ausstellung am Samstagabend live aufgeführt. Aus Rücksicht auf das jüngere Publikum habe man die Veranstaltung kurzfristig auf die Abendstunden verlegt. In der Performance laufen nackte Menschen schwarz maskiert durch den Raum. Von der Decke hängt das überlebensgroße Modell eines neugeborenen Meerschweinchens. Die Künstlerin Sophia Süßmilch lässt das durch Klavier und Sopran untermalen. Um die Kinder vor dem Leid in der Welt zu bewahren, sollen Mütter das Gebären verweigern oder ihren Nachwuchs verspeisen, das ist die Botschaft.
Ein Video der Performance soll zukünftig in der Ausstellung zu sehen sein, es werde gerade fertiggestellt, erklärte die Pressesprecherin der Osnabrücker Kunsthalle, Jasmin Osmanović. Zu den Boykottaufrufen der CDU Osnabrück sagte sie: "Die Heftigkeit der Reaktionen hat uns sehr überrascht." Man habe von vornherein Awareness-Strukturen und Warnungen für die Ausstellung geschaffen. Hinzugekommen sei nun eine FSK 16-Empfehlung für den in der Kritik stehenden Bereich.
CDU fordert Boykott
Für den Osnabrücker CDU-Politiker Marius Keite ist die Performance fehl am Platze, er rief zum Boykott auf: "Wenn ich den Anschein erwecke, dass ich eine Familien-Daueraustellung mache und dann so eine Performance damit verbinde, ist es genau das Gegenteil von dem, was ich mit einer familienfreundlichen Ausstellung verbinde. Uns ist wichtig: Wir möchten gar nicht in die Kunstfreiheit eingreifen, sondern wir möchten, dass die städtischen Mittel, die dafür bewilligt wurden, auch für eine familienfreundliche Ausstellung verwendet werden."
Die Kunsthalle verteidigt das Konzept
Die Kunsthalle Osnabrück hat die Performance selbst im Vorfeld als nicht kindgerecht bezeichnet. Anna Jehle, eine der beiden Direktorinnen, verteidigt sie: "Wir wissen, dass bestimmte Themen, die die Ausstellung von Sophia Süßmilch anspricht, große Gefühle anspricht. Das war uns bewusst und wir haben Vorkehrungen getroffen, dass Menschen, die von Kinderlosigkeit betroffen sind, die vielleicht ein Kind verloren haben, dass die abgeholt werden mit ihren Emotionen. Das ist unsere Aufgabe als Kunsthalle. Aber das bedeutet nicht, diese Themen nicht zu verhandeln."
In einer Pressemitteilung erklärte die Kunsthalle, dass Familien in aller Welt neben positiven Erfahrungen auch Themen wie häusliche Gewalt, Zukunftsängste, Abtreibung, Kinderlosigkeit oder Femizide beschäftigen würden. Auch die Ausstellung von Sophia Süßmilch sei von diesen Themen geprägt. "Sie greift zur Thematisierung dieser Inhalte die Idee des 'Gebärstreiks' (immer wieder in der Gesellschaft thematisiert seit Ende des 19. Jahrhunderts) auf", schreibt die Kunsthalle. "Also, was ist, wenn Frauen keine Kinder mehr bekommen möchten."
Künstlerin Sophia Süßmilch wirft der CDU politisches Kalkül vor
Die Künstlerin Sophia Süßmilch hat "belustigt" auf die Vorwürfe gegen ihre Ausstellung reagiert und wirft der CDU ihrerseits "dreistes Framing" vor. In einem Interview bei NDR Kultur sagte sie, bei dem Angriff der CDU gehe es gar nicht um sie. Niemand von der CDU sei in der Ausstellung gewesen und es habe auch niemand mit ihr geredet. Süßmilch sieht hinter der Kritik vielmehr politisches Kalkül: "Die wollen seit zwei Jahren die Kunsthalle abschaffen. Die haben letztes Jahr jemand anderen als Kulturkampf-Spielball eingesetzt, und jetzt bin ich es nun mal. Da geht es überhaupt nicht um meine Kunst."
Kunsthalle Osnabrück setzt auf Dialog mit CDU
Die Kunsthalle setzt derweil auf Dialog. Man habe alle politischen Vertreter eingeladen und bereits erste Gespräche auch mit Vertretern der CDU geführt. In der kommenden Woche werde man sich zum Austausch in der Ausstellung treffen, so Pressesprecherin Osmanović.
Grüne kritisieren CDU
Rückendeckung bekommen die Ausstellungsmacher von der Stadtratsfraktion Grüne/Volt. Volker Bajus, Ratsfraktionschef von Die Grünen und Volt, findet: "Hier geht es nicht um die Kritik an der Kunst selber. Das steht Politik nicht zu. Das mögen Kunstkritiker machen oder die Besucher der Ausstellung. Aber nicht wir haben über Kunst zu urteilen. Deswegen kann ich es überhaupt nicht verstehen, dass die CDU zu einem Boykott, ja, sogar zu einer Schließung der Ausstellung aufruft."