Beschlüsse der ARD-Reform: Wie geht es weiter mit NDR Kultur?
Die Intendantinnen und Intendanten der ARD haben Veränderungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beschlossen. Anja Würzberg, Leiterin der Kulturredaktion im NDR, stellt die Veränderungen im Programm von NDR Kultur vor.
Die Intendantinnen und Intendanten der ARD sind am Donnerstag vor die Presse getreten und haben nach ihrer Sitzung beim SWR in Stuttgart erzählt, wie sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk, die ARD in Deutschland verändern soll. Es war von Kompetenzzentren und Gemeinschaftsredaktionen die Rede, es soll um Kulinarik und um Pool-Lösungen gehen, auch in der Kultur.
Frau Würzberg, was heißt das konkret für NDR Kultur?
Anja Würzberg: NDR Kultur möchte sich gerne in diesen Reformprozess reinstellen, und wir wollen für Sie ein noch besseres Programm herstellen als das, was Sie sowieso schon von uns gewöhnt sind. Das heißt konkret, dass wir gerne dafür sorgen wollen, dass die kulturjournalistische Berichterstattung, die wir Ihnen jeden Tag zur Verfügung stellen, nicht nur aus dem Gebiet Norddeutschland kommt, sondern dass wir Sie besonders am Abend mit den Highlights aus ganz Deutschland versorgen. Wir sind regional, wollen regional bleiben, wir legen einen großen Schwerpunkt auf die regionale Kulturberichterstattung, vor allem zwischen 8 und 20 Uhr - und danach kriegen Sie die Highlights aus der ganzen ARD von uns: Das Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks mit Sir Simon Rattle oder die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen aus der Elbphilharmonie - auf jeden Fall bekommen Sie von uns das Beste von allem.
Das heißt: Ab 20 Uhr ist jetzt immer ARD Radiofestival, so wie im Sommer.
Würzberg: Genau. Die treuen Hörerinnen und Hörer von NDR Kultur kennen das ja schon, dass wir ihnen im Sommer zehn Wochen lang auch schon eine Highlight-Berichterstattung und Highlight-Konzerte bieten können. Wir haben uns vorgenommen, dass wir das über das ganze Jahr ziehen, dass wir ab 20 Uhr den Hörerinnen und Hörern von NDR Kultur ein sehr hochwertiges Kulturprogramm zur Verfügung stellen, und das eng eingehakt mit den anderen Kulturredaktionen der ARD. Denn wir sind überzeugt davon: Gemeinsam sind wir stärker!
Es gibt Menschen, die auch umschalten und sagen: Heute bin ich bei BR Klassik, morgen höre ich hr2-kultur, der Donnerstag gefällt mir beim RBB Kulturradio am besten. Das geht dann nicht mehr, da hören diese Menschen dann zukünftig immer das Gleiche.
Würzberg: Ab 20 Uhr hören dann diese sehr treuen und für uns sehr wichtigen Hörerinnen und Hörer auf allen Klassikwellen das Gleiche - das ist richtig. Wir tun das, weil wir wissen, dass sich das Nutzungsverhalten von Hörerinnen und Hörern auch im Bereich Klassik und Kulturwellen verändert hat. Wir bieten ihnen inzwischen hochwertige Podcasts an, die sie dann hören können, wenn es für sie richtig ist. Deswegen möchten wir dieses Angebot gerne ausweiten. Denn wir wissen, dass viele Hörerinnen und Hörer sich inzwischen die Angebote, bei denen man zu einer bestimmten Uhrzeit einschalten muss - ob das eine Sendung über neue Musik ist oder eine Literatursendung -, aus der Audiothek holen. Da wollen wir unser Angebot verbreitern und vielfältiger gestalten, da wollen wir unsere Power reinstecken, weil wir in der ARD glauben, dass es richtig ist, Kultur noch größer zu denken.
Das Programmschema kennen wir noch nicht - gleichzeitig wissen wir, das Radio ein Gewohnheitsmedium ist: Wenn jemand künftig nicht mehr "Am Abend vorgelesen" zur gewohnten Zeit hört, könnte das verwirren, oder?
Würzberg: Absolut, das könnte verwirren. Uns ist es ganz wichtig, dass wir unser Angebot auf NDR Kultur aufrechterhalten. Alle Hörerinnen und Hörer sind für uns ganz wichtige Menschen, und wir wollen sie nicht enttäuschen. Deswegen gibt es jetzt auch keinen großen Knall, keine Mega-Reform, sondern wir wollen gucken, dass wir sie weiterhin, auch in einer Zeit, in der viele auf digitale Wege umgestiegen sind, gut versorgen. Wir wollen an der Qualität unserer Angebote nichts verändern, sondern wir wollen uns breiter aufstellen. Wir wollen auch die Menschen, die NDR Kultur bisher nicht kennen, auf anderen Ausspielwegen ansprechen, in der ARD Audiothek zum Beispiel, und wollen da dafür sorgen, dass unsere guten Inhalte, unsere gute Recherche, unsere musikjournalistische Expertise möglichst viele Menschen erreicht.
Gemeinschaftsredaktionen, Kompetenzzentren, es wird also auch eine zentralisierte Planung geben. Meinungsvielfalt und Kontroverse wird damit schwieriger, oder?
Würzberg: Diese Vielfalt ist uns wichtig, denn die ARD besteht aus regionaler Vielfalt, aus Meinungsvielfalt. Uns ist es wichtig, dass wir diese Meinungsvielfalt eher erhöhen. Das machen wir aber nicht, indem wir ein und dasselbe Buch acht Mal rezensieren, sondern das heißt, dass wir uns auch mal andere Bücher vornehmen und uns besser untereinander abstimmen. Eine Strukturfrage, die Hörerinnen und Hörer normalerweise gar nicht interessieren muss, aber wichtig für die ARD ist: Wir sind regionale, unabhängig voneinander arbeitende Landesrundfunkanstalten. Das bedeutet, dass wir jetzt stärker als bisher als Arbeitsgemeinschaft zusammenarbeiten wollen. Und indem wir uns eng miteinander abstimmen, unsere Expertise zusammenwerfen und die vielen klugen Köpfe überlegen, wie wir gemeinsam mehr erreichen können, erhoffe ich mir zum Beispiel für die Literaturrezensionen, dass unsere Bandbreite und unser Blick auf Literatur in Deutschland sich sogar noch erweitert.
Ab wann gilt das gemeinsame Programm aller Kulturprogramme ab 20 Uhr?
Würzberg: Es gibt jetzt erst mal eine Grundsatzentscheidung der Intendantinnen und Intendanten. Auf dieser Basis werden wir jetzt die praktischen Fragen miteinander klären - und das sind eine Menge Fragen. Wir haben uns fest vorgenommen, jetzt nicht zu trödeln, denn wir wissen, was wir unserem Publikum schuldig sind. Wir werden im ersten Halbjahr 2024 mit diesen Gemeinschaftsredaktionen, mit diesen Pool-Lösungen anfangen, Erfahrungen sammeln und werden dann auf dieser Ebene immer weiter miteinander arbeiten und unser Programm für unsere Hörerinnen und Hörer weiter optimieren.
Das Interview führte Mischa Kreiskott.