Analyse: Warum brechen so viele Lehramtsstudierende ab?
Fast die Hälfte aller Lehramtsstudierenden bricht die Ausbildung ab - entweder schon im Studium oder vor dem Referendariat. Diesen großen Schwund illustriert eine neue Studie. Wie lässt sich der Lehrkräftemangel aufhalten?
Schon jetzt fehlen in mehr als der Hälfte aller Schulen Lehrer und Lehrerinnen. Die 35.000 Stellen, die jährlich frei werden, lassen sich selbst mit den durchschnittlich 50.000 Lehramtsstudierenden nicht füllen, denn Zehntausende von ihnen brechen ab. Wann genau sie das Studium verlassen, zeigt nun erstmals eine Analyse des Stifterverbands, der sogenannte Lehrkräftetrichter.
Etwa ein Drittel der Lehramtsstudierenden bricht ab
Bettina Jorzik leitet den Programmbereich Hochschullehre, Lehrkräftebildung und Diversität im Stifterverband, der sich für das Bildungs- und Wissenschaftssystem einsetzt: "Wir haben herausgefunden, dass von durchschnittlich mehr als 50.000 Studienanfängerinnen und -anfängern nach relativ kurzer Zeit nur 32.000 übrig sind. Über die Gründe kann man nur spekulieren, weil es keine lehramtsspezifischen Untersuchungen gibt. Es gibt nur allgemeine Untersuchungen zum Schwund an Hochschulen."
Es entscheiden sich also um die 20.000 Studierende - knapp ein Drittel - schon nach den ersten Semestern gegen das Lehramt. Warum sie dies tun, müsste viel besser analysiert werden, so der Stifterverband, der die großen Forschungs- und Datenlücken in diesem Bereich kritisiert.
Zu wenige Studierende, Quer- und Seiteneinsteigende
Weitere 4.000 brechen bis zum Ende des Referendariats ab, sodass nur noch um die 28.000 ihren Abschluss erreichen. Später stoßen nicht genügend andere hinzu, um diese Verluste wieder wettzumachen - auch nicht Quer- oder Seiteneinsteigende.
Bei diesen Trends drohe Deutschland ein Bildungsnotstand warnt der Stifterverband und plädiert dafür, den Zugang zum Lehramt flexibler zu gestalten. "Es muss alles dafür getan werden, neue Zielgruppen zu erschließen. Das wird nur gelingen, wenn man auch weitere Zugangswege in den Lehrerberuf eröffnet", sagt Jorzik.
Auswirkungen des Lehrkräftemangels auf die Gesellschaft
Auch in anderen Studiengängen gibt es hohe Abbruchquoten, aber der Schwund an Lehramtsstudierenden hat gravierende Folgen für Schulen und die Gesellschaft als Ganzes, meint Bettina Jorzik vom Stifterverband: "Etwa 20 Prozent erreichen nicht minimale Kompetenzen im Lesen, Schreiben, Rechnen. Wir sind eine Technologienation. Wir brauchen mehr Nachwuchs in den MINT-Fächern. Wenn wir keine Lehrkräfte dafür haben, findet dieser Unterricht nicht in der Qualität statt, in der er stattfinden muss, weil die vorhandenen Lehrkräfte gar nicht die Zeit haben, sowohl die besonders leistungsschwachen, als auch die besonders leistungsstarken Schüler individuell zu fördern."