Corona-Verschwörungen von Extremisten haben Zulauf
Die einen verfolgen täglich die neuesten Nachrichten zur Corona-Krise, versuchen, sich an die Maßnahmen zu halten, und vertrauen im Großen und Ganzen dem, was die Regierung entscheidet. Die anderen stellen alle wissenschaftlichen Erkenntnisse infrage und basteln sich teilweise irre Theorien zusammen. In den sozialen Medien und inzwischen auch auf der Straße kursieren immer mehr Verschwörungstheorien aus extremistischen Netzwerken.
Julia Ebner ist Extremismus- und Terrorismus-Forscherin am Institut für strategischen Dialog in London. Sie berät Regierungen zur Radikalisierungsprävention sowie NATO, UNO und Weltbank im Bereich Online-Extremismus. Mit Fake-Identitäten recherchiert die Österreicherin in den versteckten Ecken des Internets und hat auch schon Bücher zum Thema geschrieben. In der aktuellen Krise sieht sie eine zunehmende Verbreitung von Falschmeldungen: "Es zeigt sich, dass einige der Verschwörungstheoretiker-Communitys mittlerweile eine riesige Reichweite erreichen, weil sie es schaffen, die Ungewissheit für ihre Zwecke auszunutzen. Sie schaffen es, Informationslücken mit Falschmeldungen zu füllen und an ihre Ideologien und Narrative zu knüpfen."
Verschwörungstheorien rund um das Coronavirus
Es ist eine Mischung aus Impfgegnern, Links- und Rechtsradikalen, Holocaust-Leugnern und Identitärer Bewegung. Es wird gehetzt gegen Muslime, Migranten und Juden. Die einen würden Flüchtlingen die Schuld an der Ausbreitung des Virus in die Schuhe schieben, weil sie sich nicht an die Beschränkungen halten würden. Die anderen machten die 5G-Technologie verantwortlich für die Todeszahlen und bestritten gar die Existenz des Virus.
"Es kommen Verschwörungstheorien aus dem gesamten ideologischen Spektrum", sagt Extremismus-Forscherin Julia Ebner. "Impfgegner zum Beispiel, die davon ausgehen, dass die großen Pharmakonzerne dahinter stecken oder auch die Anti-Kapitalistischen- oder Anti-Eliten-Verschwörungstheoretiker, die denken, dass die Banken sich verschworen haben und versuchen, wirtschaftliche Profite aus der Krise zu ziehen. Oder auch, dass die großen philanthropischen Investoren dahinter stecken und Profit machen wollen."
Die Gefahr: Zulauf für rechtsextreme Bewegungen
Eine große Gefahr bestehe aber darin, dass wir übersehen könnten, dass vor allem rechtsextreme Bewegungen gerade Zulauf erhalten, befürchtet Julia Ebner. Forscher seien im Moment überfordert, den ganzen Falschmeldungen zu folgen. "Die WHO hat das auch als eine 'Infodemie' bezeichnet, zusätzlich zur Pandemie. Das ist eine Desinformations-Pandemie", so Ebner.
Während große Plattformen wie Facebook oder Twitter sich schon bemühen, verfassungsfeindliche Inhalte zu löschen, wäre es wichtig, auch die kleineren Kanäle im Blick zu behalten, appelliert die Extremismusforscherin. Auch dort würde sehr viel Hass verbreitet.
Schwierige Prognose zu längerfristigen Auswirkungen
Was kann helfen? Aufklärung und Gegenhalten? Eigentlich sind wir ja bislang ganz gut durch die Krise gekommen und die Regierungen von Deutschland und Österreich haben ganz vernünftig gehandelt und informiert. Das bestätigt auch Julia Ebner: "Es ist schwierig, eine Prognose zum jetzigen Zeitpunkt abzugeben, weil eben so viele parallele Dynamiken zu beobachten sind. Einerseits dieser Hass, der sich weiterentwickelt, andererseits gibt es natürlich auch immer mehr Solidarität. Und das betrifft auch die Solidarität oder das Vertrauen in die Regierung. Und das kann auch dazu führen, dass es längerfristig positive Effekte hat."
After Corona Club: Gesprächsformat mit Anja Reschke
Im After Corona Club spricht Anja Reschke mit Fachleuten aus Psychologie, Wirtschaft, Soziologie, Politik, Medizin und weiteren Wissenschaften. Der Debattierclub über unsere Zukunft. Diskutieren Sie mit! Übrigens: Den After Corona Club gibt es auch als Audio-Podcast.