Corona-Krise als Chance zum Umdenken
In den vergangenen Wochen sind die Menschen mit weniger ausgekommen: weniger Konsum, weniger Autofahren, weniger Reisen. Hat sich der Blick der Menschen auf unsere Wirtschaft und Gesellschaft gewandelt? Kann sich etwas ändern? Politökonomin Maja Göpel sieht jetzt die Chance für den Umbau zu einer nachhaltigen Wirtschaft.
"Ich habe das Gefühl, dass das der Moment ist, wo wir anders über die Dinge nachdenken können - was wirklich wichtig ist im Leben, aber auch in der Politik", sagt Maja Göpel, Politökonomin. Sie ist Transformationsforscherin, Nachhaltigkeitsexpertin und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung im Bereich Globale Umweltveränderungen.
"Wir haben immer nach dieser ökonomischen Effizienz gestrebt und nach immer mehr Geld und Dingen, die wir besitzen möchten", so Maja Göpel. Die Zeit der Corona-Krise könnte der Moment sein, darüber nachzudenken, wie wir den Kompass neu ausrichten könnten auf das, was wirklich wichtig ist: auf mehr Lebensqualität, auf "Zeitwohlstand". "Aber dann bitte bei geringstem ökologischen Fußabdruck, wie wir das aus der Nachhaltigkeitswissenschaft natürlich gerne hätten".
Zukunftsfähigkeit als Bedingung für Corona-Hilfen?
Bei den Hilfsmaßnahmen für Unternehmen dürfe man jetzt nicht die langfristigen Ziele aus den Augen verlieren, den Wandel in eine nachhaltigere Wirtschaft: Klimaschutzprogramme oder der Umbau in eine Kreislaufwirtschaft - die Pläne lägen längst vor. Doch wenn es um finanzielle Hilfen geht, hört man gerade die Automobil- und Flugzeugbranche am lautesten rufen.
"Wir dürfen nicht vergessen, dass genau diese Geschäftsmodelle ja schon vor der Krise angezählt waren", kritisiert Göpel. "Es war völlig klar, dass sie sich transformieren müssen, dass der Automobilsektor nicht zukunftsfähig ist." Auch Wachstumsraten von fünf Prozent mehr Flügen jedes Jahr seien kein Geschäftsmodell, dass zukunftsfähig wäre. Ihr Plädoyer: Wenn Kapital aus der öffentlichen Hand verwendet wird, um die Wirtschaft zu retten, darf es keinen Blankoscheck geben. Maja Göpel fordert Verbindlichkeiten wie eine CO2-Reduktionsstrategie und ein Konzept für ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell.
Positive Lehren aus der Corona-Krise
Eine positive Erfahrung aus der Corona-Krise: Wir konnten sehen, dass die Kurve der Infektionszahlen durch konkrete Maßnahmen abgeflacht wurde, dass wir durch unser Verhalten etwas ändern können. Eine Erkenntnis, eine Aufbruchstimmung, auf die Maja Göpel auch bei der Klimakrise hofft.
Gleichzeitig sieht sie auch den Moment gekommen, über unseren "Konsumwahnsinn" nachzudenken. "Die Wirtschaft liegt offiziell am Boden, und trotzdem ist die Versorgungssicherheit in Deutschland gewährleistet. Hier hungert keiner. Elektrizität funktioniert, die Mobilität funktioniert, Gesundheitsversorgung funktioniert und trotzdem sagen wir: Die Wirtschaft ist quasi ausgeschaltet. Das kann uns zu denken geben, dass wir eigentlich gar keine Sorge darüber haben müssten, wenn wir uns mal ein bisschen weniger wirtschaftliche Aktivität vornehmen."
Konsum überdenken
Ist es sinnvoll, Dinge zu produzieren, die wir eigentlich gar nicht brauchen? In den letzten Wochen haben viele von uns gemerkt, dass wir eigentlich auch mit weniger auskommen. Weniger Autofahren, weniger Reisen, weniger Konsum. "Brauchen wir wirklich die 723. Variante einer Zahnpasta?", fragt Göpel.
Maja Göpel sieht in der Krise eine Chance zum Umdenken: "Diese Sinnfrage jetzt wirklich ernst zu nehmen und zu sagen: Wir können das doch viel besser. Das wäre doch jetzt eine Aufbruchstimmung, die auch aus so einer Krisenhaftigkeit etwas ganz Positives mit sich bringt."
After Corona Club: Gesprächsformat mit Anja Reschke
Im After Corona Club spricht Anja Reschke mit Fachleuten aus Psychologie, Wirtschaft, Soziologie, Politik, Medizin und weiteren Wissenschaften. Der Debattierclub über unsere Zukunft. Diskutieren Sie mit! Übrigens: Den After Corona Club gibt es auch als Audio-Podcast.