Abschied von der Post-Pyramide
Eine Pyramide sieht ja eigentlich anders aus. Aber der Volksmund nimmt es nicht so genau. Und so heißt das riesige Post-Gebäude in der Hamburger City Nord seit jeher Post-Pyramide. Seit 40 Jahren prägt der Beton-Bau die Bürostadt, die europaweit als ein Unikat gilt. Aber nun wird die City Nord ihr markantestes Gebäude verlieren: Seit Anfang März laufen die Vorbereitungen für den Abbruch: Die Bauzäune um das Gelände herum stehen, Bäume werden gefällt. Zunächst steht die Schadstoff-Sanierung des 70er-Jahre-Baus an. Und die haustechnischen Anlagen im Inneren werden entfernt. Frühestens ab dem Sommer wird der Abriss dann auch von außen zu sehen sein: wenn das Ensemble nach und nach dem Erdboden gleichgemacht wird. Die einen freuen sich, dass der marode Beton-Gigant verschwindet und Hunderte Wohnungen entstehen, andere trauern um den "Brutalismus"-Bau.
Chronik eines angekündigten Abrisses
Unbestritten ist: Die Post-Pyramide hat ihre besten Jahre längst hinter sich. Seit 1977 hatten mehr als 1.400 Post-Beschäftige ihren Arbeitsplatz in der Zentrale der Oberpostdirektion Hamburg, die für weite Teile Norddeutschlands zuständig war. Aber das ist lange her. Die Deutsche Post verkaufte das Gebäude 2005. Sie brauchte den riesigen Bürobau nicht mehr. Aus der Behörde war ein privates Unternehmen geworden. Einige Abteilungen mussten noch in der Post-Pyramide ausharren, während der Verfall weiter fortschritt.
Im Sommer 2011 kam es sogar zu einer vorübergehenden Zwangsräumung wegen mangelnder Brandschutzmaßnahmen. Im Dezember 2015 war dann endgültig Schluss: Die letzten verbliebenen 150 Post-Mitarbeiter zogen aus. Seitdem freut sich die Polizei über das leer stehende Gebäude: Sie übt mit Spezialeinheiten in den verwaisten Etagen.
Etliche Umbau-Pläne gescheitert
So mancher Architektur-Fan hätte sich einen Erhalt der Post-Pyramide gewünscht. Das Gebäude steht mit seiner kompromisslosen Beton-Fassade für den Architekturstil des Brutalismus. Das Gebäude selbst steht zwar nicht unter Denkmalschutz, aber die City Nord als Ensemble. "Somit haben wir die Post-Pyramide als Teil des City-Nord-Ensembles immer als schutzwürdig angesehen", sagt Hamburgs Oberbaudirektor Jörn Walter. Es habe ja auch mehrere Versuche gegeben, die Post-Pyramide zu retten. "Aber leider sind alle Investoren durch die hohen Kosten abgeschreckt worden", sagte Walter im Gespräch mit NDR.de.
In der Tat sollte die Post-Pyramide nach dem Verkauf im Jahr 2005 nicht abgerissen werden. Der neue Investor verfolgte andere Pläne. Für ein Hotel sollte der Komplex umgebaut werden. Auch eine Fitnessclub-Kette zeigte Interesse an den Flächen. Aber aus diesen Vorhaben wurde nichts. Auch die jüngste Idee, in dem ungenutzten Bau Flüchtlinge unterbringen, zerschlug sich schnell.
"Abriss absolut nachvollziehbar"
Wäre eine Sanierung machbar? Ja, meint zumindest Architektur-Experte Marco Alexander Hosemann. Er ist Vorsitzender des City-Hof e.V. und engagiert sich seit einigen Jahren für den Erhalt der City-Hochhäuser am Hauptbahnhof - und auch für eine Rettung der Post-Pyramide. "Wenn man es wirklich gewollt hätte, hätte man die Post-Pyramide sanieren können", zeigt er sich überzeugt. Asbest, Brandschutz-Probleme und veraltete Raumschnitte seien für sich genommen kein Grund für einen Abbruch. Aber wie ist es um die Bausubstanz bestellt? Bernd Leusmann hat die Post-Pyramide im Jahr 2003 für ein Gutachten eingehend untersucht. Sein Fazit: "Die Beton-Qualität ist einfach nicht gut. Schon damals wurde der Abriss empfohlen", sagt Leusmann im Gespräch mit NDR.de. "Und auch aus heutiger Sicht ist ein Abriss absolut nachvollziehbar."
520 Wohnungen sollen entstehen
Schließlich verkaufte der Investor das Ensemble im Frühjahr 2016 weiter. Da war der Abriss schon beschlossene Sache und das Neubau-Projekt "Ipanema" vorgestellt. Nun wollen der Projektentwickler Hamburg Team, der Berliner Immobilienentwickler Christmann sowie der Bauträger Otto Wulff das Vorhaben umsetzen - und dafür rund 200 Millionen Euro ausgeben.
Eine Sanierung halten sie für nicht sinnvoll. Es seien enorm hohe Summen erforderlich, um den Bürobau für heutige Arbeitsplatz-Anforderungen umzubauen. So seien die Geschosse zu niedrig, die Fenster ließen sich nicht öffnen und das Lüftungssystem sei nicht mit dem Brandschutz-Bestimmungen zu vereinen, sagt Sven Grützmann von Hamburg Team.
Stattdessen ist auf dem Gelände das erste große Wohnbauprojekt in der City Nord seit Jahrzehnten geplant. 520 Wohnungen sollen in den kommenden Jahren entstehen - im typischen Hamburger Drittel-Mix. Also mit einem Drittel geförderter Wohnungen, einem Drittel "normaler" Mietwohnungen und einem Drittel Eigentumswohnungen. Darüber hinaus ist ein Büroturm geplant, zudem eine Kita und eine "Nahversorgung" mit Bäckerei.
Am Abend wie eine Geisterstadt
Die Pläne für die neuen Wohnhäuser muten wie ein Fremdkörper in der City Nord an. Denn familienfreundliches Wohnflair kann die Bürostadt mit den breiten Straßen nicht bieten. Wenn die rund 30.000 Angestellten Feierabend haben, wirkt die Gegend meist wie eine Geisterstadt. Es gibt bislang zwar 250 Wohnungen in dem Quartier. Aber diese gehen inmitten der Büro-Riesen unter. Grützmann glaubt daran, dass die neuen Wohnungen auf dem Gelände der Post-Pyramide auf Interesse stoßen werden. "Die zentrale Lage ist sicher ein Vorteil." Zudem sei der Stadtpark zu Fuß in nur fünf Minuten zu erreichen. Und der Projektentwickler weist daraufhin, dass mit dem Pergolenviertel am Rande der City Nord ein weiteres großes Wohngebiet entsteht - mit rund 1.400 Wohnungen.
Auch der oberste Stadtplaner sieht kein Problem, dass mehr Wohnungen in der City Nord errichtet werden. "Ich bin Anhänger einer Durchmischung", sagt Oberbaudirektor Walter. Aber der Grundcharakter dürfe sich nicht verändern: "Die City Nord ist und bleibt eine Bürostadt mit großen Solitärgebäuden!"
"Der Verfall hat dem Image der City Nord nicht gutgetan"
Im Viertel stoßen die Neubau-Pläne auf große Zustimmung - vor allem, weil mit dem Abriss der Post-Pyramide ein Schandfleck verschwinde. So sehen es zumindest viele in der Nachbarschaft. "Die Pläne für das Gelände bewerten wir als absolut positiv", sagt Sylvia Soggia. Sie ist Quartiersmanagerin und vertritt die GIG City Nord GmbH - eine Interessenvertretung der Eigentümer und Unternehmen im Viertel. "Der Verfall der Post-Pyramide hat dem Image der City Nord nicht gutgetan", meint Soggia.
Der Wandel begann Anfang der 2000er-Jahre
Die City Nord erlebe eine Renaissance. "Bereits seit Anfang der 2000er-Jahre hat sich viel getan", sagt Soggia. Etliche Gebäude sind saniert worden, bei anderen rückten die Abrissbagger an. So wurde Ende 2014 an der Ecke Überseering/ Jahnring das alte BP-Gebäude abgebrochen - ein weiteres architektonisches Juwel in der City Nord. Auf dem Gelände steht nun ein neuer Hotelturm. Mit 18 Geschossen und einer Höhe von 60 Metern ist er das höchste Gebäude der City Nord. Eröffnet wird das Hotel der Kette Holiday Inn im Spätsommer 2017.
"Die Lage ist einfach super"
Viele Unternehmen wollten nicht mehr weg aus der City Nord, sagte Quartiersmanagerin Soggia. "Die Lage ist einfach super." Der Flughafen sei um die Ecke, die Autobahn nicht weit entfernt. Zudem sei es wesentlich einfacher als in der Innenstadt oder Hafencity einen Parkplatz zu finden. Auch der Oberbaudirektor findet: Die City Nord habe sich seit ihrer Krise Ende der 90er-Jahre wieder gefangen. Damals galten viele Gebäude - auch aufgrund der hohen Energiekosten - als überholt. Die Post-Pyramide ist in der City Nord nun das letzte Relikt aus einer anderen Zeit. In Kürze wird der Beton-Gigant nur noch auf Fotos zu sehen sein.