25 Jahre Harry Potter: Was macht die Fantasy-Reihe so originell?
Vor 25 Jahren ist der erste "Harry Potter"-Band auf Deutsch erschienen. Weltweit wurden mehr als 500 Millionen Exemplare verkauft. Dass ein Kinderbuch Menschen auf der ganzen Welt und jeden Alters so begeistert, ist einzigartig. Was steckt hinter dem Hype?
Ein Gespräch mit NDR Redakteurin und Harry-Potter-Fan Katharina Mahrenholtz.
Ist "Harry Potter"-Autorin J.K. Rowling ein Genie? Oder hat sie ihre Bücher einfach gut vermarktet?
Katharina Mahrenholtz: Darüber gibt es unterschiedliche Meinungen. Ich würde mit "Genie" gehen, wobei "Genie" ein großes Wort ist. Aber J.K. Rowling ist auf jeden Fall eine sehr kluge Frau. Sie hat Französisch und Altertumswissenschaften studiert und sie liebt Shakespeare. Es gibt übrigens viele Shakespeare-Anspielungen in "Harry Potter", angefangen bei Hermine, die nach der Heldin von Shakespeares "Wintermärchen" benannt wurde. Das ist ein Grund für den anhaltenden Erfolg: dass diese sieben Bände voller Anspielungen stecken, voller Rätsel, voller Sprachwitz, lauter Elemente, die erst bei mehrmaligem Lesen oder in der Diskussion mit anderen Fans auffallen. Ein weiteres Beispiel ist Draco Malfoy, der böse Gegenpart von Harry Potter. Draco, lateinisch für "Drache" oder "Schlange" und "Malfoy" ist ein altfranzösischer Ausdruck für "Arglist".
Das alles ist einfallsreicher als ein Zauberbesen, der "Kartoffelbrei" heißt.
Mahrenholtz: Eben. "Harry Potter" ist wirklich alles andere als ein eindimensionales Fantasy-Buch. Es ist eine genial komponierte Reihe, in der man - und das ist das Coole - in Band eins schon Hinweise auf das Ende findet, die man aber erst enträtseln kann, wenn man Band sieben gelesen hat. Im Grunde kann man also nach Band sieben noch mal von vorn anfangen und alles mit anderen Augen lesen. Diese Komplexität ist ein Grund für den Erfolg. Es fängt als normales "Kinderbuch" an und wird dann immer vielschichtiger. Und die letzten Bände sind eigentlich gar keine Kinderbücher mehr.
Aber die ersten werden auch von Erwachsenen gelesen, etwa meiner Mutter.
Mahrenholtz: Diese "Harry Potter"-Euphorie ging so richtig ab Band drei los, als die Leute vor den Buchläden übernachtet haben, vor allem auch nach dem ersten Film. Da wurden wirklich alle auf diese Bücher aufmerksam, auch Erwachsene. Deswegen gilt "Harry Potter" auch als erstes "All-Age-Buch" und auch als erstes Buch des bis heute ungebrochenen Fantasy-Trends. Es gab natürlich schon vor "Harry Potter" Fantasy - "Herr der Ringe", "Die unendliche Geschichte" -, aber es war kein Genre, das im Kinderbuch eine große Rolle gespielt hat.
Also gut komponiert, viel Raum für Rätselraten, Anspielungen, geeignet für jedes Alter, neues Genre - sind das die wichtigsten Gründe für den Erfolg?
Mahrenholtz: Das reicht eigentlich schon, oder? Aber es kommen tatsächlich noch ein paar andere Sachen dazu: natürlich die unglaubliche Fantasie der Autorin, mit der sie diese neue Welt geschaffen hat, liebevoll bis ins kleinste Detail. Als ich den ersten Band gelesen habe - damals war ich auch schon erwachsen -, dachte ich: Okay, gutes Kinderbuch, aber warum drehen jetzt alle so durch? Und J.K. Rowling hatte mich dann mit Quidditch, dieser Zauberer-Sportart, die man auf Besen fliegend ausübt, ein bisschen wie Rugby, aber doch ganz anders. Da dachte ich: Wenn eine Autorin eine komplett neue Sportart mit allen Regeln erfinden kann, dann hat die wirklich ein außergewöhnliches Talent.
Dann ist da noch dieses Internats-Ambiente, das schon immer gut funktioniert hat, Stichwort: "Hanni und Nanni". Hier werden aber mit Hogwarts absolut neue Dimensionen erreicht, mit den einzelnen Häusern, mit verschiedenen Wappen, jedes Haus hat einen eigenen Geist, eine eigene Gründerin oder Gründer. Und aus all diesen Sachen entspinnen sich diese vielen Handlungsstränge durch die ganze Reihe. Last but not least ist Harry Potter eine klassische Heldenreise: Ein Außenseiter muss sich beweisen, Aufgaben lösen, Abenteuer durchstehen, und am Ende steht er als Sieger da - aber durch diese Reisen verändert.
Also ist der Hype Deiner Meinung nach berechtigt?
Mahrenholtz: Ich finde, ja. Man kann natürlich beklagen, dass sehr viele Menschen sehr viel Geld damit verdienen. Aber andererseits setzt ja genau dieser Hype so viel Fantasie frei, gerade bei Kindern, die sich dann verkleiden, überlegen, in welches Haus sie vielleicht am besten gehören und Harry-Potter-Gerichte nachkochen. Am Ende muss man diese teuren Merchandise-Artikel auch nicht kaufen - man kann sie gebraucht kaufen oder selber machen. Ich finde das Strahlen eines Fans, wenn er oder sie seine erste Harry-Potter-Schuluniform bekommt, unbezahlbar. Das hat diese Reihe einfach geschafft.
Du hast beschrieben, dass die Bücher komplexer werden. Wollte sie mit dem Publikum mitwachsen? Oder hat sie beim Schreiben selber Schreiben gelernt?
Mahrenholtz: Das ist schwer zu sagen. Ich weiß, dass sie die ganze Reihe konzipiert hatte, bevor sie den ersten Band geschrieben hat. Harry ist am Anfang ein elfjähriges Kind und es ist klar, dass alles, was er schafft, was er denkt und macht, nicht so komplex ist wie am Ende als Jugendlicher. Und natürlich hat sie auch ein bisschen schreiben gelernt. Das war ihre erste Veröffentlichung, und das passiert automatisch, dass man immer besser wird. Aber man kann auch schon im ersten Teil das Talent erkennen.
Das Interview führte Mischa Kreiskott.