Pikant: Regierungsbeamter seit Jahren an VW ausgeliehen
Es sind Sätze, die man von der Bundesregierung oft hört. Vor zwei Wochen betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Bundestag wieder einmal die kritische Distanz zu VW und zur Automobilindustrie mit den Worten: "Es ist unsere Aufgabe, der Industrie zu sagen, Ihr müsst verloren gegangenes Vertrauen selber wieder gut machen. Das ist nicht die Aufgabe der Politik."
Was passierte während der VW-Affäre?
Doch beim Auswärtigen Amt scheint man dies in den letzten Jahren etwas anders gesehen zu haben. Denn der Leiter der Abteilung "Internationale und Europäische Politik" Jens Hanefeld ist zugleich Beamter des Auswärtigen Amtes. Das ergaben Panorama Recherchen. Jens Hanefeld arbeitet seit 2014 als Lobbyist für den VW-Konzern. Dafür hat ihm das Auswärtige Amt Sonderurlaub genehmigt.
Auch während der VW-Affäre lief ein Teil der Kommunikation zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Autokonzern über Hanefeld. Dies belegen verschiedene E-Mails aus dem September 2015, die Panorama vorliegen. Anlass des Mailwechsels war unter anderem ein bevorstehendes Treffen zwischen dem damaligen Außenminister Frank Walter Steinmeier und seinem US-Kollegen John Kerry kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe am 18. September 2015.
Das Auswärtige Amt schreibt in einer Mail an VW:
Lieber Herr Steg, lieber Jens, (…) Wir brauchen sehr eilig eine Stellungnahme von VW (…). Zumindest kurze Sprachregelung.
Und in einer weiteren Mail heißt es:
Wir haben den Leiter Regierungsbeziehungen bei Volkswagen und unseren Kollegen Jens Hanefeld befasst, der sich dort um den Fall kümmern soll.
Kritik von Opposition und "Abgeordnetenwatch"
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen Oliver Krischer kritisiert die Personalie Hanefeld: "Also das muss man sich mal vorstellen, was da passiert ist. Da wird ein Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes beurlaubt und ist jetzt Cheflobbyist des Automobilkonzerns, der den größten Industrieskandal in der Geschichte der Bundesrepublik verursacht hat." Es zeige sich, dass die Bundesregierung keine Distanz zur Automobilindustrie habe, sondern man sich quasi als eine Einheit sähe.
Auch Gregor Hackmack von "Abgeordnetenwatch.de" sieht den Fall kritisch: "Man kann bei dieser Affäre schon fragen, ob das im Interesse der Allgemeinheit ist. Denn am Ende sind viele Tausend Menschen geschädigt und betrogen worden in Deutschland und USA. Und da gehört es sich für die Regierung, Abstand zu halten und nicht noch sozusagen die eigenen Mitarbeiter auszuleihen beziehungsweise in den Sonderurlaub zu schicken, um für Konzerne zu arbeiten."
Kein Problem für Auswärtiges Amt und VW
Das Auswärtige Amt sieht in der Personalie Hanefeld indes kein Problem. Eine Sprecherin teilte auf Anfrage mit, zum Austausch von Beamten mit der Wirtschaft gebe es klare Regelungen, die eingehalten werden. "Es ist auch ein Instrument, um das Kennenlernen zwischen wirtschaftlichem und ministeriellem Tätigwerden zu regeln. Und das ist eigentlich auch in diesem Fall der Fall."
Allerdings hat der Gesetzgeber für einen solchen Austausch in der Regel nur einen Sonderurlaub von drei Monaten vorgesehen. Sonderurlaub für mehr als drei Monate wird laut der "Verordnung über den Sonderurlaub für Beamtinnen und Beamte" nur in "besonders begründeten Fällen" gewährt. Das Auswärtige Amt sieht die besondere Begründung für den jetzt schon über vier Jahre andauernden Sonderurlaub Hanefelds in der "Steigerung der Kompetenzen im Außenwirtschaftsbereich, der Außenwirtschaftsförderung sowie zum gegenseitigen Verständnis von Wirtschaft und Auswärtigem Amt."
VW wies gegenüber Panorama darauf hin, "dass Herr Hanefeld für seine derzeitigen Aufgaben bei der Volkswagen AG vom Auswärtigen Dienst beurlaubt ist und in dieser Zeit selbstverständlich keine hoheitlichen Funktionen ausübt."
Hanefeld schweigt
Jens Hanefeld trat 1991 als Attaché in den Auswärtigen Dienst. Er war von 2005 bis 2009 Leiter des Büros der Staatssekretäre im Auswärtigen Amt und von 2009 bis 2014 Gesandter und Ständiger Vertreter des deutschen Botschafters in Washington. Zu VW ging Hanefeld im Februar 2014 zunächst als Leiter der Abteilung "Konzern Außenbeziehungen International". Inzwischen ist er dort Leiter "Internationale und Europäische Politik" und hat kommissarisch die Aufgaben vom VW-Cheflobbyisten Thomas Steg übernommen. Steg ist nach dem Skandal um Tierversuche bei VW im Januar derzeit noch beurlaubt.
Jens Hanfeld wollte sich gegenüber Panorama nicht äußern.