Ein Mann in einem blauen Karate-Anzug liegt auf dem Boden und reckt die Fäuste in die Luft © imago images Foto: Ralf Kuckuck

Vom TSV Rendsburg nach Paris - Judoka Lennart Sass will Gold

Stand: 26.08.2024 13:49 Uhr

Vor acht Jahren verlor der Rendsburger Lennart Sass durch eine Krankheit sein Augenlicht. Bei den Paralympischen Spielen in Paris zählt der Judoka zu den Medaillenfavoriten. Er geht am 6. September auf die Matte.

von Philipp Eggers

Beim TSV Rendsburg sind sie stolz auf ihn: Lennart Sass, der als Kind hier auf der Matte gestanden hatte, tritt bei den Paralympics an. Doch vorher trainiert er mit seiner früheren Truppe, darunter Jens Lehmann, der ihn als fünfjährigen Jungen schon trainiert hat. "Hier habe ich angefangen, hab als kleiner Butscher auf der Matte gestanden", erzählt der 24-jährige Sass. Das Besondere an seiner Geschichte: Damals konnte Lennart Sass noch sehen.

Sehprobleme im Sommerurlaub

Mit 16 Jahren, im Sommerurlaub, fingen seine Sehprobleme an. "Es wurde Tag für Tag schlechter", erinnert sich Lennart Sass, "bis ich dann keine Nummernschilder, Augen und so weiter mehr wahrnehmen konnte." Innerhalb kürzester Zeit schwindet seine Sehkraft. "Der Befund war, als ich dann zurückflog, fünf Prozent, und am nächsten Tag vier Prozent Sehkraft und immer noch wusste kein Arzt, was mit meinem Augenlicht geschieht."

Seltene Erbkrankheit ist Schuld

Heute weiß er: Eine seltene Mutation der Erbkrankheit LHON ist Schuld. Seine Sehkraft liegt bei null Prozent. Unterkriegen lässt der damals 16-Jährige sich aber nicht. Einige Wochen später besucht er seine alte Klasse wieder, schafft in der alten Umgebung sein Abitur. Sein Vater erinnert sich an die damalige Zeit: "Ich habe immer gedacht, hast du nicht mal in deinem Bett gelegen und geweint, weil du erblindet bist? Das ist doch ein Riesenschicksalsschlag." Nein, habe Lennart ihm gesagt: "Das ist mein Schicksal, das muss ich jetzt annehmen."

Judo-Sportler Lennart Sass im Wettkampf. © IMAGO Foto: Ralf Kuckuck
Lennart Sass hat sich als Judoka bis nach Paris gekämpft.
Judo statt Handball

Handball, der Sport, den er direkt bis zur Erblindung gespielt hatte, muss Lennart aufgeben. Stattdessen fängt er wieder mit dem Judo an. Der Sport, den er sehend bis zum grünen Gürtel betrieben hat. "Ich bewundere das", sagt sein Jugendtrainer Jens Lehmann, "dass er sich da so einfach hinstellt und sagt, ich mache das." Als Lennart Sass nach seiner Erblindung wieder mit dem Judo anfangen wollte, musste er sich als Trainer erst mal informieren. "Ich habe in Hannover mit jemandem wegen Blindensport telefoniert und habe gefragt, was ich beachten muss. Und der junge Mann am Telefon sagte: Wissen Sie was? Lassen Sie ihn kommen und fragen ihn, was er braucht."

Der Wunsch nach Normalität - mit Judo und Jura

Vor allem, sagt Lennart Sass, brauchte er damals Normalität. Auf der Matte findet er die, wird schnell besser. Kämpft sich in die Weltspitze, holt Medaillen bei Welt- und Europameisterschaften. Beim letzten Grand Prix vor den Spielen in Tiflis im Mai dieses Jahres gewinnt er Silber. Normalität findet er aber auch in Heidelberg, der Stadt, in der er am Olympia-Stützpunkt trainiert. Dort studiert er Jura, führt ein selbstbestimmtes Leben. Wer ihn erlebt, bemerkt häufig erst mal nicht, dass Lennart nicht sehen kann. "Der Weg auf die Matte, dieses Selbstständige im Alltag, ist mindestens genauso herausfordernd, wie erfolgreich zu werden", sagt er dennoch.

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Sportlich liegt sein ganzer Fokus auf den paralympischen Spielen - selbst ein Schlüsselbeinbruch im Mai hält ihn nicht auf. Seine Familie und Freunde unterstützen ihn vor Ort, wie seine Mutter Astrid erzählt: "Wir sind so eine richtig kleine Fangemeinschaft und freuen uns, dass wir das gemeinsam miterleben dürfen." Während sein früherer Trainer ihm Gold zutraut, gibt sich Lennart Sass etwas zurückhaltender, obwohl er zu den Medaillenfavoriten gehört: "Eine Medaille ist schon das Ziel, sonst würde ich nicht als Kämpfer auf die Matte gehen. Aber ich will auch meine ersten Spiele genießen. Es ist unglaublich, dass das klappt."

Paralympics sind sportlicher Höhepunkt

Und dann, angesprochen auf seinen Weg der letzten acht Jahre, sagt er: "Das ist auf der Meta-Ebene diese Schicksalsbewältigung. Es ist dieses zurückkämpfen - sich nach dem Tal der Tränen nicht aufgeben und besser zu werden, als man es am Tag davor war. Paris ist der Ausdruck und das Endziel, wo ich meinen inneren Kampf bestreiten werde. Und das auf internationaler Bühne. Das ist ein Lebenshighlight." Am 6. September geht er in Paris zum ersten Mal auf die Matte.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 28.08.2024 | 07:00 Uhr

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