Ocean Race: "Vorhof der Hölle" - Malizia und Co. auf Kurs Kap Hoorn
Point Nemo, den entlegensten Punkt der Erde, hat die Ocean-Race-Flotte passiert - nun wartet eine wesentlich größere Herausforderung auf Weltumsegler Boris Herrmann & Co: Die Umrundung von Kap Hoorn mit meterhohen Wellen und gewaltigen Meeresstürmen.
Rund 1.500 Seemeilen (2.800 Kilometer) sind es noch bis dahin, voraussichtlich am Montag werden die Imoca-Yachten die legendäre Südspitze Südamerikas erreichen. Kap Hoorn markiert den Höhepunkt von Weltumseglungen und ist auch für Herrmann ein Gipfelerlebnis des Ocean Race: "Ich freue mich darauf, weil es eine so coole Landmarke ist", hatte der Hamburger Skipper schon vor dem Start der wichtigsten Team-Segelregatta um den Erdball gesagt.
Bei der Annäherung an Kap Hoorn warten typische Südpolarmeer-Bedingungen auf die Crews und ihre Boote. Die Flotte wird dem Kap recht nahekommen, denn die Wettfahrtleitung hat die Eisgrenze aufgrund von ungewöhnlich nördlichen Eissichtungen zuletzt viermal verschoben und weit nach Norden hochgezogen. Der "Korridor" ist aktuell nur noch etwa 100 Seemeilen schmal.
Die nächsten Tage werden brutal
Vor allem die nächsten Tage werden brutal und eine harte Bewährungsprobe für Boote und Teams, denen dann schon 10.000 Seemeilen in Rümpfen und Leibern stecken. Renndirektor Phil Lawrence prognostizierte am Donnerstag gar die bisher härtesten Tage des Rennens.
"Ich will, dass der Sturm jetzt kommt, wir können ihn auf den Daten kommen sehen und manchmal ist das Warten schlimmer." Malizia-Seglerin Rosalin Kuiper
"Der Wind wird auf über 30 Knoten zunehmen und in Böen 40 Knoten erreichen, und wir können am Freitag und Sonnabend mit Wellen von sechs bis sieben Metern rechnen", sagte Ocean-Race-Meteorologe Christian Dumard mit Blick auf den "Gipfelsturm" der historisch langen Mammut-Etappe, die über 12.750 Seemeilen von Kapstadt ins brasilianische Itajai führt. Wie genau die Bedingungen bei der Kap-Hoorn-Passage selbst sein werden, ist aktuell noch nicht klar. Die Crews müssen in Anbetracht der Herausforderungen und Unwägbarkeiten viele Gedanken auf ihre Strategie verwenden.
Herrmann: "Vertraue dem Boot und weiß, wie stark es ist"
Die Malizia sieht sich gewappnet: "Wir wissen, dass der Sturm kommt, aber ich vertraue dem Boot und weiß, wie stark es ist", sagte der viermalige Weltumsegler Herrmann. Der 41-Jährige, der das Kap insgesamt schon zum sechsten Mal umrunden wird, erwartet Bedingungen, "die normalerweise unser Schiff begünstigen". Der Neubau wurde mit Blick auf die Vendée Globe 2024 nach den Wünschen des Hamburger Skippers bewusst robust konstruiert.
Größter Schiffsfriedhof der Welt
Kap Hoorn taucht schon in Erzählungen von Herman Melville, Jules Verne und Edgar Allen Poe als erbarmungsloses Revier auf. Seit der ersten Passage im Jahr 1616 durch den Niederländer Willem Schouten (der das Kap nach seinem Heimatort benannte) wurde die See rund um den Südzipfel mehr als 800 Schiffen und über 10.000 Menschen zum Verhängnis und zum größten Schiffsfriedhof der Welt.
So kenterte beispielsweise der Franzose Jean Le Cam bei der Vendée Globe 2007 und musste 16 Stunden im Inneren seiner kopfüber treibenden Rennyacht ausharren, ehe er gerettet werden konnte. Das chinesische Dongfeng Race Team verlor beim Ocean Race 2015 vor Kap Hoorn seinen Mast, überstand das Unglück aber unverletzt und konnte das Rennen fortsetzen.
Orkane, Wellen und tückische Unterströmungen
Was macht den Inselfelsen, den der Hamburger Extremsegler Jörg Riechers einmal als "Vorhof zur Hölle" beschrieb, so gefährlich? Die Wellen im Südpolarmeer werden nirgends von Landmassen unterbrochen und rollen den Schiffen deshalb meterhoch entgegen, es gibt Orkane und durchschnittlich an 280 Tagen im Jahr Regen.
Tückisch ist zudem eine starke Unterströmung durch das Aufeinandertreffen von Atlantik und Pazifik. Selbst abgebrochene Eisbergstücke können Seglern zum Verhängnis werden - liegt das Revier doch nur 500 Seemeilen von der Antarktis entfernt.
Noch gut eine Woche bis zum Etappenziel
Unter Weltumseglern wird die Hoorn-Rundung als großer Erfolg gefeiert. "Die meisten Segler zünden sich hier eine Zigarre an und stoßen mit einem Schluck Rum oder Whisky an, um Neptun zu danken", berichtet der gebürtige Bremer Tim Kröger, der 1994 und 1998 beim Ocean-Race-Vorgänger "The Whitbread Round the World Race" jeweils Kap Hoorn meisterte. Ist die Landmarke umrundet, herrscht vor allem Erleichterung, "denn du bist dem Südpolarmeer entkommen", wie der zweimalige Vendée-Globe-Gewinner Michel Desjoyeaux einst feststellte.
Das Imoca-Quartett wird hinter Kap Hoorn nach Norden abbiegen und entlang Südamerikas den Atlantik hinauf nach Itajai segeln. Bis zum Zielort der Etappe sind es noch etwa 3.500 Seemeilen. Mit der Ankunft wird am Freitag in einer Woche gerechnet.