Charlie Dalin bei der Vendée Globe: In Perfektion zum Sieg

Stand: 14.01.2025 09:07 Uhr

Die ganze Arbeit hat sich gelohnt, Charlie Dalin ist am Ziel seiner Träume: Mit dem 40-jährigen Franzosen hat die 10. Auflage der Vendée Globe einen verdienten Sieger gefunden. Dalin hatte diese Weltumsegelung bis ins kleinste Detail geplant.

Schon vor vier Jahren hatte der studierte Yacht-Konstrukteur als Erster die Ziellinie vor Les Sables-d'Olonne überquert. Weil Yannick Bestaven jedoch aufgrund einer Rettungsaktion eine Zeitgutschrift der Veranstalter von zehn Stunden erhielt, war Dalin am Ende mit zweieinhalb Stunden Rückstand doch "nur" Zweiter - und um eine wichtige Erkenntnis reicher: "Wenige Stunden können über Gewinnen und Verlieren entscheiden. Man darf nichts dem Zufall überlassen."

"Man muss sagen: Charlie Dalin hat etwas abgeliefert, das wirklich Bestand haben wird." NDR Segelexperte Tim Kröger

Dalin begab sich "auf die Suche nach Minuten. Ich bin nachts aufgewacht und habe nach den Minuten gesucht, die ich verloren hatte." Vom Design des Bootes über die Ausstattung bis hin zu den Abläufen an Bord - jeder einzelne Handgriff bei seiner ersten Vendée Globe wurde genau analysiert, um besser und vor allem schneller zu werden.

Offensichtlich mit Erfolg. Dalin war von Beginn an vorn mit dabei und je länger das Rennen dauerte, desto mehr dominierte er mit seiner Macif Santé Prévoyance. Allen Unkenrufen zum Trotz bewies der Skipper auch, dass sein Boot sehr wohl den harschen Bedingungen im Südpolarmeer gewachsen war.

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Sieger Charlie Dalin mit dem Pokal der Vendée Globe © IMAGO / ABACAPRESS

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Dalin segelte zur Favoritenrolle

Dalin ist ein Imoca-Naturtalent. In seine erste Weltumsegelung startete er 2020 gerade einmal mit der Erfahrung von zehn Tagen am Stück auf einer Imoca-Yacht. Auch wenn er in der Figaro-Klasse schon einige Erfolge ersegelt hatte, war Platz zwei auf der Apivia trotzdem ein erstes dickes Ausrufezeichen. Zum großen Favoriten wurde der Mann aus Le Havre dann in den folgenden Jahren.

2022 gewann er die Vendée Arctique, ein Jahr später das Fastnet Race. In Vorbereitung auf seine zweite Vendée Globe siegte er 2024 sowohl bei der New York Vendée im Juni als auch im September bei Le Défi Azimut, dem letzten großen Test vor der Weltumsegelung.

Herrmann und Richomme unterschätzen die Macif

Zu diesem Zeitpunkt war Dalin längst auf sein neues Boot umgestiegen. In die Macif seien die Erfahrungen aus allen Rennen mit der Apivia eingeflossen, erklärte der Segel-Profi. Dabei habe er besonders großen Wert darauf gelegt, dass seine Yacht zwar besser auf die Bedingungen im Südpolarmeer eingestellt ist, seine Fähigkeiten bei leichteren Bedingungen aber nicht verliert.

Nicht zuletzt die Gleitfähigkeit bei wenig Vortrieb - sei es durch schwachen Wind oder beim Wechseln der Segel - war ihm wichtig.

Die Macif von Charlie Dalin bei der Vendée Globe © Ronan Gladu / Disobey / Macif
Das Sieger-Boot: Die Macif Santé Prévoyance.

Auch wenn seine Konkurrenten seine Einschätzung vor dem Rennstart kannten, täuschten sie sich gleich mehrfach. Boris Herrmann sagte zum Beispiel, dass Dalin wahrscheinlich als Erster durch den Atlantik sei, bei den Bedingungen im Südpolarmeer aber deutlich an Boden verlieren würde.

Und Yoann Richomme, der im Mai mit seiner Paprec Arkéa die Transat CIC gewonnen hatte und bei der Vendée Globe als einziger mit Dalin mithalten konnte, hat sich im Südpolarmeer wohl schon auf Siegkurs gewähnt: "Charlie hatte seine Zeit, jetzt kommt meine", tönte der 41-Jährige. Der Franzose übernahm zwar kurzzeitig die Führung, doch schon bald musste er Dalin wieder passieren lassen.

Dalin mit Husarenritt im Südpolarmeer

Zum wahren Husarenritt war Dalins Kurs durch das wohl stärkste Tiefdruckgebiet im Südpolarmeer geworden. Während Richomme, dessen Boot eigentlich besser auf die Bedingungen vorbereitet sein sollte, einen größeren Umweg segelte, blieb sein Landsmann dicht an der Eisgrenze und fand mit diesem Manöver womöglich die Zeit, die ihm am Ende zum Sieg verhalf.

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"Den Schneid muss man erst mal haben", konstatierte NDR Segelexperte Tim Kröger, der selbst zweimal die Welt umsegelt hat, anerkennend. "Er ist vor dem Tiefdruckgebiet hergefahren, viele andere sind da geflüchtet. Dalin hat das Tief wahrlich ausgeritten und sein Rennen einfach cool durchgezogen. Davor ziehe ich meinen Hut."

Dass Dalin, Richomme und auch der Drittplatzierte Sébastien Simon durch die vielen Tiefdruckgebiete dem Rest der Flotte davonsegelten sei die eine Sache. Die drei konnten von den "perfekten Wetterbedingungen" aber auch nur profitieren, weil sie so schnell da waren.

"Kartentisch" als Zentrum des Lebens an Bord

Genauso wichtig wie die Arbeit an den Segeln war für Dalin das Grübeln über den Wettermodellen und den Kursoptionen. Seinen "Kartentisch" mit Laptop hatte er extra in unmittelbarer Nähe seines Bettes und seines Kochers platzieren lassen.

Wenn er stundenlang über den Prognosen gebeugt saß, konnte er sich mit einem schnellen Handgriff etwas zu essen machen - oder wenn ihn die Müdigkeit übermannte, schnell hinlegen. Alles, ohne sich groß bewegen zu müssen.

Segler Charlie Dalin an Bord seiner Macif bei der Vendée Globe © Vendée Globe Foto: Charlie Dalin
Charlie Dalin bei Reparaturarbeiten an seiner Macif in luftiger Höhe.

So verlor er keine Kraft und minimierte gleichzeitig die Gefahr, sich bei den Wegen an Bord der Macif durch Sturz oder Umknicken zu verletzen.

Vor der Entscheidung für die Route durch das große Tiefdruckgebiet habe er auch ewig über die verschiedenen Möglichkeiten gegrübelt, berichtete Dalin hinterher. Er wägte Risiken und Nutzen ab - und traf die rückblickend richtige Entscheidung.

Auch wenn seine Yacht total auf Effizienz getrimmt und spartanisch eingerichtet ist, wurde auch hier an alles gedacht. So konnte er in seinem beheizten "Wohnbereich" für einen Luftzug sorgen oder diesen stoppen. Seine Matratze mit erhöhten Seitenteilen, auf der sein Kopf in einer stabilen Vertiefung lag, erinnerte fast an einen Sarg. Ein Herausfallen aus dem Bett war aber auch bei schwerem Wellengang fast unmöglich.

Sieg mit Segelgefühl und den richtigen Entscheidungen

Bei all der Hightech, die so eine Imoca-Yacht mittlerweile an Bord hat, legt Dalin großen Wert darauf, dass es trotzdem vor allem auf die Entscheidungen des Seglers ankommt. "Die Entscheidungen sind wichtiger denn je." Besonders in Bezug darauf, was er seinem Boot zu welchem Zeitpunkt abverlangen kann.

Und auch wenn Dalin wie Herrmann zu Reparaturen in den Mast klettern musste, war kaum etwas Negatives von Bord der Macif zu hören. Womöglich auch, weil der Franzose seinen Gegnern keinerlei Schwäche zeigen wollte.

Am Ende waren es wieder nur Stunden, die über Sieg und Niederlage entschieden. Dieses Mal gaben sie jedoch den Ausschlag zu Gunsten Dalins. "Eigentlich hat er ja das letzte Rennen vor vier Jahren auch schon gewonnen. Das muss man fairerweise sagen", sagte Segelexperte Kröger, auch wenn die Zeitgutschrift für Bestaven "völlig korrekt und in Ordnung" gewesen sei. Aber: "Er hat seine Klasse schon vor vier Jahren bewiesen und jetzt hat er seine Leistung gekrönt."

 

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Sportclub | 14.01.2025 | 07:45 Uhr

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