THW Kiel vor Saisonstart: Der Meister backt kleinere Brötchen
Rekordmeister und Titelverteidiger - der THW Kiel geht mit dem fast schon gewohnten Renommee in die neue Saison der Handball-Bundesliga. Allerdings muss der schleswig-holsteinische Spitzenclub nicht nur den Abgang von zwei Weltklasse-Leuten kompensieren, sondern auch sein Verletzungspech managen.
Daher scheut THW-Geschäftsführer Viktor Szilagyi eine klare Kampfansage. "Wir sollten es vermeiden, Titel als selbstverständlich anzusehen", sagt er. "Das Feld ist sehr breit. Unser Ziel ist es, wieder einen Platz für die Qualifikation zur Champions League zu erreichen."
Vor drei Jahren war Sander Sagosen die Verpflichtung schlechthin gewesen. Manch einer sah den THW mit dem norwegischen Top-Transfer in einer eigenen Liga. Nun ist das Rückraum-Ass in seine Heimat zurückgekehrt, wechselte nach Kolstad. Und noch ein Welt-Star ist weg: Torhüter Niklas Landin ging nach Aalborg.
"THW Kiel braucht eine große Kraftsanstrengung." ARD-Experte Dominik Klein
"Natürlich sind die Abgänge von Sander Sagosen und Niklas Landin die große Personalfrage. Da gilt es, eine große Kraftanstrengung für den THW Kiel zu erhalten, da bis zum Schluss dabei zu bleiben", sagte ARD-Experte Dominik Klein.
Als Titelkandidaten nennt der ehemalige THW-Profi wieder jene fünf Teams, die in der vergangenen Saison auf den ersten fünf Tabellenplätzen gestanden haben. Kiel, SC Magdeburg, Füchse Berlin, SG Flensburg-Handewitt und die Rhein-Neckar Löwen. Klein: "Wobei: Wenn ich mich festlegen sollte, setze ich auf den SC Magdeburg."
Neue Hierarchien im THW-Team
Im THW-Team übernimmt der Österreicher Nikola Bilyk den Platz von Niklas Landin als Co-Kapitän neben Domagoj Duvnjak und Patrick Wiencek. Da auch Spielmacher Miha Zarabec (zu Wisla Plock) gewechselt ist, müssen die "Zebras" ihre zweite Reihe neu ordnen. Der Schwede Eric Johansson soll mehr Verantwortung übernehmen, seinem Landsmann Karl Wallinius wird nach einer verletzungsgebeutelten ersten Saison der nächste Schritt zugetraut.
Und dann ist da noch ein junger Mann von den Färöern, der mit seinem bandwurmartigen Nachnamen ein neues Kapitel in der Vereinschronik aufschlägt. "Es ist sicher nicht normal, dass ein Spieler von den Färöern beim THW spielt", sagt Elias Ellefsen á Skipagøtu und lächelt: "Ich muss mich noch an eine so große Stadt gewöhnen. Kiel hat ja mehr Einwohner als alle meine Heimatinseln zusammen."
Jicha über Skipagøtu: "Bringt das gewisse Extra mit"
Der 21-Jährige zählt zu den ganz großen Talenten im europäischen Handball, akklimatisierte sich in den drei vergangenen Spielzeiten, in denen er für den schwedischen Club IK Sävehof auflief, bereits auf dem Kontinent. Auf dem Spielfeld ist ihm das Genie anzumerken, es muss aber taktisch gezähmt werden, damit es nicht in einer zu hohen Fehlerquote mündet. "Der kleine Elias ist ein junger, wilder Spieler und bringt das gewisse Extra mit", weiß sein neuer Coach Filip Jicha.
Keeper Gérard tritt in große Fußstapfen
Die Lücke im Tor, die Landin hinterlässt, wird vorerst mit einem Routinier geschlossen: Vincent Gérard hat mit seinen 36 Jahren schon viel erlebt und viele Titel gesammelt. Nach dem legendären Thierry Omeyer (2006-2013) ist er der zweite französische Schlussmann in Kiel. "Man sollte mich nicht mit Niklas Landin vergleichen und auch nicht mit Thierry Omeyer", meint Gérard. "Ich bin ein ganz anderer Torwart-Typ, und freue mich auf die neue Herausforderung."
Das Abenteuer "Bundesliga" wird für ihn allerdings mit Verspätung beginnen. Eine alte Blessur im Adduktorenbereich ist wieder aufgebrochen. Bis zur Genesung wird der junge Torwart Magnus Bierfreund den Tschechen Tomáš Mrkva unterstützen. Der Zugang des spanischen Top-Keeper Gonzalo Perez de Vargas ist erst für 2025 vorgesehen.
"Zebras" zu Saisonbeginn dezimiert
Auch auf anderen Positionen müssen die Kieler improvisieren. Da Hendrik Pekeler (Operation an linker Ferse) noch ein paar Wochen fehlen wird, müssen Patrick Wiencek und Petter Øverby am Kreis und in der Verteidigung mehr Spielanteile schultern. Auch bei Rechtsaußen Sven Ehrig (Kreuzbandriss) wird es noch etwas dauern, sodass Jarnes Faust als Vertretung für den erfahrenen Niclas Ekberg in den Kader rutschte. Und im rechten Rückraum muss der Norweger Harald Reinkind die ersten Wochen allein stemmen. Der Grund: eine fast schon tragische Verletzungsmisere.
Nachdem klar war, dass Steffen Weinhold nach einer Schulter-OP eine längere Regenerationsphase benötigen würde, brach sich Nachwuchsmann Henri Pabst das rechte Sprunggelenk. Und nun erwischte es auch die spanische Nachverpflichtung Eduardo Gurbindo. Eine Muskelverletzung im Oberschenkel zwang den 35-jährigen Linkshänder bei den vergangenen Tests zum Zuschauen.
Super Cup gegen die Löwen: Jicha will nicht experimentieren
Dass es allgemein noch etwas im Gebälk knatscht, zeigte der Sonntag, als der THW in eigener Halle zunächst gegen den HSV Hamburg verlor und sich dann zu einem knappen Erfolg gegen Plock mühte. "Am Mittwoch werden wir unser wahres Gesicht zeigen und wollen angreifen", hatte Bilyk vor dem Super Cup in Düsseldorf gegen den deutschen Pokalsieger, die Rhein-Neckar Löwen, gesagt. Zwar verwarf er im Siebenmeter-Shootout, am Ende sicherten sich die Kieler in einem Krimi aber den ersten Titel der Saison.