Neue Rolle, hohe Ziele: Sportdirektor Bitter will HSV Hamburg weiterentwickeln
Für Club-Legende Johannes Bitter waren die ersten Tage als Sportdirektor beim Handball-Bundesligisten HSV Hamburg eine besondere und emotionale Erfahrung. Der Ex-Nationalkeeper hat sich einiges vorgenommen: In der Doppelspitze mit Geschäftsführer Christian Hüneburg will er "frischen Wind" und den HSVH nach vorne bringen.
Vermutlich hatte Bitter auf etwas Zuspruch gehofft, dass es so schlimm schon nicht werden würde. Auf jedem Fall rief der 42-Jährige wenige Tage vor seiner Premiere als HSVH-Sportdirektor bei Uwe Gensheimer an, seinem ehemaligen Nationalmannschaftskollegen. Der frühere Linksaußen ist seit Anfang dieser Saison Sportlicher Leiter bei den Rhein-Neckar Löwen. Gensheimers Worte taugten allerdings nicht zwingend als Mutmacher, wie Bitter dem NDR lächelnd schilderte.
"Uwe sagte mir: 'Stell dich darauf ein, es wird viel, viel härter, als es als Spieler war. Und viel härter, als du es dir vorstellen kannst.' Und es war genau so", berichtete der langjährige Weltklasse-Keeper, der Anfang des Monats seine Karriere beendet hatte. "Man steht hinter der Bank und schwitzt trotzdem. Man will eingreifen, darf aber mit den Spielern nicht wirklich reden. Man darf auch nicht zur Bank. Das ist schon wirklich eine ganz neue Rolle, wo man nicht genau weiß, wohin mit den Emotionen."
Umbruch auf der Führungsebene
So machtlos sich der Weltmeister von 2007 auch unlängst während der Partie bei den Löwen gefühlt haben mag - das intensive Erlebnis in Mannheim bei der 27:30-Niederlage hat ihn nicht an seiner Entscheidung zweifeln lassen. Dafür verspürt der gebürtige Oldenburger nach eigener Aussage auch zu viel Lust und Energie in sich, seinen Verein voranzubringen.
Genau darum geht es dem Ex-Profi, der seit Saisonbeginn auch Vizepräsident des Clubs ist. Er will den HSV Hamburg, dem während der Sommerpause wegen finanzieller Probleme nach 2016 erneut der Lizenzverlust gedroht hatte, wind- und wetterfest für eine sichere Zukunft in der Beletage des deutschen Handballs machen.
"Wir wollen nicht die nächsten zehn Jahre ein Ausbildungsverein bleiben." Johannes Bitter
Der HSVH hatte im Sommer erst nach Millionenzuwendungen von Sponsoren und einer letztinstanzlichen Entscheidung des Sportgerichts der Handball-Bundesliga (HBL) die Lizenz erhalten. In der Folge verabschiedete sich zunächst das Präsidium um Marc Evermann und Ex-Trainer Martin Schwalb. Dann gab es die Trennung von Geschäftsführer Sebastian Frecke.
Doppelspitze mit neuem Geschäftsführer Hüneburg
Bitter hat nun bei seinem ambitionierten Vorhaben den neuen Geschäftsführer Christian Hüneburg an seiner Seite. Der 49-Jährige war von 2020 bis 2023 Geschäftsführer bei den Bundesliga-Volleyballerinnen des SSC Schwerin. Davor arbeitete er sieben Jahre lang beim FC Hansa Rostock, fünf davon als Finanzvorstand.
Das neue Funktionärsduo hatte in der ersten Woche viel mit Spielerbeobachtungen und Kaderplanung zu tun. "Aktuell geht es aber auch darum, die Organisation ein bisschen umzukrempeln", sagte Bitter. "Wir haben jetzt durch einen Neustart von zwei Personen die Chance, dass wir frischen Wind hineinbekommen. Das habe ich in dieser Woche schon gespürt, und da wollen wir natürlich auch nicht nachlassen."
"Jetzt mit Vollgas in die Zukunft"
Bitter sieht die Veränderungen als "nächste Stufe der Professionalität. Die Erkenntnis war schon vorher da, dass es mit der sportlichen Entwicklung im Verein schneller ging als in der Geschäftsstelle nachgezogen werden konnte. Im Sommer wurde das mit dem Brennglas dann sichtbar." Mit einem neuen Aufsichtsrat, einem neuen Präsidium unter dem Vorsitz von Kay Spanger und einigen Änderungen in der Geschäftsstelle "können wir jetzt mit richtig Vollgas in die Zukunft gehen".
Hüneburg sieht beim Sponsoring noch großes Potenzial
Hüneburg nannte bei seiner Vorstellung eine klare Zielsetzung für den HSVH: "Der Club soll sich in Zukunft wirtschaftlich selbst tragen und dem Sport zuverlässig die Möglichkeit geben, zu wachsen und zu investieren."
Er habe mit vielen Sportlern gesprochen, "und deren sportliche Ambitionen enden natürlich nicht bei Platz neun. Ich sehe in der Vermarktung und beim Sponsoring noch großes Potenzial für den HSVH. Und das Thema Sponsoring ist für wahrscheinlich alle Clubs außerhalb des Fußballs die tragende Säule und der größte Hebel, um sich wirtschaftlich weiterzuentwickeln."
Mehr als Tabellenplatz neun, das schwebt auch Bitter vor. Aktuell belegt die Mannschaft von Trainer Torsten Jansen nach sieben Spieltagen Rang elf. "Wir wollen nicht die nächsten zehn Jahre ein Ausbildungsverein bleiben, sondern wir wollen uns weiterentwickeln", betonte der 42-Jährige. Verrückte Sachen werde es nicht geben. Es gehe darum, die Hausaufgaben zu machen, versicherte Bitter: "Und dann wollen wir schauen, dass wir den Kader verstärken und ein bisschen nach oben schielen können."
In der Halle bleiben viele Plätze leer
Ohne diese Perspektive, das hat sich auch in dieser Saison schon gezeigt, dürfte es kaum möglich werden, sich beim Ticketverkauf signifikant zu verbessern. Im ersten Bundesliga-Heimspiel gegen Titelverteidiger SC Magdeburg waren es in der 12.800 Zuschauer fassenden Arena trotz einer Aktion für Fans (kostenfreies Zusatz-Ticket für Kinder bis einschließlich 14 Jahren) lediglich 4.481 Besucher - das dürfte bei der Nutzung der Multifunktionshalle für ein spürbares Minus gesorgt haben. Auch zu den Partien gegen Rekordmeister THW Kiel kamen im DHB-Pokal nur 5.866, in der Liga dann 8.030 Zuschauende.
Bitter relativierte allerdings im NDR Interview: "Das Pokalspiel war überraschend gut, weil wir nur drei Wochen Zeit für den Vorverkauf hatten, und auch beim Bundesligaspiel waren es nur fünf Wochen. Über 8.000 Leute - wir sind, was das angeht, total zufrieden." Ohnehin sei es immer angenehmer, die großen Spiele in der Rückrunde zu haben. Da bleibe viel mehr Vorlauf für den Vorverkauf.
Bitter sieht deutliche Entwicklung des HSVH-Teams
Vor allem aber hilft sportlicher Erfolg beim Ticketverkauf, dann kommen auch mehr Fans zu Spielen gegen "kleinere" Gegner. Mit der Entwicklung auf sportlicher Ebene ist der langjährige Torhüter Bitter zufrieden: "Wir waren in unserer ersten Saison bei einigen Gegnern nicht konkurrenzfähig. Jetzt haben wir eine gute Spitze in der Mannschaft, aber noch keine Breite. Wir müssen in der Breite etwas tun und die Spitze halten, das wird die Aufgabe in den kommenden Jahren sein."
Bitter will mit Tatendrang von seinem Platz im Büro dazu beitragen. Bei den Spielen das HSVH wird er weiterhin hinter der Bank stehen - und trotzdem schwitzen. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis die Vereinslegende des Clubs komplett in seiner neuen Rolle angekommen ist.