Oldenburg-Trainer Fossi: "Es wird nicht nur auf mich einiges zukommen"
Dario Fossi hat den VfB Oldenurg im vergangenen Jahr zurück in den Profifußball geführt. Auf dem Weg zum Drittliga-Klassenerhalt will er nun "nebenbei" auch noch die Ausbildung zum Fußball-Lehrer absolvieren. Wie das klappen kann und warum die Niedersachsen unbedingt ein neues Stadion brauchen, erklärt der 41-Jährige im Interview mit dem NDR.
Herr Fossi, hinter Ihnen liegt ein sehr erfolgreiches Jahr. An welchen Moment erinnern Sie sich am liebsten zurück?
Dario Fossi: Es gab sehr viele, aber das großartige Gefühl, als der Aufstieg feststand, überwiegt. Es war sehr inspirierend zu sehen, wie sich alle gefreut haben. Der Verein war 25 Jahre lang nicht im Profigeschäft und ich weiß noch, wie mich alle komisch angeguckt haben, als ich gesagt habe, dass es in dieser Saison mit dem Aufstieg klappen könnte. Aus diesem Traum wurde ein Wunsch und dann ein Ziel, das wir erreicht haben.
Hätten Sie gedacht, dass Sie solch eine Erfolgsgeschichte schreiben würden, als Sie im Sommer 2020 beim VfB angefangen haben?
Fossi: Ich hatte schon Ambitionen, als ich zum VfB gewechselt bin. Den Aufstieg hatte auch der Club auf dem Zettel - aber für irgendwann mal. Meine erste Saison wurde Corona-bedingt gleich nach acht Spielen abgebrochen. Ich habe die Zeit dann genutzt, habe mir viele Gedanken gemacht, viele Bücher gelesen und Dokumentationen gesehen.
"Alle haben mich komisch angeguckt, als ich gesagt habe, dass es mit dem Aufstieg klappen könnte." Dario Fossi
Ich beschäftige mich mit Psychologie - und habe mir auch aus anderen Sportarten Dinge herausgesucht, die zu meiner Philosophie passen. Für mich war dann klar, dass wir uns voll auf uns konzentrieren müssen. Der VfB war früher häufig sehr ambitioniert - mit dem Aufstieg hat es aber nie geklappt. Diesmal wollten wir nach außen den Ball flachhalten. Aber intern habe ich versucht, jeden einzelnen Spieler für das Ziel zu gewinnen. Die Siege haben uns immer mehr Selbstvertrauen gegeben und später war es ein Selbstläufer.
Sie stammen aus Offenbach und haben früher auch für die Kickers gespielt. Dann sind Sie aber nach Neumünster gewechselt - und seitdem finden sich nur noch Nordclubs in Ihrer Vita. Als Spieler - und Trainer. Wie kam es dazu?
Fossi: Nach Neumünster bin ich vor allem gegangen, weil ich Trainer Ramon Berndroth schon kannte. Ich brauche jemanden, der weiß, wer ich bin und der mir vertraut. Aber als der VfR Pleite ging, musste ich wieder gehen. Ich bin dann nach Wilhelmshaven gewechselt - und habe mich erst gar nicht wohlgefühlt. Nach sechs Tagen wollte ich zurück nach Hessen, wo meine Familie lebt. Aber ich durfte nicht.
Die Norddeutschen sind schon kühler als die Menschen im Süden. Aber wenn sie einen aufnehmen, dann komplett. Ich habe längst meine eigene Familie in Wilhelmshaven. Und aus den sechs Tagen sind mittlerweile 16 Jahre geworden. (lacht)
Als Tabellen-16. überwintert Ihr Team nur aufgrund der besseren Tordifferenz auf einem Nicht-Abstiegsplatz. Läuft es in der Dritten Liga, wie Sie das erwartet hatten?
Fossi: Auf jeden Fall. Es war sehr schwierig für uns, weil wir wegen der Aufstiegsspiele erst so spät sicher mit der Dritten Liga planen konnten. Und zwei Wochen nach dem Aufstieg hat schon wieder die Vorbereitung begonnen. Nach vier Spielen hatten wir dann auch erst einen Punkt. Da mussten wir an uns arbeiten und die Fehler abstellen. Jetzt stehen wir nach 17 Spielen über dem Strich, also haben wir wohl einiges richtig gemacht.
Eine bessere Platzierung haben Sie durch sechs sieglose Spiele vor der Winterpause sogar noch verspielt. Fünf von sechs Gegnern stehen allerdings in den Top Sechs der Liga. Ist das eine Warnung für die Rückrunde, dass sie in den kommenden Wochen und Monaten unbedingt punkten müssen, bevor es im Saisonendspurt wieder nichts zu holen gibt?
Fossi: Wir könnten es uns natürlich leicht machen und sagen, dass wir nicht die Möglichkeiten haben, um gegen die Topteams etwas zu holen. Aber so war es ja nicht. Auch in den Spielen wäre was möglich gewesen. Wir sind konkurrenzfähig. Allerdings hat die Vergangenheit gezeigt, dass sich Aufsteiger in der Rückrunde allgemein schwerer tun.
Wir müssen dafür sorgen, dass sich die Ergebnisse insgesamt die Waage halten. Aber wenn wir Spiele gewinnen, werden die Spieler gefühlt immer ein Stückchen größer und die Brust wird breiter. Und klar, wir wollen unsere Punkte schnellstmöglich holen.
Mit dem Bundesliga-erfahrenen, aber zuletzt vereinslosen Marc Stendera haben Sie einen sehr prominenten Namen ins kleine Oldenburg geholt. Was kann er in der Dritten Liga leisten?
Fossi: Marc hat auf jeden Fall einige andere Angebote gehabt und hat sich bewusst für uns entschieden. Zumal wir wahrlich nicht mit Geld allein locken konnten. Was ich bisher von ihm gesehen habe, wie er Fußball spielt und denkt, ist schon toll. Aber er ist noch nicht zu 100 Prozent fit. Da müssen wir ihn schnell hinbringen. Wenn uns das gelingt, wird Marc uns auf jeden Fall stärker machen.
Unabhängig von Stendera: Ist Ihr Team stärker als zu Beginn der Hinrunde?
Fossi: Ich finde, man kann eine deutliche Entwicklung sehen. Wir haben immer besser dagegengehalten, haben cleverer gespielt. Manchmal waren wir zu forsch. Vielleicht müssen wir auch noch mehr verinnerlichen, auch mal mit einem Punkt zufrieden zu sein. In den knappen Spielen sollten wir nur in der 100-prozentigen Gewissheit angreifen, dass wir hinten absichern können. Aber wir sind vor allem mental auf jeden Fall stärker als vor einem halben Jahr.
Eines der großen Themen nach dem Aufstieg war das Stadion - und ist es nach wie vor: Nun wurde ein Bericht über einen Neubau in Ausschüssen des Stadtrats präsentiert. Oberbürgermeister Jürgen Krogmann hat sich zuletzt für einen Neubau ausgesprochen. Wie erleben Sie die Diskussion?
Fossi: Ich versuche, das alles nicht an mich heranzulassen. Ich habe wirklich viele andere Dinge zu erledigen. Aber ich weiß, dass Profifußball in Oldenburg auf Dauer nur mit einem neuen Stadion funktioniert. Und dass Oldenburg eine Fußball-Stadt ist, haben die Menschen am letzten Regionalliga-Spieltag und bei den Aufstiegsspielen gezeigt. Auch unser Zuschauerschnitt in der Dritten Liga (Anm.d.Red.: 5.790) ist toll.
Allerdings werden wir ohne Logen und andere Vermarktungsmöglichkeiten in den nächsten Jahren nicht konkurrenzfähig sein. Wir haben bei unseren Auswärtsspielen - zum Beispiel in Duisburg oder Wiesbaden und Halle - gesehen, was im Profisport möglich ist.
Ein anderes großes Thema war Ihre Trainer-Lizenz. Nun hat Sie der DFB für den Lehrgang zur Erlangung der in der Dritten Liga nötigen Pro Lizenz zugelassen. Wie gehen Sie die Doppelbelastung an?
Fossi: Die Doppelbelastung ist bei uns im Verein natürlich Thema gewesen. Fakt ist: Ich brauche die Lizenz. Und wir wissen, dass da nicht nur auf mich einiges zukommen wird. Je mehr Unterstützung ich bekomme, umso besser dürfte es für alle sein. Aber es gibt ja immer zwei Möglichkeiten, mit einer Situation umzugehen: pessimistisch oder optimistisch. Und ich wähle grundsätzlich die zweite Option.
"Wir sind ein gutes Team, ich erfahre viel Unterstützung und will die Doppelbelastung wuppen." Dario Fossi
Ich habe aus dem letzten Kurs die Info bekommen, dass sich das mittlerweile ganz gut mit der Arbeit im Verein vereinbaren lässt. Es gibt nicht mehr so viele Präsenzzeiten, vieles geht heute auch online. Wir sind darüber hinaus auch ein gutes Team, ich erfahre viel Unterstützung und will die Doppelbelastung wuppen.
Am Freitag steht beim FSV Zwickau das erste von noch 21 Drittliga-Spielen bis zum Saisonende an. Kann das Jahr 2023 genauso gut werden, wie 2022 für Sie war?
Fossi: Das ist in meinen Augen auf jeden Fall möglich. Natürlich sind das zwei unterschiedliche Dinge. Aber zu Beginn des letzten Jahres waren wir Erster - den Platz wollten wir halten. Jetzt sind wir 16. und wollen diesen Platz auch halten - mindestens.
Nur in der Dritten Liga können wir unsere Strukturen weiter professionalisieren. Der ganze Verein muss dafür wachsen. Den Aufstieg würde ich genauso hoch einzuschätzen und genauso schön finden wie den Klassenerhalt in der Dritten Liga. Und den wünsche ich mir.
Das Interview führte Florian Neuhauss