Alexander Blessin (r.), Trainer des FC St. Pauli freut sich mit Sportchef Andreas Bornemann (l.) und Co-Trainer Peter Németh. © picture alliance / Eibner-Pressefoto
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Alexander Blessin (r.), Trainer des FC St. Pauli freut sich mit Sportchef Andreas Bornemann (l.) und Co-Trainer Peter Németh. © picture alliance / Eibner-Pressefoto
AUDIO: Data-Talk: Die starke Defensive des FC St. Pauli (6 Min)

St.-Pauli-Analyse: So bleibt Blessins Defensiv-Bollwerk in der Bundesliga

Stand: 06.02.2025 14:39 Uhr

Mit nur 22 Gegentoren nach 20 Spielen hat der FC St. Pauli die zweitbeste Defensive der Bundesliga. Die Spielweise des Aufsteigers unter Trainer Alexander Blessin greift immer mehr - und ist laut Datenanalyse für die Bundesliga weitaus erfolgversprechender als die seines Vorgängers Fabian Hürzeler.

von Tobias Knaack

"Sie haben tief, eng und kompakt verteidigt." - "Es war ein schwieriges Spiel." - "Sie haben mit viel Energie Druck gemacht und es war schwer für uns, uns durchzusetzen." - "In der ersten Hälfte war St. Pauli glanz klar die bessere Mannschaft."

Das größte Lob kam am vergangenen Sonnabend vom Gegner. Die Augsburger Spieler Mert Kömür, Jeffrey Gouweleeuw, Alexis Claude-Maurice sowie Trainer Jess Thorup wussten nach dem spät errungenen 1:1 am Millerntor nur allzu gut, dass dieser Punkt gegen den FC St. Pauli keine Selbstverständlichkeit ist. Und wie hart erarbeitet er war.

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Drittbester Aufsteiger der vergangenen 30 Jahre

Kömürs Volley-Ausgleich in der 83. Minute war überhaupt erst der zweite Torschuss des FCA an diesem Nachmittag gewesen, den ersten hatten die Gäste wenige Minuten zuvor abgegeben. Davor: rund 80 Minuten Augsburger Offensiv-Ebbe. Und das lag nicht an mangelndem Bemühen. Die Angriffe verfingen sich nur ein ums andere Mal im engmaschigen Defensiv-Netz der Hamburger, die am Sonntag bei RB Leipzig antreten (17.30 Uhr, im NDR Livecenter).

Blessins Strategie spricht für sich: Lediglich 22 Gegentore haben die Braun-Weißen nach 20 Spieltagen kassiert. Nur zwei Bundesliga-Aufsteiger waren in den vergangenen 30 Jahren besser: RB Leipzig in der Saison 2016/2017 mit 20 und der FC Ingolstadt 2015/2016 mit 21 Gegentreffern.

"St. Pauli kombiniert taktische Disziplin mit physischer Intensität und klugem Positionsspiel. Die hohe Laufleistung und intensive Pressingarbeit sorgen dafür, dass sie den Gegner ständig unter Druck setzen und den Spielaufbau erschweren." GSN-Analyse

Wie die Daten des Global Soccer Networks (GSN) zeigen, beruht die enorme Defensiv-Power des Aufsteigers vor allem auf fünf Säulen:

  • extrem hoher Laufbereitschaft
  • herausragender Organisation
  • starkem Pressing
  • großer Zweikampfstärke
  • hoher Disziplin

Die GSN-Experten bringen das auf folgende Formel: "St. Pauli kombiniert taktische Disziplin mit physischer Intensität und klugem Positionsspiel. Die hohe Laufleistung und intensive Pressingarbeit sorgen dafür, dass sie den Gegner ständig unter Druck setzen und den Spielaufbau erschweren. Besonders stark sind sie gegen Positionsangriffe und zentrale Durchbrüche, da sie kompakt verteidigen und gegnerische Passwege frühzeitig unterbrechen."

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In vielen Werten in den Top 5 der Bundesliga

In Zahlen ausgedrückt: Die Hamburger sind enorm laufstark. Durchschnittlich 121 Kilometer spulen sie pro Partie ab - Platz eins (Liga-Durchschnitt: 117). Rang drei ist es bei den intensiven Läufen - im Schnitt 753 in 90 Minuten (Liga: 729). Wie schon in der Vorsaison laufen die "Kiezkicker" also nicht nur viel, sondern auch besonders schnell, um gegnerische Angriffe frühzeitig zu stören und sich schnell defensiv zu formieren.

Eine Folge daraus und gerade für einen Aufsteiger beeindruckend: Niemand in der Bundesliga ist besser im Verteidigen von Positionsangriffen des Gegners. Gerade einmal 0,4 Treffer pro Begegnung kassiert das Blessin-Team auf diese Weise (Liga: 0,69).

Und die Liste lässt sich fortsetzten. Egal ob Gegentore aus dem Zentrum (0,45/2. Platz), Gegentore aus dem Strafraum (1,0/2.), gewonnene defensive Bodenzweikämpfe (65 Prozent, 5.), Ballgewinne nach gegnerischen Pässen (31,2/5.), Teampressingaktionen pro Spiel (16,85/5.) Klärungsaktionen (6,25/5.), Ballverluste im eigenen Drittel (18,95/5.) oder abgefangene Bälle durch Mittelfeldspieler (13/3.) - St. Pauli hat, was es braucht, um in dieser Liga zu bestehen.

Defensive Stärke als Ergebnis kollektiver Arbeit

Die Defensive gewinne Meisterschaften, heißt es in vielen Mannschaftssportarten gemeinhin. Sie kann Aufsteigern offenbar auch helfen, die Klasse zu halten. Dafür aber müssen alle Spieler kollektiv und diszipliniert mitarbeiten, wie Blessin immer wieder betont.

Er erwartet von seinen Spielern vor allem vier Dinge: ein hohes Pressing mit strukturierten Laufwegen, um den Gegner frühzeitig zu stören; ein Mittelfeldpressing mit enger Raumdeckung und schnellen Verschiebebewegungen; schnelle Umschaltbewegungen, um nach Ballverlust direkt ins Gegenpressing überzugehen; kompakte Strafraumverteidigung, um gefährliche Abschlüsse zu verhindern. Dabei verteilen sich die Aufgaben grob zusammengefasst von hinten nach vorne so:

Der Weg zu dieser "gut geölten Defensiv-Maschinerie" erforderte nach dem unter Blessins Vorgänger Fabian Hürzeler in der 2. Liga gleichermaßen erfolgreich wie dominant praktizierten Ballbesitzfußball allerdings Lern- und Anpassungswillen von allen. Philipp Treu etwa hat sich laut GSN "von einem defensiv kompakten, absichernden Außenverteidiger zu einem aggressiven, pressingintensiven Wingback entwickelt", der ein elementarer Bestandeteil von Blessins Offensivpressing ist.

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Die Verteidiger Hauke Wahl und Karol Mets müssen häufiger in Eins-gegen-eins-Duelle und sind stärker als noch in der Vorsaison in den Spielaufbau involviert. Und auch Kapitän Jackson Irvine agiert in einer veränderten Rolle: Er ist von einem "Box-to-Box-Spieler mit starkem Offensivdrang", also einem Spieler der insbesondere zwischen den Strafräumen agiert, zu einem "defensiv ausgerichteten, stabileren Mittelfeldspieler" geworden.

Der gemeinsame Weg erforderte aber auch Anpassungsfähigkeit von Blessin selbst. Denn der 51-Jährige präferiert eigentlich ein 3-5-2-System, schwenkte nach dem holprigen Start in die Saison aber zurück auf eine 3-4-3-Grundformation.

GSN: Blessins System passt besser in die Bundesliga

Die wird, so die GSN-Experten, aber deutlich anders interpretiert als unter Hürzeler. Er wolle "kein Fabian 2.0" sein, hatte Blessin bereits bei seiner Vorstellung in Hamburg gesagt. Und das zeigt sich - auch und gerade in defensiver Hinsicht. Während Hürzeler auf strukturiertes, absicherndes Verteidigen setzte, das darauf abzielte, Räume zu kontrollieren und Konter zu vermeiden, verfolgt Blessin eine viel aggressivere, pressingintensive Strategie, bei der das Team den Gegner früh unter Druck setzt und Ballverluste des Gegners aktiv erzwingt.

Während Hürzelers Defensivstruktur laut GSN-Analyse "perfekt für die 2. Liga funktionierte", benötigt St. Pauli eine Klasse höher "eine aktivere, pressingintensive Herangehensweise". Blessin liefert die. Sein System gibt St. Pauli gegen Gegner von höherem spielerischen und taktischen Niveau "mehr Kontrolle über das Spiel, sorgt für mehr eigene Torchancen und reduziert den gegnerischen Ballbesitz. Es ist riskanter, aber für die Bundesliga erfolgversprechender, da es mutig, dynamisch und flexibel genug ist, um sich gegen verschiedene Gegner durchzusetzen."

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Eine Folge des immer besser greifenden Konzepts: der Vereinsrekord für die längste Zeit ohne Gegentor in der Bundesliga. Der steht seit dem jüngsten 1:1 gegen Augsburg bei 286 Minuten. Macht spielübergreifend mehr als drei Partien ohne gegnerischen Treffer. Zuvor waren es 238 Minuten in der Saison 1996/1997 gewesen.

Eine abermalige Verbesserung noch in dieser Spielzeit? Zumindest nicht ausgeschlossen. Viel wichtiger aus Sicht der Braun-Weißen ist allerdings: Sie haben - auch wenn jetzt Stützen wie Morgan Guilavogui oder Manolis Saliakas länger ausfallen - ein System, um die für den Klassenerhalt nötigen Punkte zu sammeln.

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Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 07.02.2025 | 19:30 Uhr

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