Brightons Trainer Fabian Hürzeler © IMAGO / Shutterstock

Sternzeichen Aufsteiger - Das sensationelle Jahr des Fabian Hürzeler

Stand: 28.12.2024 14:52 Uhr

Aufstieg mit dem FC St. Pauli, jüngster Premier-League-Coach aller Zeiten bei Brighton & Hove Albion und ein guter Start in England: Das Jahr von Trainer Fabian Hürzeler ist eine große Erfolgsgeschichte. Und doch muss und will er weiter lernen.

von Tobias Knaack

Der Ruhm kam als Rechteck von einem Restaurant. Mit Tomatensoße auf Teig. Belegt mit Kartoffeln und Currywurst. Ende Oktober hielt Hürzeler ein Stück Pizza in Händen. Doch war es nicht irgendeine Pizza, es war seine: The Hurzeler. Benannt nach ihm, Fabian Marc Hürzeler, Deutsch-Schweizer, 31 Jahre alt, Trainer des Premier-League-Clubs Brighton & Hove Albion.

Nun mag die Zuneigung in England bisweilen etwas zügiger, enthusiastischer und teilweise auch in skurrilerer Weise ausgedrückt werden, als man es hierzulande gewohnt ist. Die Tatsache aber, dass Hürzeler, der erst wenige Wochen zuvor aus Hamburg in den Süden Englands gewechselt war, diese Ehre zuteil wurde, spricht für seine Arbeit. Und für seinen unverändert rasanten Aufstieg.

Aufstieg nur eines der Hürzeler-Highlights 2024

Hürzelers Fußball-Jahr 2024 im Zeitraffer: Zweitliga-Meister und Bundesliga-Aufsteiger mit dem FC St. Pauli, Wechsel nach England, jüngster Premier-League-Coach aller Zeiten, Trainer des Monats und ein alles in allem solider Start in der besten Fußball-Liga der Welt.

Zufall ist von all dem, was der in Houston im US-Bundesstaat Texas geborene Hürzeler in diesem Jahr erreicht hat, wenig. Sieht man vielleicht von der Pizza ab. Dafür ist er - der laut Selbstbeschreibung "23 Stunden am Tag Fußball" lebt - ein viel zu versessener und in Teilen auch besessener Arbeiter. Ein Tüftler. Ein Stratege. Einer, der versucht, dem situativen Sport Fußball Teile seiner Zufälligkeit zu nehmen. Mit Akribie, Ambitionen und Anpassungsfähigkeit.

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Hürzeler passte gut zu St. Pauli - und passt gut zu Brighton

Damit passte er - im Gespann mit Sportchef Andreas Bornemann - sehr gut zum FC St. Pauli und wurde dafür, als der Aufstieg feststand, auf Schultern und Händen durch das Millerntor-Stadion getragen.

Damit passt er aber auch sehr gut nach Brighton - einst aufgrund seiner kilometerlangen Promenade vor allem als Seebad für großstadtflüchtige Londoner bekannt, mittlerweile aber eine der wirtschaftlich am stärksten wachsenden Regionen Großbritanniens.

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Ambitionen von Club und Trainer passen

Denn auch Hürzeler will weiter wachsen. Das war schon bei den Braun-Weißen so, die er, nachdem er 2022 das Traineramt von Timo Schultz übernommen hatte, von einem Zweitliga-Abstiegskandidaten binnen Monaten zu einem Aufstiegsaspiranten und schließlich zum Meister machte. Und es war auch schon beim FC Pipinsried, einem bayrischen Fünftligisten, der Fall, den er mit 24 Jahren als Spielertrainer übernommen hatte, nachdem ihm eine eigene Karriere als Spieler trotz guter Anlagen versagt blieb.

Kurz nach seinem Diensantritt in England formulierte Hürzeler, der neben der deutschen noch die schweizerische und die amerikanische Staatsbürgerschaft hat, laut "Neuer Zürcher Zeitung", er wolle nicht mehr "als das kleine Brighton & Hove Albion erkannt und gesehen" werden. Ein Ausspruch mit Anspruch, der in Stadt und Verein einen Nerv zu treffen scheint.

"Seagulls" als profilierter Entwicklungs-Club

Denn der Club, auch bekannt als "Seagulls", zu deutsch: Möwen, hat sich seit dem Aufstieg im Jahr 2017 als festes Mitglied der Premier League etabliert. Graham Potter, Coach von 2019 bis 2022, baute eine defensiv robuste Einheit. Nachfolger Roberto De Zerbi, ein Vorbild Hürzelers, entwickelte in den zwei Jahren danach einen anspruchsvollen, auf Ballbesitz ausgerichteten Spielstil.

An Hürzeler ist es nun, auf diesem Fundament aufbauend, die Dinge weiterzuentwickeln. Seine Detailliebe und Innovationsfreude - etwa bei Standardsituationen - passen gut zur Arbeitsweise der "Seagulls", einem der profilitiersten englischen Clubs für die Entwicklung junger, talentierter Spieler in den vergangenen Jahren. Zwischen 2017 und 2024 soll der Verein einen kolportierten Überschuss von einer Viertmilliarde Euro erzielt haben.

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Brighton will mit Hürzeler nächsten Schritt gehen

Solche Summen lassen sich nur durch innovative und in Teilen andere Methoden erlösen und Hürzelers Arbeitsweise und sein Auftreten kommen der akademischen Ausrichtung des Clubs entgegen. Der Verein arbeitet speziell bei der Analyse und Rekrutierung datenbasiert. Die Entwicklung und der Verkauf von Spielern sind ein Muss für einen Club der Größe Brightons im Multi-Milliarden-Business Premier League.

Doch das alleine soll es eben nicht mehr sein. Brighton, im Besitz des aus der Stadt stammenden Glücksspiel-Milliardärs Tony Bloom, möchte den Blick nach oben richten, die "Großen" attackieren und ärgern - die Liverpools, die Manchester Citys, die Chelseas. Im vergangenen Sommer hat der Club dafür rund 100 Millionen Euro mehr in neue Spieler investiert als der FC Bayern München (243 zu 142 Millionen Euro).

"Angriff" in England statt "Abwehr" in der Bundesliga

Hürzeler soll dieses Vorhaben Blooms und Brightons anführen. Für ihn bedeutete der Wechsel im Sommer den zweiten Aufstieg binnen zwei Monaten - und "Angriff" in der Premier League statt "Abwehr", im Sinne von Abstiegskampf, in der Bundesliga. Doch wie schon in Hamburg muss Hürzeler - der enormen Investitionen zum Trotz - auch in England beweisen, dass er einzelne Spieler wie bei St. Pauli Kapitän Jackson Irvine oder Abwehrboss Eric Smith ebenso formen und besser machen kann wie ein ganzes Team. Und das probiert er auch in der Premier League auf ähnliche Art und Weise, wie er es in Deutschland getan hat, wie die englische Tageszeitung "The Guardian" im Herbst berichtete.

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Indem er nicht nur den Spieler sieht, sondern den Menschen dahinter mit seinen spezifischen Eigenschaften. Indem er zuhört und indem er Fragen stellt. Das, so der "Guardian", hat er, damals noch in Diensten St. Paulis, bei einer Hospitation bei Tottenham wohl derart exzessiv gemacht, dass Spurs-Coach Ange Postecoglou ihn kurzerhand an einen Kollegen aus seinem Trainerteam verweisen musste.

Doch sind es genau Hürzelers Lernbereitschaft und -wille, die ihm seine großen Erfolge in den vergangenen Jahren und speziell 2024 gebracht haben. Zeigen muss sich indes, ob er, der in Deutschland als Trainer mehr oder weniger von Erfolg zu Erfolg eilte, auch mit Niederlagen umgehen kann.

"Das mag er vielleicht nicht gerne hören. Aber er muss irgendwann ja auch noch mal lernen, wie Verlieren geht." St. Paulis Präsident Oke Göttlich

Glaubt man Oke Göttlich, steht diese wichtige Lektion für den Dauer-Aufsteiger aus: "Er hat noch eine große Herausforderung vor sich. Das mag er vielleicht nicht gerne hören. Aber er muss irgendwann ja auch noch mal lernen, wie Verlieren geht", hatte St. Paulis Präsident ihm nach den Anfangserfolgen in England mit viel beachteten Siegen über beide Manchester-Clubs und Tottenham hinterhergerufen.

Und aktuell hat Hürzeler gute Gelegenheit dazu. Seit sechs Pflichtspielen sind er und sein Team sieglos (vier Remis, zwei Niederlagen). Für den 31-Jährigen, der sich im Podcast "Phrasenmäher" als "Adrenalinjunkie" beschrieb, dem jeder Sieg einen enormen Schub gebe, eine neue Erfahrung. Mit einer solchen "Dürre" hatte er in Hamburg nicht umzugehen.

Ratschläge von Pep Guardiola

Bevor er im Sommer nach Brighton wechselte, habe er mit Manchester Citys Startrainer Pep Guardiola telefoniert und ihn gefragt, was es brauche, um in England dauerhaft erfolgreich zu sein. Der Katalane habe ihm, so erzählte Hürzeler in dem Podcast, unter anderem geraten: "Du musst deine Spielidee immer weiter entwickeln." So wie man die Karte eines Restaurants immer weiterentwickeln muss, um am Markt konkurrenzfähig zu sein - und zu bleiben. Mit einer neuen Pizza zum Beispiel.

Und so wird Hürzeler, der vermutlich nichts so fürchtet wie Stillstand, auch im neuen Jahr wieder neue Zutaten suchen und finden, die das "Menü" seines Teams zu erweitern und dessen Entwicklung voranzutreiben. Denn nur weil dieses Jahr das erfolgreichste seiner Fußballkarriere war, heißt das aus seiner Sicht ja nicht, dass 2025 nicht noch besser werden könnte.

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Dieses Thema im Programm:

Sport aktuell | 31.12.2024 | 11:17 Uhr

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